2014-01-29 11:10:23

Ukraine: Auch die Polizisten kriegen eine Suppe


RealAudioMP3 Die Ukraine steht – wieder mal und immer noch – am Scheideweg. Das Fortdauern der Massendemonstrationen in Kiew und anderen Städten seit November lässt eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten offen: dass die Regierung den Protest mit Gewalt niederschlägt (die wahrscheinlichere Variante), oder dass schließlich die Oppositionellen an die Macht kommen. Oder aber, so unwahrscheinlich das ist, es kommt doch noch zu einem politischen Dialog; auch dafür gibt es einige Ansätze, etwa den Rücktritt des Ministerpräsidenten am Dienstag, oder die Annullierung einiger repressiver Gesetze.


Ralf Haska arbeitet als deutscher evangelischer Pfarrer in Kiew und wohnt nur fünf Minuten vom Justizministerium entfernt, einem der Kristallisationspunkte der Proteste. Ein Foto auf der Homepage seiner Gemeinde zeigt, wie er sich zwischen die Demonstranten und die Regierungstruppen stellt. Wie gefährlich ist so etwas?, fragte ihn das Kölner Domradio.


„Ich werde das oft gefragt, ich weiß es nicht. Ich denke, es wird schon eine gewisse Gefährlichkeit dabei sein, weil man nie weiß, wie die Seiten reagieren, die man auseinanderbringen möchte. Ob sie Respekt haben, ob sie das einsehen, was man sagt, oder ob sie einfach weiter aufeinander losgehen wollen. Ich weiß es nicht. Aber in dem Moment, wo das eben nötig ist, muss man handeln. Also das ist ja genau vor meiner Kirche passiert, genau vor der Tür sozusagen, und ich kann ja da nicht einfach so stehenbleiben und nur zuschauen, vielleicht noch die Videokamera draufhalten. Da muss man einfach helfen, wenn man es kann und wenn man die Möglichkeit hat. Und ich habe eben gehofft, dass man einem Geistlichen gegenüber – ich bin ja in vollem Ornat dazwischen gegangen – , dass man da einfach ein Stück Respekt hat.“

Haska glaubt und hofft, dass es nicht zur Verhängung des Ausnahmezustands kommen wird.

„Allerdings, in diesem Land weiß man nie: Was heute ist, kann morgen schon wieder völlig anders sein. Hier ändert sich schnell die Situationen. Und es kann sein, dass es vom Tisch ist; es sieht im Moment so aus, dass beide Seiten tatsächlich einen Schritt aufeinander zu getan haben. Das muss aber nicht heißen, dass es am Nachmittag oder am Abend nicht schon wieder völlig anders aussieht.“

Der Pfarrer versorgt Polizisten und Demonstranten in seiner Kirchengemeinde mit Strom für Handys, aber auch mit Suppen oder mit warmen Getränken. Er könne die Demonstranten verstehen, sagt er und betont, dass die jüngste Gewalt nicht von Protestierenden ausgegangen sei, sondern „ganz eindeutig“ vom „Staat“. So weit, so oppositionsfreundlich.

„Auf der anderen Seite stehen da 18-, 19- ,20-jährige junge Polizisten, die ganz sicher in einer gewissen Zwickmühle sind. Sie sind da hingestellt, müssen da stehen, auf der anderen Seite würden sie vielleicht lieber auf der Seite der Demonstrierenden stehen. Denen erst einmal genauso freundlich entgegenzukommen, denke ich, ist ein Gebot der christlichen Nächstenliebe. Und das versuchen wir: sowohl den Demonstrierenden zu geben, was sie nötig haben, als auch den Polizisten, die zu uns kommen.

(afp/domradio 29.01.2014 sk)








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