Südsudan: Hoffnung auf das „Gespür für Brüderlichkeit“
700.000 Binnenflüchtlinge,
112.000 Flüchtlinge in die Nachbarstaaten. Und die Zahl der Toten? Die liegt nach
Schätzungen internationaler Beobachter bei bis zu 10.000 Menschen. Südsudan, ohnehin
schon eines der ärmsten Länder der Welt, hat sich einen teuren Krieg geleistet in
den letzten Wochen. Und so richtig gelöst wirkt der Machtkampf zwischen Präsident
Salva Kiir und seinem früheren Vize Riek Machar auch jetzt nicht, wo die beiden im
äthiopischen Addis Abeba einen Waffenstillstand geschlossen haben. Immerhin weiß die
Comboni-Missionarin Elena Balatti, die seit über zwanzig Jahren in Nord- bzw. Südsudan
arbeitet, auch etwas Gutes zu berichten. Radio Vatikan erreichte sie telefonisch in
Malakal, Hauptort des Bundesstaats Oberer Nil.
„Ich kann sagen, dass
der Waffenstillstand in Malakal hält. Die Region ist von der Regierungsarmee am 20.
Januar zurückerobert worden, drei Tage vor der Unterzeichnung dieses Waffenstillstands.
Leider gehen aber die Kämpfe in einigen Gebieten noch weiter, nämlich dort, wo sich
die beiden Armeen noch direkt gegenüberstehen, an den Grenzen der Bundesstaaten Oberer
Nil und Jonglei und auch Unity, wo die Ölquellen sind.“
Die Bevölkerung
von Malakal sei von den Kämpfen der letzten Wochen „hart geprüft“, so Schwester Elena.
„Noch
nicht einmal die Alten erinnern sich an eine ähnliche Katastrophe! Wir als Kirche
bemühen uns natürlich, die ethnische Komponente dieses Konflikts nicht überzubetonen,
weil das niemandem hilft, aber natürlich gibt es diese Komponente. In den Gebieten,
die von den Rebellen kontrolliert werden, ist die Dinka-Bevölkerung besonders gefährdet,
weil die Rebellen mehrheitlich einer anderen Ethnie angehören, und in den Regierungs-Gegenden
ist genau das Gegenteil der Fall. Darum ist hier in Malakal die Nuer-Bevölkerung besonders
gefährdet. Die Armee sucht nach Leuten, die als Kämpfer bei der Rebellion mitgemacht
haben, um sie zu verhaften.“
Der Erzbischof von Juba, Lukudu Loro,
hat alle Bischöfe des Südsudan zu Gesprächen über die schwierige Lage in die Hauptstadt
Juba gerufen. Da geht es um mehr als nur fromme Erwägungen:
„Die katholische
Kirche hatte speziell hier in Malakal, einer der ersten von Zusammenstößen betroffenen
Städte, eine wirklich wesentliche Rolle. Im Hof der Kathedrale hatten wir zeitweise
7.000 Flüchtlinge! Jede ethnische Gruppe konnte da kommen, und alle Seiten haben die
Kirche auch respektiert, so dass sie sich für die Menschen einsetzen konnte. Die Rebellen
haben unseren Flüchtlingen sogar Nahrungsmittel geliefert, als sie die Kontrolle über
die Stadt hatten.“
Sie habe ja schon viele Krisen im Südsudan erlebt,
so Schwester Elena, aber diese sei doch „bei weitem die schlimmste“ gewesen. Das katholische
Radio der Stadt rufe in diesen Tagen zu Versöhnung auf und rate, von Rache Abstand
zu nehmen.
„Wenn ein bisschen Zeit vergangen ist, kriegen es die Völker
im Südsudan erfahrungsgemäß hin, wieder einen Modus vivendi zu finden. Selbst wenn
sich ihre Gruppen vorher direkt bekämpft haben. Ich denke also, dass man darauf hoffen
darf, dass das Gespür für Brüderlichkeit wieder einmal die Oberhand gewinnen wird.“