2014-01-23 13:45:02

Zentralafrikanische Republik: Sant Egidio wird helfen


RealAudioMP3 „Sicherheit. Vor allem ist jetzt Sicherheit nötig“ – das fordert Mauro Garofalo von der römischen Basisgemeinschaft Sant Egidio für Zentralafrika. Das Land hängt aus seiner Sicht am seidenen Faden. Allein in der Hauptstadt Bangui sollen seit Mitte Dezember etwa 1.000 Menschen getötet worden sein – und das sind nur die offiziellen Zahlen des Roten Kreuzes in der Zentralafrikanischen Republik. Mit „praktischen Aussöhnungstreffen vor Ort“ will die Basis-Gemeinschaft Sant Egidio jetzt intervenieren.


Drei Tage lang haben Friedensexperten von Sant Egidio in Rom mit einer zentralafrikanischen Delegation hinter verschlossenen Türen über das weitere Vorgehen in Zentralafrika beraten - zeitgleich zur Wahl einer neuen Präsidentin für das Krisenland. Mitglieder der Regierung von Bangui, Politiker und Vertreter relevanter gesellschaftlicher Bewegungen waren dazu nach Rom gereist. Einer von ihnen: Kommunikationsminister Adrien Pousson. Er steht noch ganz unter dem Eindruck des Gemetzels in seiner Heimat.

„Es ist schwierig, da eine genaue Zahl anzugeben bzw. die Todesopfer zu zählen, aber diese Gewalt sorgt für mehr Opfer, als man denkt. Schwer zu sagen, ob mehr Muslime oder mehr Christen getötet werden; es gibt in beiden Lagern Tote, aber auch Menschen, die weder Muslime noch Christen sind, starben. Und das zeigt, dass das ganze Land betroffen ist. Es ist tatsächlich, wie in der Presse berichtet, zu ausnehmend grausamen Szenen gekommen – eine Folge der Ressentiments. Was von März an im Land geschehen ist, hat seine Spuren hinterlassen; bei einigen Menschen hat das einen Durst nach Rache geweckt, den sie jetzt stillen. Bis hin zu Akten von Kannibalismus!“

Sant Egidio, das vor Jahrzehnten das Ende des Bürgerkriegs in Mosambik vermittelte, ist schon seit einiger Zeit in der Zentralafrikanischen Republik aktiv und kennt viele der Akteure vor Ort. Mauro Garofalo ist bei Sant Egidio für die internationalen Beziehungen zuständig. Er sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Wir versuchen jetzt, ein Aussöhnungskomitee einzurichten, das all die sozialen und politischen Akteure zusammenbringen kann, all die institutionellen Akteure und natürlich auch Vertreter der religiösen Gruppen. Denn wie wir wissen, gibt es vor Ort ein Problem des Aufeinanderprallens unter den religiösen Gemeinschaften.“

Allerdings sei der Gegensatz zwischen Muslimen und Christen „auf keinen Fall die alleinige“ Ursache des Konflikts in Zentralafrika, betont Garofalo.

„Es hat angefangen als politisches und ethnisches Problem, und jetzt hat sich eine neue Dynamik von religiösen Klassen entwickelt. Dabei blickt das Land zurück auf eine lange Tradition von interreligiöser Koexistenz: religiös gemischte Familien, Freundschaften innerhalb der religiösen Gemeinschaften. Jetzt hat die Anwesenheit der Seleka-Rebellen diese Sache kaputt gemacht. Wir werden sehen, was passiert.“

Sant Egidio will in den nächsten Tagen seine Mission nach Bangui schicken, um die neue Präsidentin zu treffen - es ist die bisherige Bürgermeisterin der Hauptstadt Bangui - und um für das Aussöhnungskomitee zu sorgen.

„Das soll ganz konkret heißen, dass wir nicht nur Treffen in Bangui organisieren wollen, denn Bangui ist natürlich ein Fall für sich. Allerdings ist auch im Rest des Landes die Lage sehr kompliziert. Das heißt zum Beispiel, dass wir versuchen wollen, auch die Vertreter der Gruppen, die heute Probleme bereiten, also die Seleka und die Anti-Balaka, in diesen Dialog mit einzubeziehen. Zuerst noch in einem ganz vertraulichen Rahmen, aber es wird auf jeden Fall gemacht.“

Die muslimischen Seleka und die christlichen Anti-Balaka stehen sich derzeit unversöhnlich gegenüber. Garofalo hofft, dass sich die Lage wenigstens durch ausländische Truppen stabilisieren läßt. Er hofft da vor allem auf die frisch beschlossene Militärmission der EU. Sie soll die bestehende UNO-Mission namens Misca und die französische Mission namens Sangaris entlasten.

„Ich glaube, das war eine weise Entscheidung. Denn nur die Misca und Sangaris allein können im ganzen Land keine Sicherheit garantieren. Es handelt sich immerhin um ein sehr großes Land. Die Unterstützung anderer europäischer Länder ist darum sehr willkommen, genauso wie das Engagement anderer Institutionen: Das gibt den französischen und anderen Truppen die Möglichkeit, durch das ganze Land zu streifen und auch Dörfer in den entlegenen Provinzen zu erreichen, die jetzt nicht sicher sind.“

Der Medienminister der Zentralafrikanischen Republik, Adrien Pousson, weiß, dass zuhause eine Herkulesaufgabe auf ihn und seine Kabinettskollegen wartet.

„Die Priorität der Regierung heute ist die nationale Aussöhnung. Man muss die Herzen beruhigen, die Rachegelüste überwinden und die Menschen lehren, wieder zusammenzuleben wie früher. Zweitens müssen wir den Flüchtlingen helfen, nach Hause zurückzukommen und wieder ihrer Arbeit nachzugehen, damit schnell wieder eine gewisse Form von Normalität einkehrt. Wir bitten unsere Partner im Ausland, uns beim Zahlen von Beamtengehältern auszuhelfen, weil die Regierung derzeit nicht dazu in der Lage ist. Viele Beamte sind unter den Flüchtlingen; wenn man ihnen einen oder zwei Monatslöhne geben könnte, dann könnten sie wieder ihre Arbeit aufnehmen und das Land wieder auf das richtige Gleis setzen.“

Die Lage in der Zentralafrikanischen Republik ist brandgefährlich, ein UNO-Mann sprach sogar von einem drohenden Völkermord. Doch sollte das Land sich fangen, dann könnte ihm die Krise sogar eine Chance bieten, so der Verantwortliche von Sant Egidio.

„Ich glaube, es handelt sich um eine historische Möglichkeit für das Land, von Null an den Staat und alle Institutionen neu aufzubauen. So etwas hat es noch nie gegeben, darum ist es eine historische Chance. Mit einiger Anstrengung und internationaler Hilfe kann das erreicht werden. Es ist aber auch notwendig, dass alle Vertreter Zentralafrika in diesem Sinne arbeiten.“

Unterstützt wird Sant Egidio in Zentralafrika auch von den Vereinten Nationen. In der letzten Resolution des Sicherheitsrates wird der Republikanische Pakt erwähnt, der unter Vermittlung der Bewegung im November vergangenen Jahres zustande kam.

(rv 23.01.2014 ms)








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