Zentralafrikanische Republik: Sant Egidio wird helfen
„Sicherheit. Vor allem
ist jetzt Sicherheit nötig“ – das fordert Mauro Garofalo von der römischen Basisgemeinschaft
Sant Egidio für Zentralafrika. Das Land hängt aus seiner Sicht am seidenen Faden.
Allein in der Hauptstadt Bangui sollen seit Mitte Dezember etwa 1.000 Menschen getötet
worden sein – und das sind nur die offiziellen Zahlen des Roten Kreuzes in der Zentralafrikanischen
Republik. Mit „praktischen Aussöhnungstreffen vor Ort“ will die Basis-Gemeinschaft
Sant Egidio jetzt intervenieren.
Drei Tage lang haben Friedensexperten
von Sant Egidio in Rom mit einer zentralafrikanischen Delegation hinter verschlossenen
Türen über das weitere Vorgehen in Zentralafrika beraten - zeitgleich zur Wahl einer
neuen Präsidentin für das Krisenland. Mitglieder der Regierung von Bangui, Politiker
und Vertreter relevanter gesellschaftlicher Bewegungen waren dazu nach Rom gereist.
Einer von ihnen: Kommunikationsminister Adrien Pousson. Er steht noch ganz unter dem
Eindruck des Gemetzels in seiner Heimat.
„Es ist schwierig, da eine genaue
Zahl anzugeben bzw. die Todesopfer zu zählen, aber diese Gewalt sorgt für mehr Opfer,
als man denkt. Schwer zu sagen, ob mehr Muslime oder mehr Christen getötet werden;
es gibt in beiden Lagern Tote, aber auch Menschen, die weder Muslime noch Christen
sind, starben. Und das zeigt, dass das ganze Land betroffen ist. Es ist tatsächlich,
wie in der Presse berichtet, zu ausnehmend grausamen Szenen gekommen – eine Folge
der Ressentiments. Was von März an im Land geschehen ist, hat seine Spuren hinterlassen;
bei einigen Menschen hat das einen Durst nach Rache geweckt, den sie jetzt stillen.
Bis hin zu Akten von Kannibalismus!“
Sant Egidio, das vor Jahrzehnten das
Ende des Bürgerkriegs in Mosambik vermittelte, ist schon seit einiger Zeit in der
Zentralafrikanischen Republik aktiv und kennt viele der Akteure vor Ort. Mauro Garofalo
ist bei Sant Egidio für die internationalen Beziehungen zuständig. Er sagte im Gespräch
mit Radio Vatikan:
„Wir versuchen jetzt, ein Aussöhnungskomitee einzurichten,
das all die sozialen und politischen Akteure zusammenbringen kann, all die institutionellen
Akteure und natürlich auch Vertreter der religiösen Gruppen. Denn wie wir wissen,
gibt es vor Ort ein Problem des Aufeinanderprallens unter den religiösen Gemeinschaften.“
Allerdings sei der Gegensatz zwischen Muslimen und Christen „auf keinen
Fall die alleinige“ Ursache des Konflikts in Zentralafrika, betont Garofalo.
„Es
hat angefangen als politisches und ethnisches Problem, und jetzt hat sich eine neue
Dynamik von religiösen Klassen entwickelt. Dabei blickt das Land zurück auf eine lange
Tradition von interreligiöser Koexistenz: religiös gemischte Familien, Freundschaften
innerhalb der religiösen Gemeinschaften. Jetzt hat die Anwesenheit der Seleka-Rebellen
diese Sache kaputt gemacht. Wir werden sehen, was passiert.“
Sant Egidio
will in den nächsten Tagen seine Mission nach Bangui schicken, um die neue Präsidentin
zu treffen - es ist die bisherige Bürgermeisterin der Hauptstadt Bangui - und um für
das Aussöhnungskomitee zu sorgen.
„Das soll ganz konkret heißen, dass wir
nicht nur Treffen in Bangui organisieren wollen, denn Bangui ist natürlich ein Fall
für sich. Allerdings ist auch im Rest des Landes die Lage sehr kompliziert. Das heißt
zum Beispiel, dass wir versuchen wollen, auch die Vertreter der Gruppen, die heute
Probleme bereiten, also die Seleka und die Anti-Balaka, in diesen Dialog mit einzubeziehen.
Zuerst noch in einem ganz vertraulichen Rahmen, aber es wird auf jeden Fall gemacht.“
Die
muslimischen Seleka und die christlichen Anti-Balaka stehen sich derzeit unversöhnlich
gegenüber. Garofalo hofft, dass sich die Lage wenigstens durch ausländische Truppen
stabilisieren läßt. Er hofft da vor allem auf die frisch beschlossene Militärmission
der EU. Sie soll die bestehende UNO-Mission namens Misca und die französische Mission
namens Sangaris entlasten.
„Ich glaube, das war eine weise Entscheidung.
Denn nur die Misca und Sangaris allein können im ganzen Land keine Sicherheit garantieren.
Es handelt sich immerhin um ein sehr großes Land. Die Unterstützung anderer europäischer
Länder ist darum sehr willkommen, genauso wie das Engagement anderer Institutionen:
Das gibt den französischen und anderen Truppen die Möglichkeit, durch das ganze Land
zu streifen und auch Dörfer in den entlegenen Provinzen zu erreichen, die jetzt nicht
sicher sind.“
Der Medienminister der Zentralafrikanischen Republik, Adrien
Pousson, weiß, dass zuhause eine Herkulesaufgabe auf ihn und seine Kabinettskollegen
wartet.
„Die Priorität der Regierung heute ist die nationale Aussöhnung.
Man muss die Herzen beruhigen, die Rachegelüste überwinden und die Menschen lehren,
wieder zusammenzuleben wie früher. Zweitens müssen wir den Flüchtlingen helfen, nach
Hause zurückzukommen und wieder ihrer Arbeit nachzugehen, damit schnell wieder eine
gewisse Form von Normalität einkehrt. Wir bitten unsere Partner im Ausland, uns beim
Zahlen von Beamtengehältern auszuhelfen, weil die Regierung derzeit nicht dazu in
der Lage ist. Viele Beamte sind unter den Flüchtlingen; wenn man ihnen einen oder
zwei Monatslöhne geben könnte, dann könnten sie wieder ihre Arbeit aufnehmen und das
Land wieder auf das richtige Gleis setzen.“
Die Lage in der Zentralafrikanischen
Republik ist brandgefährlich, ein UNO-Mann sprach sogar von einem drohenden Völkermord.
Doch sollte das Land sich fangen, dann könnte ihm die Krise sogar eine Chance bieten,
so der Verantwortliche von Sant Egidio.
„Ich glaube, es handelt sich um
eine historische Möglichkeit für das Land, von Null an den Staat und alle Institutionen
neu aufzubauen. So etwas hat es noch nie gegeben, darum ist es eine historische Chance.
Mit einiger Anstrengung und internationaler Hilfe kann das erreicht werden. Es ist
aber auch notwendig, dass alle Vertreter Zentralafrika in diesem Sinne arbeiten.“
Unterstützt
wird Sant Egidio in Zentralafrika auch von den Vereinten Nationen. In der letzten
Resolution des Sicherheitsrates wird der Republikanische Pakt erwähnt, der unter Vermittlung
der Bewegung im November vergangenen Jahres zustande kam.