Angesichts der ernüchternden Bilanz bei den Millenniumsentwicklungszielen empfiehlt
der honduranische Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga der Weltgemeinschaft eine
genaue Gewissensprüfung. Die internationalen Staaten und die Vereinten Nationen müssten
bis zum Kern vordringen und erkennen, was sie getan haben und was nicht, sagte der
Präsident von Caritas Internationalis am Samstag vor Journalisten in Bonn. 2015 müsse
man dann nach vorne schauen und sich neue Ziele setzen.
Im Jahr 2000 habe
großer Optimismus geherrscht, so der Kardinal. Im „Triumphalismus des neuen Jahrtausends“
habe man dann von „Millenniumszielen“ gesprochen, um bis 2015 die Armut weltweit zu
halbieren und auch andere Phänomene von Elend und Unterentwicklung zu beseitigen.
Tatsächlich sei nicht sehr viel geschehen; aus verschiedensten Gründen habe die Armut
sogar zugenommen.
Rodriguez, der auch als Schirmherr der sogenannten Millenniums-Entschuldungskampagne
fungierte, vermisst in der aktuellen Politik der Globalisierung vor allem Brüderlichkeit.
Man habe Gleichheit ohne Freiheit erlebt - den Kommunismus; zudem Freiheit ohne Gleichheit
- den Kapitalismus: „Brüderlichkeit ist aber nie gekommen.“
Der Kardinal leitet
derzeit den Kardinalsrat von Papst Franziskus zur Reform der Römischen Kurie. Er nahm
den neuen Papst aus Lateinamerika für seine jüngste Kapitalismuskritik in Schutz.
Viele hätten das Messer gewetzt, ohne den Text des Papstes überhaupt gelesen zu haben.
Franziskus sei nicht gegen, sondern für wirtschaftliche Fortschritte. Seine Kapitalismuskritik
richte sich gegen die egoistische Ausrichtung der Globalisierung.