Vatikan/Argentinien: Rabbiner Skorka besucht seinen Freund Franziskus
Wenn der Papst im
Mai ins Heilige Land reist, ist ein alter Freund aus Argentinien mit von der Partie:
Der Rabbiner Abraham Skorka wird seinen Freund Franziskus begleiten. Zum ersten Mal
reist ein Papst zusammen mit einem Rabbiner nach Israel. Jetzt ist Skorka zu Besuch
in Rom und im Vatikan: Es geht um die Entwicklungen im jüdisch-katholischen Dialog,
Thema sind aber auch die Reisepläne für die gemeinsame Zeit in Israel im Mai.
„Was
meine Erwartungen sind? Was ich wirklich dort mache, ist, Gott zu bitten, den Papst
zu segnen, damit er es schaffen kann, die richtigen Worte und die richtige Einstellung
zu finden, um eine ausgeglichene und eine tiefe Botschaft für den Frieden an alle
Bewohner der Region zu richten, an Juden, Muslime, an Christen, und ganz allgemein,
an jeden, der dort in dieser Gegend lebt – denn diese Gegend ist ein besonderes Symbol
und hat eine besondere Bedeutung für uns.“
Noch nie hat es eine so berühmte
und langjährige Freundschaft zwischen einem Kirchenoberhaupt und einem jüdischen Gelehrten
gegeben. Der Rabbiner Skorka wünscht seinem Freund Papst Franziskus, dass er mit seiner
Reise ins Heilige Land einen echte Wende im Umgang zwischen Juden und Christen schaffen
könne. Die Idee zur Reise, kam von beiden. Skorka war schon einmal im Herbst in Rom,
um seinen Freund zu besuchen.
„Zuerst muss ich sagen, dass es ein Traum
ist, den wir hatten. Der Moment, in dem sich der Papst selbst inspirierte, diese Reise
zu organisieren, war während eines Mittagessens mit mir. Und wir haben darüber gesprochen,
wir haben auch über die Wichtigkeit einer Friedensbotschaft und die Wichtigkeit seiner
Präsenz in Israel gesprochen. Wir schätzen die Möglichkeit gemeinsam nach Israel zu
gehen, und ich glaube daran, dass Gott uns segnen wird, um unseren Traum wahr werden
zu lassen.“
Der Rabbiner möchte mit der gemeinsamen Reise ein „Zeichen
in der Geschichte“ setzen. Trotz der wenigen Stunden und der sehr kurzen Zeit im Heiligen
Land hofft er darauf, dass es dem Papst gelingen werde, „eine starke Botschaft zu
hinterlassen, die die Chance hat, andere zu inspirieren, für den Frieden zu kämpfen“.
„Der Heilige Vater wird dann mitten in einem Tauziehen sein“, sagt Skorka. Aber Franziskus
sei ja ein Kämpfer, und auch er, der Rabbiner aus Argentinien, wolle seinem christlichen
Freund im Kampf beiseite stehen. Für die Reise nach Israel träumt er selbst von einer
persönlichen, großen Geste:
„Mein Traum, den ich dem Papst mitgeteilt habe,
ist mit ihm gemeinsam vor der Klagemauer zu beten. Denn das ist für uns beide ein
heiliger Ort, für die Christen und für die Juden. Und danach einander zu umarmen,
nach dem Gebet, um Juden und Christen zu zeigen: ,Okay, lasst uns eine Ära beenden
und mit einer neuen Ära beginnen.' Ich würde auch gerne mit ihm in Bethlehem sein,
um zu zeigen, dass einer dem andern helfen kann, einen spirituellen Moment zu ehren.
Ich kann seine Spiritualität in Bethlehem zwar nicht völlig mit ihm teilen, denn es
ist ein christlicher Ort. Aber ich kann seine Gefühle, seine Hingabe, seine Inspiration
an diesem Ort mit ihm teilen. Ich kann diesen besonderen Moment für ihn mit ihm teilen.
Als Freund. Das ist die Antwort: Als Freund. Ohne in theologische Überlegungen einzusteigen.
Als Freund möchte ich gerne mit ihm sein, damit er mich sieht, wenn er sich in Spiritualität
begibt, und inspiriert ist von diesem Ort. Das ist die genaue Definition.“
Das
jüdisch-katholische Duo kennt sich noch aus Argentinien. Den Juden Skorka und den
Katholiken Bergoglio verbindet seitdem eine tiefe Freundschaft. Gemeinsam haben die
beiden viele Pläne geschmiedet, um den jüdisch-katholischen Dialog voran zu bringen.
Der Rabbiner erinnert sich gerne an diese Zeit zurück:
„Bergoglio er hat
den Dialog als einen sehr wichtigen Teil seiner Religiosität gelebt. Er hat ein wahres
Engagement für diesen Dialog gezeigt, einen starken Einsatz. Er erkennt, dass der
Dialog mit den Juden sehr besonders ist, so wie auch Kardinal Koch es schon betont
hat: Das Besondere liegt im gemeinsamen Ursprung von Juden und Christen. Aber daneben
galt es damals in Argentinien, eine dialogische Realität zu schaffen, mitten in der
argentinischen Gesellschaft, in der wir noch erlernen mussten, einen Dialog zu führen.
Ja, das war damals eine unserer Herausforderungen.“
Heute gibt es andere
Herausforderungen, weiß der Rabbiner: Von diesem Papstbesuch im Heiligen Land würden
die Menschen viel erwarten. Darum könne der geistliche Anteil daran, also die Pilgerreise,
leicht zu einer Banalität werden. „Es ist unmöglich, dass Papst Franziskus die Probleme
dort löst, aber er kann Inspiration und ein Zeichen hinterlassen“, betont Skorka.
Darauf hoffen auch die Juden. Man erwarte Zeichen der Zuneigung, aber auch Taten vom
Papst. Welche eigentlich?
„Das ist sehr schwierig zu sagen. Das ist eine
Sache, über die der Papst sehr viel nachdenken muss, sehr viel. Denn da gibt es ja
die verschiedensten Probleme in Israel mit den Palästinensern. Eine gerechte Lösung
zu finden, eine Lösung, die wirklich zum Frieden beitragen kann ist keine einfache
Angelegenheit. Die Herausforderung für den Papst ist jetzt, eine Haltung zu finden,
die die Menschen in Israel und in den Palästinensergebieten inspirieren kann: Eine
Hoffnung, eine Vision des Friedens.“
Offizieller Anlass des Besuchs von
Skorka war übrigens ein Vortrag in der päpstlichen Gregoriana-Universität. 50 Jahre
nach dem Dokument „Nostra Aetate“ hat Skorka dort aus lateinamerikanischer Sicht erzählt,
wie er die Entwicklung im Dialog zwischen Juden und Christen einschätzt:
„Nostra
Aetate war ein Grundstein, auf dem wir einen neuen Weg geschaffen haben, und das sind
die Ergebnisse dieses Weges: Dass wir, mit der Delegation aus Argentinien, diesen
Nachmittag mit dem Heiligen Vater verbracht haben und unser Buch und unsere Fernsehprogramme
und all die Dinge, die damit einhergehen und unsere Freundschaft, ist in gewisser
Weise auch mit diesem Ereignis in der Geschichte verbunden. Was ich mir wünsche für
uns alle und für den Papst, ist dass Gott ihn segnen werde, um einen neuen Eckpfeiler
in der Geschichte zu setzen, wenn er in Jerusalem ist.“
Durch den ehrlichen
Dialog wende man einander seine existenziellen Zweifel zu, die ähnlich seien für jeden
der lebt, und man gebe sich auch die Antworten, die jeweils dem eigenen Glauben entspringen.
Am wichtigsten war und ist für den Rabbiner Skorka die Frage, was ein Christ über
einen Juden und was ein Jude über einen Christen wissen muss. In seiner Ansprache
sagte er dazu:
„Ich bestreite nicht, dass es in diesem Dialog nicht im Geringsten
die Absicht gibt, den Anderen von der Wahrheit des eigenen Glaubens zu überzeugen
und auf die Fehler im Glauben des Anderen hinzuweisen. Wenn das aber geschieht, kann
sich der Dialog schnell in einen Streit wandeln, so wie es leider im Mittelalter war.
Was ich will, ist, dass der Christ erfährt, warum ich Jude bin, und dass ich erfahre,
warum er ein Christ ist. Nur so können wir uns gleichermaßen respektieren und eine
Realität schaffen, in der eine reife Liebe herrscht. Erkenntnis und Liebe sind Synonyme
im Hebräischen.“
Den Dialog zwischen Juden und Christen weiterzuführen,
sei darum eine „Aufgabe der Superlative“, betont Skorka in seinem Vortrag in der Päpstlichen
Universität.