Islamischer Reform-Theologe Khorchide will nicht zurücktreten
Der unter Druck geratene islamische Reform-Theologe Mouhanad Khorchide sieht den öffentlichen
Streit um seine eigene Person gelassen. „Ich habe Rückendeckung von der Politik, der
Universität, meinen Studierenden und der muslimischen Basis" sagte er am Donnerstagabend
bei einem Podiumsgespräch in der Diplomatischen Akademie in Wien.
Khorchide
hatte 2008 in Wien zum Thema „Der islamische Religionsunterricht zwischen Integration
und Parallelgesellschaft" promoviert und ist zurzeit Professor für islamische Religionspädagogik
an der Universität Münster.
Mit seiner Idee eines „barmherzigen Islams", die
er in seinen kontrovers diskutierten Büchern „Gott ist Barmherzigkeit" und „Der missverstandene
Gott" erläutert, hat sich der islamische Theologe Khorchide einen Namen als Reformer
weit über die muslimischen Grenzen hinaus gemacht. Deutsche muslimische Verbände fordern
aufgrund seiner vermeintlich nicht tragbaren Interpretation des Korans seit Monaten
seinen Rücktritt als Professor an der Universität Münster.
„Konflikt in
erster Linie politisch motiviert"
Khorchide selbst möchte sich aus der
öffentlichen Debatte und den Machtkampf der um seine Person entbrannt ist, weitgehend
heraushalten. „Solange ich die Rückendeckung der Universität und meiner Studierenden
habe, sehe ich keine Veranlassung dazu, mich von meiner Lehrtätigkeit zurückzuziehen",
so der Religionspädagoge. Der Konflikt um seine Person sei in erster Linie politisch
motiviert, zeigte sich Khorchide in Wien überzeugt. Es gehe um die Deutungshoheit
des Korans. Man dürfe die wissenschaftliche theologische Aufarbeitung des Korans nicht
mit dem persönlichen Glauben muslimischer Individuen gleichsetzen. Es sei Aufgabe
der Theologie, reflektiert und mit einer kritischen Distanz über die Religion zu diskutieren.
Dies wolle aber eine Minderheit nicht akzeptieren, so Khorchide: „Sie wollen festlegen,
was Islam ist und was nicht, um die bestehenden Machtverhältnisse weiterhin aufrechtzuerhalten."
Khorchide
sieht sich als Sprecher einer Mehrheit der deutschen Muslime: „In einem aufgeklärten,
westeuropäischen Land wollen sich die Menschen nicht mehr vorschreiben lassen, was
sie zu tun haben."
Den Grund für die reflexartige Abwehrhaltung mancher muslimischer
Funktionäre ortete Khorchide in der Angst vor einer Europäisierung des Islams im falsch
verstandenen Sinne. „Manche denken, ich wäre ein Agent des Westens, der die Aufgabe
hat, die Lehren des Islams so weit zu verwässern, dass er sein Gesicht verliert."
Genau das Gegenteil sei allerdings sein Anliegen: Wenn er von einem Europäischen Islam
spreche, meine er vielmehr einen Islam, der soweit in der europäischen Gesellschaft
verwurzelt sei, dass es auch für strenggläubige Muslime kein Problem mehr sei, ihren
Glauben mit den europäischen Lebenswelten zu vereinbaren.