Kollegengespräch: „Kardinalskollegium wird internationaler“
Zum ersten Mal in
seiner Amtszeit als Papst hat Franziskus am Sonntag die Namen neuer Kardinäle bekanntgegeben,
die er am kommenden 22. Februar beim Konsistorium kreieren will. Europäer sind dabei
in der Minderheit. Will der Papst das Kardinalskollegium internationaler machen? Das
wollte Stephanie Stahlhofen von Anne Preckel wissen. Ein Kollegengespräch.
„Seit
dem Konzil ist das Kardinalskollegium immer internationaler geworden. Franziskus,
erster Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri, setzt diese Linie fort: 15 Länder des
Globus deckt die Gruppe der 19 zukünftigen Kardinäle ab. Der Papst spannt dabei einen
weiten Bogen, der von Asien über Afrika bis nach Lateinamerika und in die Karibik
reicht. Europa ist da mit zwei neuen Kardinälen eher eine Fußnote.“
Der
Eindruck scheint sich zu bestätigen, dass Franziskus die Kirche „lateinamerikanischer“
machen will: Knapp ein Drittel der 16 neuen wahlberechtigten Kardinäle kommt aus Lateinamerika.
„Ich
würde eher annehmen, Franziskus arbeitet daran, dass sich die Mehrheiten der Katholiken
in der Welt auch angemessen in der Führung der katholischen Weltkirche widerspiegeln.
In Lateinamerika leben ja fast 40 Prozent aller Katholiken weltweit, der Kontinent
ist unter den Papstwählern aber zum Beispiel stark unterrepräsentiert. Eine ähnliche
Situation haben wir bei den wachsenden Kirchen in Asien und Afrika, wo das Christentum
Zulauf hat und die Zahl der Berufungen steigt. Darauf muss man reagieren, und hier
braucht es auch eine starke Präsenz vor Ort in den Ländern selbst. Zu diesen Fragen
hat der Papst zuletzt noch in seinem Gespräch mit internationalen Ordensoberen Ende
November in Rom Stellung genommen.“
In der Tat gibt es jeweils zwei Ernennungen
für Asien und Afrika. Was kann man dazu sagen?
„Ja, für die Philippinen
und für Korea, wo viele Katholiken leben, hat der Papst jeweils einen neuen Kardinal
ernannt, und weiter für Elfenbeinküste und Burkina Faso. In Elfenbeinküste gab es
ja zuletzt große Spannungen und einen Machtkampf; der Erzbischof von Abidjan ist als
Sprachrohr des Friedens und der Versöhnung in dem Land bekannt. Der Erzbischof von
Ouagadougou in Burkina Faso war jahrelang nationaler Leiter der päpstlichen Missionswerke
dort und ist u.a. im Dialog mit den Muslimen sehr aktiv. Überhaupt kann man sehen,
dass viele der neuen Kardinäle vor allem der Südhalbkugel der Welt sehr krisenerprobt
sind und sich auch besonders für Menschen am Rande einsetzen: Ricardo Ezzati Andrello
von Santiago de Chile hat z.B. viel für die Ureinwohner in seinem Land getan, Kelvin
Edward Felix von St. Lucia ist so was wie ein Pastoralpionier in der Karibik und Leopoldo
Jose Brenes Solorzano von Managua bezieht immer wieder Stellung auch zu politischen
Fragen wie Gewalt und dem Schicksal der Migranten – um nur ein Paar Beispiel zu nennen.“
Was
waren denn die größten Überraschungen bei den Ernennungen, was war dagegen vielleicht
zu erwarten?
„Haiti bekommt zum ersten Mal einen Kardinal! Chibly Langlois
ist mit 55 noch recht jung und obendrein kein Erzbischof einer Hauptstadtdiözese.
Das ist eine absolute Premiere und Zeichen dafür, dass dem Papst diese sehr arme und
zuletzt durch Naturkatastrophen gebeutelte Region am Herzen liegt. Aufmerken lässt
auch, dass bei diesem Konsistorium ein Paar traditionelle Kardinalssitze leer ausgehen,
dafür aber zum Beispiel die Universitätsstadt Perugia einen Kardinal bekommt: Erzbischof
Gualtiero Bassetti, der im Dezember schon auf Wunsch des Papstes in die Bischofskongregation
berufen wurde.
Vier Vatikan-Männer werden ebenfalls Kardinäle. Gibt es
da Überraschungen?
Ja und nein. Bestimmte Führungsämter sind seit jeher
mit dem Kardinalsrang verbunden. Das gilt für Präfekten vatikanischer Kongregationen,
in diesem Fall der Glaubenskongregation und der Kleruskongregation, also die Erzbischöfe
Müller und Stella, die beide Kardinäle werden. Auch der päpstliche Staatssekretär
ist immer ein Kardinal, und folgerichtig erhält nun Erzbischof Pietro Parolin den
roten Hut. Aber die vierte vatikanische Kardinalserhebung ist eine Premiere: Noch
nie war der Generalsekretär der Bischofssynode ein Kardinal. Erzbischof Baldisseri
wird der erste. Und im Gegenzug ist einer leer ausgegangen. Traditionell sind nämlich
auch die päpstlichen Bibliothekare Kardinäle. Der französische Dominikaner Jean-Louis
Brugues, der dieses Amt innehat, ist aber zumindest in dieser Runde nicht dabei.
Geben die Ernennungen eigentlich auch Hinweise auf die Kurienreform?
„Franziskus
hatte ja mehrfach deutlich gemacht, dass er sich gern beraten lässt und dass er auch
bei Entscheidungen mehr Kollegialität will. Vor dem Hintergrund soll die Bischofssynode
möglicherweise zu einer ständigen Einrichtung werden, heißt es, und deshalb die Erhebung
in den Kardinalstand für Erzbischof Baldisseri. Ältester Kardinal der Weltkirche wird
der frühere Papstsekretär Loris Francesco Capovilla. Der 98-Jährige assistierte Papst
Johannes XXIII., den Franziskus ja in diesem Jahr noch heiligspricht – das gegenüber
dem Papst, der das Konzil einberufen hat, eine weitere posthume Ehrenbezeugung. Franziskus
schätzt Johannes XXIII. sehr.“