Argentinien: Bildungsgerechtigkeit mit deutscher Hilfe
Der Lateinamerika-Beauftragte
der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Franz-Josef Overbeck, gibt Entwarnung zur
diesjährigen Weihnachtskollekte des kirchlichen Hilfswerks Adveniat. Befürchtungen
um Einbußen bei der Spendenbereitschaft im Zuge der Causa Tebartz in Limburg hätten
sich glücklicherweise nicht bewahrheitet, sagte Overbeck am Donnerstag im WDR. Er
berief sich dabei auf Aussagen aus Pfarreien und aus der Adveniat-Geschäftsstelle
in Essen. Mit der Weihnachtskollekte bestreitet Adveniat einen Großteil seiner Einnahmen.
Im Mittelpunkt der Jahresaktion 2013 stand das Thema „Bildung" als ein wichtiger Schlüssel
zur Armutsbekämpfung.
Jesuitenpater Fernando Montes, Rektor der Universität
Alberto Hurtado in Santiago de Chile, ist dankbar für diese Hilfe, besonders in Sachen
Bildung. Das Thema Bildungsgerechtigkeit sei auch heute noch eines der wichtigsten
Themen des Landes.
„In den letzten 40 Jahren hat sich Chile sehr stark entwickelt.
Die Regierung Pinochet hat ihr Schwergewicht auf den wirtschaftlichen Fortschritt
gelegt. Daraus ergaben sich Probleme, zu Beispiel die Ungerechtigkeit in der Bildung
und im sozialen Wesen. Es gibt viel Ungleichheit in Chile. Heute brauchen wir Bildung,
die das Land gerechter und gleicher macht. Dazu gehört, dass es für alle, von allen
Schichten gratis Bildungszugang geben muss und es muss besonders für die Armen eine
bessere Qualität der Bildung geben, das bedeutet für mich Gleichheit in der Bildung.
Chile kann nicht modern werden und sich nicht entwickeln, wenn es sich nur ökonomisch,
und nicht auch menschlich weiterentwickelt.“
Bildungsfragen sind
Zukunftsfragen
Er setze hier viel Hoffnung auf die neue Regierung unter
der zum zweiten Mal ins Amt gewählten Präsidentin Michelle Bachelet. Aber auch konkret
in seiner Hochschule würden sich die Probleme bemerkbar machen, besonders in den Protesten,
die in den vergangenen Jahren immer wieder das Land erschüttert hätten.
„Die
Studenten haben das Wort ergriffen, sie sind die wichtigsten Handelnden heute im sozialen
Leben. Es gibt eine von Studenten getragene Sozialbewegung. Vor allem wünschen sie
sich Qualität und Kostenfreiheit. Das Problem daran ist, dass sie das sehr bald wünschen.
Das was sie fordern ist gerecht – Qualität, und Gleichheit, also Gerechtigkeit. Wir
müssen jedoch ganz unten anfangen, in der Grundbildung für die Kleinsten, um später
die sozialen Unterschiede zu vermeiden, die wir heute in der höheren Bildung antreffen,
in der Universität.“
Dabei stellt das Bildungssystem des Landes eine besondere
Herausforderung dar, so Pater Montes.
„Es gibt ein großes Problem in Chile
und zwar, dass viele Universitäten in Chile als Geschäft betrieben werden, als wirtschaftliches
Geschäft und Investitionsanlage. Meist sind die Besitzer der Universitäten nordamerikanische
große Firmen und die Studenten in Chile fordern heute, dass es, dass die Universitäten,
wieder den Chilenen gehören und dass es so eine gerechtere Bildung für alle geben
kann.“
Die weltoffene Vision der deutschen Kirche
Adveniat
stellt Kontakt zwischen den Kontinenten her, aber auch darüber hinaus gibt es Partnerschaften
und Verbindungen, persönlicher Art, als Pfarrei oder als Bistum. Das sind eminent
wichtige Beziehungen, betont der Jesuit.
„Dazu habe ich zwei Punkte. Und
zwar einmal hat die deutsche Kirche eine sehr umfassende weltoffene Vision und hat
einen guten Blick auf die Kirche in Chile – einen besseren Blick als viele andere
Kirchen. Und sie hat ein Bewusstsein, dass sie den ärmsten Kirchen helfen muss. Dieses
Bewusstsein der deutschen Kirche zeigt sich deutlich seit 1950 und war sehr wichtig.
Als Chilene möchte ich sagen, dass für viele von uns Deutschland auch das Mutterland
ist. Im 19. Jahrhundert sind viele Deutsche nach Chile gekommen. Aber auch die anderen
respektieren Deutschland, was das Land anpackt, das macht es auch gut. Deswegen empfangen
wir sehr gerne und mit großer Freude, die Hilfe und Unterstützung, die uns aus Deutschland
erreichen.“
Die Hilfe über Adveniat habe deswegen eine ganz besondere Qualität,
so Montes.
„Ich glaube, dass Adveniat dabei gute Kriterien hatte, es
ging nicht darum Almosen zu verteilen, sondern man wollte die Institutionen stützen,
die dem chilenischen Volk helfen, sich selbst zu organisieren. Ein gutes Beispiel
dafür ist, dass Adveniat einen Schwerpunkt auf die Ausbildung legt. Das zeigt, dass
sie eine Vision haben, dass sie nicht nur schenken wollen, sondern es soll Hilfe zur
Selbsthilfe geleistet werden. Das ist sehr wichtig“
Bergoglios Mitstundent
über die neue Perspektive
Lateinamerika stellt mit Jorge Mario Bergoglio
das erste Mal in der Geschichte den Papst, das wird auch die Perspektive der Kirche
verändern, ist der Jesuit Montes überzeugt.
„Ich persönlich habe mit Papst
Franziskus studiert. Wir waren Studienkollegen und sind immer noch gut befreundet.
Er hat mir selbst einen persönlichen Brief geschrieben, kurz nachdem er zum Papst
gewählt worden war. Ich denke, dass Papst Franziskus einen großen Beitrag an der Kirche
leisten kann, weil er Akzente setzt. Einmal die Option für die Armen, dann eine neue
Einfachheit des Lebens – die Menschen wollen eine nahe und herzenswarme Kirche haben.
Und das Dritte ist eine neue Denkweise der Kirche. Es muss nicht mehr von oben nach
unten gedacht werden. Sondern es werden an der Basis die einzelnen Fälle einzeln angeschaut
und so ist die Kirche flexibler, um sich den schwierigen Lebensumständen anzunähern.“
Der
Papst handle mit viel Kreativität, es sei nicht einfach, über Jahrhunderte gewachsene
Strukturen du ändern, aber er wünsche Franziskus Klugheit, Beharrlichkeit und vor
allen Dingen Mut. Montes ist zur Zeit auf einer Reise durch Deutschland, um für die
Hilfen zu danken.
„Ich bin sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft, mit
der wir empfangen wurden und ich bin beeindruckt von dem guten Willen, den viele Menschen
gezeigt haben. Von diesem Willen zu zuhören, zu hören, was auf der anderen Seite Welt
geschieht und welche die Probleme sind. Darüber hinaus sehe ich hier, wie sehr unsere
Welt eine Einheit ist. Eure Probleme hier, sind ähnliche Probleme, wie bei uns am
anderen Ende der Welt.“
Hintergrund Adveniat ist das
Hilfswerk der deutschen Katholiken für die Kirche Lateinamerikas. Seit der Gründung
1961 erhielt das Hilfswerk nach eigenen Angaben mehr als 2,4 Milliarden Euro an Spenden.
Jährlich fördert Adveniat etwa 2.700 Projekte mit derzeit rund 35 Millionen Euro.
Im Geschäftsjahr 2011/12 lagen die Einnahmen aus Spenden und Kollekten bei rund 44,9
Millionen Euro.