Jeden Tag kommen zwei-
bis dreitausende Flüchtlinge aus Syrien über die Grenze in den Libanon. Weil sie nicht
wissen, wohin sonst sie gehen sollen, haben sich inzwischen mehr als eine Million
Menschen aus Syrien provisorisch im Libanon niedergelassen, der selbst ein kleines
Land mit viereinhalb Millionen Einwohnern ist. Bei den unvorstellbaren Lebensbedingungen
werden jetzt im Winter viele Flüchtlinge sterben, sagte uns der Direktor der Caritas
Libanon, Simon Faddoul.
„Ich glaube sagen zu können, dass niemand von diesen
Menschen hungers sterben wird. Aber viele werden an Kälte oder Krankheit sterben.
Es gibt nicht genug Decken, keine Medikamente. Den Kindern geht es noch etwas besser
als den Erwachsenen. Denn was die Erwachsenen ergattern können, das geben sie ihren
Kindern. Mindestens acht bis zehn Leute leben in einem Zelt, das vielleicht sechs
Quadratmeter groß ist. Dort können die Kinder weder spielen noch lernen.“
Stichwort
lernen: Nur eine Minderheit der syrischen Flüchtlingskinder im Libanon hat das Glück,
in die Schule gehen zu können.
„Entweder die Leute können sich den Transport
zur Schule für ihre Kinder nicht leisten, oder die Schulen, die es in der Gegend gibt,
sind derart überfüllt, dass sie einfach keine weiteren Kinder aufnehmen können. Zwar
haben die libanesischen Behörden auch eine Nachmittags-Schicht an diesen Schulen eingeführt,
aber auch die genügt bei weitem nicht. 80.000 Plätze sind vorhanden, aber wir reden
von 350.000 syrischen Flüchtlingskindern im Libanon.“
Auch Kardinal Robert
Sarah, der Caritas-Beauftragte des Heiligen Stuhles, war jüngst im Libanon, um sich
die Lage anzusehen.
„Es ist tragisch. Der Krieg schafft immer mehr Armut,
Leiden, besonders für die Kinder und die Frauen, die ihre Männer verloren haben. Wir
müssen diesen Leuten helfen! Wir waren in Baalbek, im Bekaa-Tal, um zu sehen, wie
wir die Lage der leidenden Kinder verbessern können. Dort ist ein Krankenhaus, das
wir nun wieder instandsetzen, damit wir drei- bis viertausend Kinder dort behandeln
können.“
Die Hilfsaktion, von der Kardinal Sarah spricht, läuft unter Vatikan-Regie.
Federführend ist der Päpstliche Rat „Cor Unum“, den Sarah leitet. Den praktischen
Teil übernimmt die römische Kinderklinik Bambino Gesù, die dem Heiligen Stuhl gehört,
zusammen mit der Caritas des Libanon. Die katholische Hilfsorganisation ist neben
der UNO die wichtigste Kraft, die sich um die Versorgung der eine Million syrischen
Flüchtlinge kümmert, wobei die meisten von ihnen Kinder und Frauen sind. Die Lieferung
von Medikamenten ins Bekaa-Tal ist inzwischen angelaufen, erklärt Kardinal Sarah.
„Wir haben schon einige Apotheken der Caritas Libanon besucht; sie sind
dazu in der Lage, über die zahlreichen Kinder hinaus auch alle anderen Personen zu
versorgen, die in Not sind. Wir müssen aber noch weit mehr Medikamente und Material
schicken, damit die Caritas gut arbeiten kann. Die Lage wird jeden Tag dramatischer,
jetzt im Winter brauchen die Menschen auch Heizung, Decken, warme Kleidung. Ich freue
mich darüber, dass die Caritas Libanon so kompetent und wirksam ist.“
Offizielle
Flüchtlingslager gibt es im Libanon trotz der schieren Zahl der Flüchtlinge nicht.
Die Menschen aus Syrien leben, wo immer sie Platz finden: Einige in vermieteten Wohnungen,
andere in Rohbauten, andere in Viehställen, die meisten in Zelten. „Aber alle leiden“,
fasst Caritasdirektor Faddoul zusammen. Die Kälte macht alles schlimmer. Der Libanon
werde gerade zu einer Wüste, weil die Flüchtlinge die Bäume abholzen, um sie zu verheizen
und nicht zu erfrieren. Einige kehren inzwischen auch wieder nach Syrien zurück, in
Gegenden um Damaskus, wo die Lage sicherer erscheint, erklärt Faddoul.
„Die
Leute hoffen alle auf die Genf Zwei Verhandlungen. Wir hoffen inständig, dass die
internationale Gemeinschaft sich in diese Richtung bewegt und genug Druck auf regionale
und lokale Stellen ausübt, damit es zu einem politischen Durchbruch kommt.“