Die neuen Spannungen
in der Zentralafrikanischen Republik drohen sich zu einem religiösen Konflikt auszuwachsen.
Das beobachtet der deutschsprachige Karmelitenpater Stefan, der sich derzeit im 250
Kilometer von Bangui entfernten Bouar aufhält. Der Südtiroler wirkt seit gut eineinhalb
Jahren in Zentralafrika und war bis September noch in der Hauptstadt, wo die Lage
in diesen Tagen eskalierte: Nachdem die Rebellen-Gruppe „Anti-Balaka“ in Bangui eingefallen
war, starben bei den sich anschließenden Auseinandersetzungen mehr als 300 Menschen.
Worum geht es genau bei dem Konflikt? Und wer sind die Angreifer, die die Zivilbevölkerung
in Angst und Schrecken versetzen? Dazu Pater Stefan:
„Die meisten sind Christen,
aber nicht in dem Sinne, dass sie nach dem Evangelium handeln... Es sind Leute vom
Land, die es nicht mehr aushalten: Man hat zu viel gestohlen, getötet, ihre Häuser
und Dörfer verbrannt. Vor einer Woche haben diese Anti-Balaka die Hauptstadt angegriffen
und die Séléka, also die Muslime, haben darauf reagiert. Und so ist es jetzt eine
religiöse Sache geworden: Christen gegen Muslime.“
Vom eigentlich passablem
Verhältnis zwischen den beiden größten Religionsgemeinschaften im Land - der christlichen
Mehrheit und der muslimischen Minderheit - sei in einigen Gegenden im Land derzeit
kaum noch etwas übrig, berichtet der Geistliche. Es scheint so, dass sich zwei Fronten
gebildet hätten, so Pater Stefan – und zwar zum Leidwesen der Zivilbevölkerung:
„In
Bossangoa gibt es schon seit mehreren Monaten Einwohner, die neben dem Dom in der
Dompfarrei leben, weil sie Angst haben, dass die Séléka sie töten. Hier in Bouar,
wo ich jetzt bin, ist die Situation noch ruhiger. Ich gehe in die Stadt und spreche
mit Muslimen, mit Christen, alles ist normal. Aber in der Hauptstadt, da sind die
meisten Christen aus ihren Häusern in die Pfarreien geflohen. Bei unserer Gemeinschaft,
die man Karmel nennt, handelt es sich um ein kleines Haus mit normalerweise 15 Priestern
und Jugendlichen – jetzt sind dort 2600 Flüchtlinge!“
Insgesamt suchten
momentan 120.000 Flüchtlinge in Pfarreien Schutz, berichtet der Karmelit weiter. Das
sei ein großes Problem, schon allein deshalb, weil all diese Menschen ja auch versorgt
werden müssten, etwa mit Lebensmitteln. Seit einigen Tagen sind nun französische
Soldaten zusammen mit Kräften der Afrikanischen Union in der ehemaligen Kolonie, um
die Ordnung im Land wiederherzustellen. Pater Stefan zieht eine gemischte Bilanz zu
den bisherigen Wirkungen dieses Einsatzes:
„Es ist gut, dass sie da sind,
denn sie entwaffnen die Séléka und alle, die Waffen haben. Aber andererseits sind
die Séléka so noch mehr verärgert. Und die Christen haben jetzt große Angst, dass
etwas passiert... Deshalb kommen sie alle in unsere Pfarreien und Gemeinschaften.
Es ist eine kritische Situation im Moment.“
Pater Stefan befürchtet, dass
der Konflikt dem eigentlich guten Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in der
Zentralafrikanischen Republik nun den Todesstoß versetzen könnte:
„Die
Christen fühlen sich jetzt von den Franzosen verteidigt und die Muslime haben jetzt
Angst, dass die Christen, die Bevölkerung, gegen sie ist. Das gilt auch für die Muslime,
die sich vorher in Bangui zum Beispiel mit den Christen gut vertrugen. Sie haben jetzt
Angst, dass es andere Christen, Zentralafrikaner gibt, die sich rächen. Das ist auch
schon passiert…“
Pater Stefan hofft dennoch darauf, dass die Befriedungsaktion
der französischen Truppen letztlich Erfolg hat. Die in Fahrt gekommene Spirale aus
Gewalt, Rache und Hass müsse jedenfalls umgehend gestoppt werden, so sein eindringlicher
Appell.
Seit dem Sturz von Staatschef François Bozizé im vergangenen März
durch das muslimische Rebellenbündnis Séléka sind in dem Land Gewalt und Unsicherheit
an der Tagesordnung. Übergangspräsident Michel Djotodia löste die Séléka, die durch
Übergriffe auf die Zivilbevölkerung von sich reden machte, später auf. Die Gewalt
hielt dennoch unvermindert an, ebenso wie die Spaltung der Bevölkerung.