2013-11-28 15:06:04

Kampf gegen AIDS in Afrika: „Mehr Sensibilität für Gewalt gegen Frauen“


RealAudioMP3 Gewalt gegen Frauen und deren soziale Benachteiligung sollten im Kampf gegen AIDS stärker berücksichtigt werden. Auch die Kirche könne in Sachen HIV ihr Potential besser nutzen, besonders bei der Vorbeugungs- und Aufklärungsarbeit. Das betont mit Blick auf Afrika die Entwicklungshelferin und Ärztin Marlies Reulecke vom Missionsärztlichen Institut Würzburg. In Afrika seien 58 Prozent aller HIV-Infizierten Frauen. Bei jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren sei der Anteil noch höher, erklärt die Expertin im Gespräch mit Radio Vatikan.

„In dieser Altersgruppe sind drei Mal so viele Frauen wie Männer betroffen. Das liegt an der niederen wirtschaftlichen und soziokulturellen Stellung der Frauen dort: Frauen sind ärmer, sie haben oft keine Entscheidungsfreiheit, auch einen niederen Bildungsstand. Und das wirkt sich dann auch auf HIV aus. Es gibt eine Studie, die zeigt, dass nur 30 Prozent der jungen Frauen umfassend und korrekt über HIV informiert sind.“

Reulcke ist vor allem in der Demokratischen Republik Kongo tätig. Bei ihren Einsätzen sieht sie, was die soziale Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen in vielen Ländern Afrikas anrichtet. So sei etwa auch der Zugang der Frauen zu Information und ärztlicher Behandlung stark eingeschränkt.

„Einmal haben sie vielleicht gar kein Geld für den Transport – die Zentren sind ja nicht gerade da, wo die Frauen leben. Oder ihr Mann erlaubt es ihnen nicht hinzugehen, oder sie haben keine Zeit, weil sie sich um Kinder und Haushalt kümmern und das Feld bestellen müssen. “

Es komme auch „wirklich oft“ vor, dass Frauen von ihren Männern geschlagen würden, wenn sie erführen, dass sie AIDS haben, so Reulecke. Deshalb scheuten sich viele Frauen, einen AIDS-Test zu machen. Bei der Übertragung des HI-Virus spiele zudem sexuelle Gewalt eine wesentliche Rolle:

„Da gibt es zum Beispiel eine Studie aus Swasiland, die zeigt, dass 40 Prozent aller Mädchen, also unter 18 Jahren, schon Opfer von sexueller Gewalt geworden sind. Damit steigt dann auch die Wahrscheinlichkeit, sich mit HIV zu infizieren um mindestes 50 Prozent an.“

Reulecke berät kirchliche Organisationen, die in Afrika im Kampf gegen AIDS engagiert sind, bei der Planung und Durchführung von Projekten. Bei der Behandlung und Versorgung Betroffener vor Ort sei die Kirche „sehr gut gerüstet“, lobt sie. In der kirchlichen Präventionsarbeit würden jedoch häufig „Chancen vertan“, so die für das katholische Institut tätige Ärztin.

„Gerade wenn es um Faktoren geht, die das Verbreiten von HIV unter Frauen fördern, müsste sich die Kirche – so meine ich – sich noch etwas stärker engagieren. Zum Beispiel wenn es um das Thema Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und damit auch verbunden Gewalt gegen Frauen geht, dann sehe ich eben gerade in Afrika, dass dieses Problem von kirchlichen Repräsentanten nicht genügend wahrgenommen wird.“

Auch teilweise nicht einmal als Problem, berichtet Reulecke weiter:

„Viele afrikanische Männer, und da sind Priester dann auch eingeschlossen, erwarten von Frauen Unterordnung. Das ist (für sie, Anm. d. Red.) etwas ganz Normales: ,Frauen müssen Männern gegenüber gehorsam sein‘. Und wenn das dann mit Gewalt eingefordert wird, dann scheint auch das akzeptabel. Das ist (in der Meinung dieser Kirchenvertreter, Anm. d. Red.) nichts, wo sich die Kirche oder die Priester irgendwie einsetzen müssen. Es wird dann einfach geschwiegen, statt sich für Frauen einzusetzen.“

Bei der Betreuung betroffener schwangerer Frauen beschränke sich die Hilfe vieler Stellen oftmals nur auf die Frage, wie man die Übertragung des Virus auf das ungeborene Kind verhindern könne, bemängelt Reulecke weiter. Die weitere Familienplanung werde ausgeklammert. Das habe sie in Afrika bei kirchlichen wie staatlichen Stellen beobachtet.

„Dass man sich einfach diesen Aspekt herausnimmt: ,Ok, die Frau kommt, wir müssen jetzt alles tun, damit das Kind nicht infiziert wird‘, und danach wird die Frau entlassen. (...) Sehr oft ist es dann auch so, dass gar nichts angeboten wird, also auch keine natürliche Familienplanung.“

Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga hatte zum Welt-AIDS-Tages am kommenden 1. Dezember betont, das Ziel, Neuinfektionen zu verhindern, könne wesentlich nur durch Treue und das Einschränken sexueller Aktivität erreicht werden. Auf sexuelle Gewalt gegen Frauen ging der Präsident von Caritas Internationalis nicht direkt ein. Marlies Reulecke würde es gern sehen, dass die Kirche bei der Hilfsarbeit in Afrika nach den tieferen Ursachen der Übertragung des HI-Virus fragt und dabei die Gewalt gegen Frauen beim Namen nennt.

„Zum Beispiel: Warum sind denn Frauen so viel mehr betroffen? Was macht denn Armut mit den Menschen und mit den Frauen? Wie kommt es denn dazu, dass Gewalt gegen Frauen zunimmt oder immer noch da ist? Diese Themen müssen wirklich in die Diskussion eingebracht werden. Und wenn ich dann auf dem kirchlichen Niveau bin, dann würde ich mir wünschen, dass Priester auch sonntags einmal drüber predigen und diese Themen ansprechen, und dass man da nicht einfach so drum herum redet. (…) Ich denke, da muss drüber geredet werden, sonst wird sich wenig ändern!“

Bei dieser Sensibilisierungsarbeit könne die Kirche ihr weit verzweigtes Netz „auf allen Ebenen der Gesellschaft“ noch viel besser nutzen, findet die Beraterin. Etwa bei der Präventionsarbeit mit Jugendlichen in afrikanischen Schulen. Reulecke nennt ein Beispiel:

„Mädchen müssen lernen, Nein zu sagen, zum Beispiel, wenn sie zu Sex aufgefordert werden. Wenn so ein Mädchen von klein auf verinnerlicht hat, ich bin ja minderwertig Männern gegenüber, dann fällt ihr das ganz schwer, dann muss sie erst lernen, dass sie auch Nein sagen kann. Jungen wiederum müssen lernen, dass Frauen gleichwertig sind, dass man sie schätzen kann, damit sie ihnen eben später keine Gewalt antun. So etwas kann man eben alles in diese Programme einbauen, und da setzen wir unsere Beratungstätigkeit an.“

(rv 28.11.2013 pr)








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