Vorhof der Völker in Berlin: Darf man den Menschen „aufmotzen“?
„Beim Menschen ist
eigentlich nur eines selbstverständlich: Dass er sich nämlich nicht selbst verständlich
ist.“ Das sagte der Aachener Theologe und Biologe Ulrich Lüke am Mittwoch beim „Vorhof
der Völker“ in Berlin. Die vatikanische Dialoginitiative tagte am Charité-Krankenhaus,
um das Gespräch mit nichtglaubenden Forschern und Wissenschaftlern zu suchen. Motto
der Veranstaltung: „Siehe, der Mensch!“ Thema war das Herumbasteln am Menschen, das
„Optimieren“ des Menschen – und wo dabei die Grenze verläuft.
Der Vorstandsvorsitzende
der Charité, Karl Max Einhäupl, zeigte sich zu Beginn der Debatte skeptisch, ob der
Mensch sich in diesem Bereich wirklich auf Dauer an selbstgezogene Grenzen halten
wird. Dem hielt Lüke entgegen, dass das in den letzten Jahrzehnten immerhin bei der
Atombombe oder bei Giftgas gelungen sei: Menschen hätten sie nicht eingesetzt, obwohl
sie mittlerweile das technische Wissen dazu haben. Lüke warnte eindringlich davor,
„den Menschen der Zukunft nach den heutigen Kategorien entwerfen zu wollen“. Das sei
so, „als ob man nach einer Markierung segelt, die man sich ans eigene Boot geheftet
hat“. Gegen therapeutische Verbesserungen für den Menschen, etwa Hörgeräte, sei allerdings
nichts einzuwenden: „Der Mensch darf nicht Prometheus spielen, aber Protheteus schon“,
so Lüke wörtlich. Das entspreche auch dem Diktum von Teilhard de Chardin, dass Gott
eine Welt mache, „die sich macht“. Doch gelte eben, dass man den Menschen nicht grenzenlos
„aufmotzen“ dürfe.
Der Berliner Philosoph Volker Gerhardt warnte in seinem
Redebeitrag während der Debatte vor einer „Heuristik der Furcht“. Wenn man immerzu
die möglichen verheerenden Folgen einer menschlichen Erfindung vorausgesehen hätte,
dann gäbe es heute z.B. keine Autos, argumentierte Gerhardt; den Erfinder des Motors
hätte man, angesichts der künftigen Millionen von Toten im Straßenverkehr, ins Gefängnis
gesteckt. Aber Freiheit sei „ein wesentliches Element unseres Geistes“ und müsse verteidigt
werden.
Die Münsteraner Medizinerin und Ethikerin Bettina Schöne-Seifert zeigte
sich überzeugt, „dass wir mit säkularer, humanistischer Ethik in diesem Bereich des
„human enhancement“ (Optimierung des Menschen) gute Antworten finden, ohne in einen
partikularen Glauben ans Transzendente zurückzufallen“. Eine „Heuristik der Vorsicht“
lasse sich problemlos „säkular begründen“ – und religiös lasse sie sich allemal begründen,
so Schöne-Seifert.
Hier können Sie unser Interview mit Professor Lüke hören.
Die Fragen stellte Stefan Kempis.