Das Deutsche Historische
Institut in Rom feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Begonnen hat alles
1888, damals noch unter dem Namen „Preußische Historische Station“. Preußen, damals
der größte deutsche Staat, hatte beschlossen, selbstständig ein Institut zur Geschichtsforschung
zu gründen, da sich das Deutsche Reich nicht hatte einigen können.
„Unmittelbarer
Anlass und Energiequelle sozusagen war die Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs
durch Papst Leo XIII.“
Bereits 1881 hatte Papst Leo das Geheimarchiv öffnen
lassen. Martin Baumeister, den wir gerade hörten, ist der aktuelle Leiter des Deutschen
Historischen Instituts in Rom. Die Aufgaben der Einrichtung haben sich seit 1888 natürlich
enorm ausgeweitet; sie gehen heute über die intensive Erforschung und Zugänglichmachung
der Reichtümer des Vatikanischen Archivs weit hinaus. Aber, sagt Baumeister:
„Die
Arbeiten, die damals initiiert wurden, bestimmen zum Teil heute noch unser Alltagsgeschäft,
das ist die sogenannte Grundlagenforschung in der Erstellung von Findmitteln und großen
Editionen. Traditionell stand im Mittelpunkt die Forschung im Bereich der mittelalterlichen
Geschichte, zum Teil auch in der Frühneuzeit, seit den 60er vor allen Dingen 70er
Jahren hat man den Schwerpunkt auf die Faschismusforschung verlagert, auf die Zeit
des Zweiten Weltkrieges. Und damit verbunden war auch eine starke Öffnung im Bereich
der Neuesten Geschichte hin zur europäischen Geschichte.”
Natürlich wird
zu einem solch großen Jubiläum auch gefeiert. Mit dabei war beim 125-Jahre-Festakt
des Deutschen Historischen Instituts an diesem Montag der Münsteraner Kirchenhistoriker
Hubert Wolf, einer der renommiertesten Geschichtswissenschaftler Deutschlands. Wolf,
ein katholischer Priester, erforscht seit vielen Jahren die Quellen des Vatikanischen
Archivs. An ihn die Frage: Was darf man sich unter diesen so geheimen Quellen überhaupt
vorstellen?
„100 laufende Kilometer Akten mit ganz unterschiedlichen Quellentypen.
Sie können eine mittelalterliche Urkunde haben, Sie können aber auch einen Brief haben.
Ein Beispiel: Wenn Edith Stein, inzwischen heilig gesprochen, 1933 noch eine kleine
Dozentin in Münster, Edith Stein ist ja eine zum Katholizismus konvertierte Jüdin,
wenn die dem Papst schreibt und ihn bittet, er soll reden für die verfolgten Juden,
dann haben Sie so einen schreibmaschinengetippten Brief, den Sie dort erstmals in
die Hand nehmen können, erstmals lesen, was hat die eigentlich geschrieben.”
Zu
den Quellen zählen auch die vielen Nuntiaturberichte der Botschafter des Heiligen
Stuhls in den Ländern der Welt. Für Deutschland besonders interessant: Die Berichte
von Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII. Er war zwölf Jahre lang, von 1917
bis 1929, Nuntius in Deutschland.
„Und in diesen zwölf Jahren hat er etwa
sechseinhalbtausend Briefe, Berichte an den Kardinal Staatssekretär aus Deutschland
geschrieben. Das heißt Sie haben einen ungeheuer dichten Blick aus einer Perspektive,
nämlich des apostolischen Nuntius in Deutschland auf Deutschland. Und zwar nicht nur
auf die Situation der Kirche, auf Bischöfe, auf Priester, auf Gottesdienstbesuch und
so weiter. Sondern auf die Kultur. Was ist Berlin der Goldenen Zwanziger, wie sieht
er eigentlich die Sozialdemokratie, was passiert in Deutschland in der Räterepublik,
Hitlerputsch?“
Urkunden, Akten, Korrespondenzen, Nuntiaturberichte, aber
auch Nachlässe berühmter Personen finden sich also unter den Quellen des Vatikanischen
Archivs. Hubert Wolf forscht mit vielen weiteren Wissenschaftlern zur Zeit an zwei
großen Projekten:
„Einerseits eben die Edition dieser Nuntiaturberichte
von Pacelli im Internet: -da hat jeder einen Zugriff zu diesen Quellen, das ist ganz
wichtig, auch für das Vatikanische Archiv wichtig, dass diese Quellen allgemein zugänglich
werden, um sich selber ein Urteil zu bilden. Und das andere ist eben eine Erschließung
des Archivs der Inquisition und der Indexkongregation zur Buchzensur. Wir machen also
eine Buchzensurgeschichte von 1542 bis 1966. Alle Bücher, die jemals in Rom angezeigt,
verhandelt, verboten, freigesprochen worden sind, können Sie in unserer Arbeit finden.
Das Projekt ist bald zu Ende in zwei Jahren.“
Der Kirchenhistoriker Wolf
möchte vor allen Dingen auch betont haben, dass das Vatikanische Geheimarchiv so geheim
gar nicht ist. Auch der Zugang zu den Quellen nicht so schwer, wie die gängigen Vorurteile
immer glauben machen wollen.
„Wenn die Quellen zugänglich sind, findet
Zensur nicht statt. Allen anderen Unkenrufen zum Trotz. Und das ist auch nur die Berechtigung
für so ein Institut. Wenn wir jetzt immer damit rechnen müssten, der Vatikan würde
bestimmte Quellen vorenthalten, wäre wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich. Und
das ist definitiv nicht der Fall. Das ist ein ganz offenes Archiv.”