2013-11-20 16:33:04

Vatikan-Dialogfachmann Weninger über Gespräche mit den Muslimen


RealAudioMP3 In welchem Verhältnis stehen Religionen und Traditionen zur Zivilgesellschaft? Welche Spannungen treten auf, welche möglichen Auswege könnte die katholische Kirche aus solchen Spannungen aufzeigen? Darum geht es nächste Woche bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog. Es ist die erste Plenarsitzung seit fünf Jahren. Erstmals dabei ist der Wiener Priester Michael H. Weninger, der dem Rat seit einem Jahr angehört und dort die Agenden des Dialogs mit dem Islam verwaltet. Wir stellen Ihnen diesen in seinem Lebenslauf höchst atypischen Priester vor, der 30 Jahre lang Diplomat der Republik Österreich war, mit 60 Jahren die Priesterweihe empfing und auch heute noch zwei goldene Eheringe trägt: Weninger ist verwitwet.

Michael Weninger blickt nach Wien. Nicht immer und nicht ausschließlich, aber in diesen Tagen gleichsam mit dem Interesse eines Vaters. Am Dienstag ist eine große Konferenz des Wiener König-Abdullah-Dialogzentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog zu Ende gegangen. Das Zentrum entstand großteils dank saudi-arabischer Mittel und öffnete 2012 seine Pforten. Die Vorarbeiten dafür liefen damals unter Federführung des international erprobten Diplomaten Michael Weninger, der im Wiener Außenministerium die Abteilung für Wissenschaftsdiplomatie und den Dialog mit den Religionen und Kulturen leitete. Das Zentrum ist nicht einfach ein weiterer lobenswerter Zirkel zum interreligiösen Gedankenaustausch. Was innovativ daran ist, erklärt Weninger so:

„Es handelt sich bei diesem Zentrum in Wien um eine internationale Organisation, das ist ganz entscheidend. Gründer sind Völkerrechtssubjekte, also Staaten, zunächst drei: Saudi-Arabien, Österreich und Spanien, wobei der Heilige Stuhl – auch das ein Novum – „Founding Observer“ ist, also Gründungsbeobachter, eine ganz neue Formel, die zeigt, wie modern und effizient der Heilige Stuhl in diesen Fragen denkt. Dieses Zentrum steht als sehr gut gelungenes Baby auf schwankenden Füßen und muss gehen lernen. Dass es gut gehen lernt und zu einer effizienten Persönlichkeit wird, dazu müssen wir auch beitragen.“

Die ersten Schritte sehen weniger tapsig aus, als man meinen könnte. Am Wiener Dialogzentrum sprachen soeben zwei Tage lang 500 Religionsvertreter, Politiker und Fachleute über das „Bild des Anderen“ und vereinbarten am Ende etwas überraschend Konkretes, nämlich ein Dialogtraining für Imame, Muslimgelehrte und religiöse Oberhäupter. Das entspricht den Zielen des Zentrums. Michael Weninger:

„Die Aufgabenstellung ist, ein Beitrag zu leisten zur Verständigung zwischen den unterschiedlichen Religionen und Kulturen in der Weise, dass man vorhandene Wissenslücken versucht durch Bildung, durch Austausch, durch Zusammenkünfte, durch internationale Aktionen auszugleichen und hier ein vermehrtes Wissen über den anderen anzubieten. Denn nur wenn man über den anderen mehr weiß, kann man ihm auch entsprechend begegnen.“

Die Sorge zerstreuen

Stichwort Wissen übereinander: Mancherorts war die Sorge aufgekommen, das König Abdullah Aziz Dialogzentrum sei eine Art trojanisches Pferd des wahabitischen Islam, also der besonders strengen Auslegung des Koran, die in Saudi-Arabien beheimatet ist. Weninger gibt Entwarnung.

„Wir dürfen nicht übersehen, dass das Zentrum zum einen eine internationale Organisation ist, zum anderen auf der Grundlage des Völkerrechts gegründet und mit einer schlanken Struktur. Wir haben auf einer ersten Ebene die Mitgliederstaaten. Auf der zweiten Ebene gibt es den so genannten Board of Directors, wo die Religionen mit qualifizierten Persönlichkeiten vertreten sind. Unter diesem Board of Directors sehen wir lediglich einen Vertreter der wahabitischen Tradition des Islams. Das sei erwähnt, um die Sorge jener zu zerstreuen, die meinen, dass dieses Dialogzentrum in Wien nun ein wahabitisches Missionszentrum sein könnten – nein, das kann es nicht sein. Allein schon von der Struktur her und von der Aufgabenstellung her.“

Viele Akteure im Gespräch zwischen Christen und Muslimen, aber nicht alle, wissen, dass die Welt im interreligiösen Dialog keinen „Kuschelkurs“ gebrauchen kann. Nötig ist, unterstreicht Weninger, „eine ernsthafte und profunde Auseinandersetzung zwischen den Religionen. Allein bunte Luftballons steigen zu lassen und zu sagen, wir sind ohnehin alle Brüder und Schwestern und haben uns alle so lieb, wie man das an allen Orten sehen kann, ist absolut zu wenig.“

Konstruktive Konfrontation

Der Priester und Diplomat bringt es auf die Formel „konstruktive Konfrontation anstelle von Dialog“. Er nimmt damit die im Wortsinn gewaltigen Herausforderungen in den Blick, die heute in Fragen der Religionskonflikte zu bewältigen sind.

„Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht Christen ermordet und Kirchen niedergebrannt werden. Diese Dinge muss man auch ansprechen und auf die Tagesordnung bestimmter interreligiöse Kontakte setzen.“

Gefragt nach eventuellen Grenzen im interreligiösen Dialog, sagt Weninger:

„Als Diplomat und römisch-katholischer Priester hätte ich keine Scheu, über jedes Thema zu sprechen, das von Partner gewünscht wird, besprochen zu werden.“

Priester und Diplomat

Michael Weninger ist Österreichs einziger Diplomat, der gleichzeitig Priester ist. Er ist 62 Jahre alt und empfing die Priesterweihe mit 60.

„Jawohl! Bestes Mannesalter.“

Ein klassischer Spätberufener? Im Gegenteil.

„Schon als kleiner Bub wollte ich Priester werden! Da gab es ein Schlüsselerlebnis in der Volksschule. Wir hatten eine ganz hervorragende Religionslehrerin, und eines Tages hat sie uns von den Mönchen erzählt, von tapferen Männer, die in wilde Gegenden ausströmen und in tiefen Wäldern roden und von klein an beginnen, Zivilisation zu schaffen. Das war spannender als jeder Karl May, sodass ich gesagt habe, so ein toller Mann möchte ich auch werden! Bin nach Hause gelaufen und habe von weitem schon meiner Mutter kundgetan, Mutti, ich habe eine Beruf! Und die Mutter hat gefragt na was willst du denn werden? Und ich habe im Brustton der Überzeugung gesagt, Priester möchte ich werden. „Brav!“ war die Antwort.“

Nach der Reifeprüfung studierte Weninger Theologie und Philosophie, Ziel Priesterweihe, genaues Ziel: Nuntius, päpstlicher Botschafter, denn gleichzeitig mit der Berufung zum Priester fühlte er die große Neigung zur Diplomatie.

„Allerdings hat mir der Heilige Geist ziemlich bald zu erkennen gegeben, mit dem Priester wird es nichts. Aber Diplomat kannst du werden. Und so habe ich nach meinen Studien die Diplomatenakademie in Wien absolvieren müssen, man hat mich dann ins Außenministerium aufgenommen, ich bin mit sehr jungen Jahren Botschafter geworden. Während dieser Zeit ist immer wieder der Wunsch bei mir gekommen, auch Priester zu sein, sodass mich dieser Wunsch mein ganzes Leben lang begleitet hat. Abgesehen davon, dass ich eingefleischter Junggeselle war, habe dann aber geheiratet, meine Frau ist sehr jung und sehr rasch nach unserer Hochzeit verstorben, und nach dem Tod meiner Frau war es klar, ich gehe aus dem diplomatischen Dienst weg und werde Priester.“

Diplomat für die Republik Österreich

Ein seltener Fall von Doppelberufung und Doppelqualifikation. In Weningers Wahrnehmung überschneidet sich beides. Jedenfalls, so sagt er, musste er mit der Priesterweihe nicht komplett das Genre wechseln.

„Überhaupt nicht. Einmal Botschafter, immer Botschafter. Zunächst waren es politische Botschaften, und jetzt ist es halt die Frohe Botschaft! Aber auch bei politischen Botschaften ist es gut, wenn man manchmal Grundlagen der Frohen Botschaft mit verknüpft.“

Diese Erkenntis reifte gerade an Weningers Einsatzorten. Denn der Diplomat durchlief außerordentlich heikle Stationen.

„Ich habe meinen Dienst oft dort versehen, wo Krieg war oder Umstürze. So bin ich unter anderem während der gesamten Kriegszeit in Jugoslawien Botschafter in Belgrad gewesen. Da waren religiöse Fragen mehrfach Thema, auch weil es um die Nöte der Menschen gegangen ist. Ich kann mich an Flüchtlingsströme und viel Elend erinnern, oder wenn es darum gegangen ist, Menschen in Gefängnissen zu betreuen oder Sterbende, immer wieder im Umfang mit den Menschen selbst als Diplomat waren religiöse Fragen immer auch ein Thema, bis hin zur Frage, wie verhalten sich die einzelnen Religionen zueinander in diesen Umbruchsstaaten.“

Szenarien wie diese schärfen den Blick für die Identität Europas. Sieben Jahre lang konnte sich Weninger in Brüssel als Berater der Präsidenten der europäischen Kommission einbringen, wo er für den Dialog mit den Religionen, Kirchen und Weltanschauungen zuständig war, erst unter Prodi, dann unter Barroso. Der alte Kontinent präsentiert sich heute als religiös weitgehend ausgebluteter Körper. Die Trennung von Kirche und Staat trägt daran keineswegs Schuld, sagt Weninger, im Gegenteil, er sieht es ausdrücklich als „großen Erfolg“,

„der nicht zuletzt durch die römisch-katholische Kirche gelungen ist zu erzielen, dass wir es mit einer Trennung von Kirche und Staat zu tun haben. Der Staat ist ein säkularer Staat. Das heißt, er ist neutral den Religionen gegenüber, aber nicht negativ den Religionen gegenübereingestellt. Und da sehen wir nun in den letzten Jahren, dass der säkulare Staat von dieser neutralen Position Stück für Stück abrückt und eigentlich aus einer falsch verstandenen politischen Korrektheit heraus mitunter zu einer Beeinträchtigung der Religionen führt, zur einer Beeinträchtigung der religiösen Praxis, in unserem Fall hier der Bürger in Europa, die Christen sind.“

Unvernünftig, religiöse Wurzeln der Gesellschaft zu kappen

Das freiwillige Kappen der christlichen Wurzeln ist aus Weningers Sicht unvernünftig. Er wirbt dafür, die guten Seiten der Säkularisierung zu nutzen.

„Europa ohne Christentum ist nicht zu denken. Wir müssen uns denke ich wieder mehr auf unsere Wurzeln besinnen. Das heißt, und hier schließt sich der Kreis, wir müssen unser eigenes Profil wieder schärfen. Wir müssen unserer eigenen Identität eingedenk werden. Wenn uns das gelingt als Bürger und Gläubige, werden wir auch dem Staat gegenüber anders handeln können, werden wir auch die politischen Möglichkeiten, die der säkulare Staat uns zur Verfügung stellt, anders zu benützen imstande sein. Hier sehe ich eine neue Herausforderung für konkret die gläubigen Christen in Europa, die Möglichkeiten, die ein säkularer Staat bietet, für eine eigene Identität, aber auch für ein gelingendes Gespräch mit den anderen zu nützen.“

Der Jugendtraum des Michael Weninger, päpstlicher Diplomat zu werden, blieb damals mangels Priesterweihe unrealisiert. Vor zwei Jahren aber empfing er das Sakrament der Weihe. Schlussfrage: Könnten Sie sich vorstellen, jetzt noch in den päpstlichen diplomatischen Dienst zu wechseln, wenn Kardinal Schönborn Sie ziehen lässt?

„Ich könnte mir viel vorstellen! Diplomatie habe ich immer mit Liebe getan. Wo immer der Herr mich hinstellen will, dort will ich meinen Dienst versehen. In dem Augenblick, als ich Priester geworden bin, war mir klar, Herr, dein Wille geschehe.“

(rv 20.11.2013 gs)








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