„Mehr Raum für die
moralischen Aspekte der Religion" wünscht sich der Präsident des Päpstlichen Rats
für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Turkson. Der Rat hat in diesen Tagen
zum ersten Mal Parlamentsseelsorger aus vielen Ländern der Welt zu einer Konferenz
im Vatikan zusammengebracht. Sie begann bereits am Donnerstag und endet diesen Freitag.
Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählte Turkson, dass zu dem Treffen 42 Priester eingeladen
wurden.
„Wir versuchen hier auch, die verschiedenen Regierungen zu ermutigen,
mehr Raum für die moralischen Aspekte der Religion zu schaffen. Anders kann die Religion
ihre Begleitung, die sie der Gesellschaft schuldig ist, nicht ausüben. … Wenn es um
den Menschen geht, laden wir alle ein, ihn in seiner Ganzheit zu sehen und nicht nur
im praktischen Leben. Auf einer transzendentalen Ebene üben wir, indem wir das tun,
auch ein Amt aus, das sehr wichtig für das Gemeinwohl ist und für eine gesunde Regierung
unserer Länder.“
Die Situation in den einzelnen Ländern sei sehr unterschiedlich,
so der Kardinal: Mal sei der Parlamentsseelsorger Teil einer Regierungsbehörde, in
anderen Ländern gehöre er wiederum zur Kommission für Gerechtigkeit und Frieden eines
Bistums oder einer Ortskirche, oder er feiere nur hin und wieder Gottesdienste mit
den Abgeordneten. Pater Matthew Roger, ehemaliger Parlamentsseelsorger in Frankreich,
betont im Gespräch mit uns :
„Es ist wichtig, dass sich Katholiken nicht
auf ein negatives Politikbild zurückziehen, sondern Politik als christliche Verpflichtung
begreifen. Die Politik ist ein Einsatzort der christlichen Nächstenliebe. Christen
in der Politik müssen aber entsprechend ausgebildet sein. Ich sehe, dass einige von
uns sehr engagiert in Bildungseinrichtungen sind, andere in der Soziallehre der Kirche,
im ethischen Urteilsvermögen, in der Bioethik und in vielen der anderen schwierigen
Themen, die wir heute angehen müssen.“
Aus seiner Erfahrung im offiziell
laizistischen Frankreich berichtet der Pater, dass es dort verschiedene Aufgaben gebe.
Der Parlamentsseelsorger in Paris biete spirituelle Unterstützung oder greife Gebetsanliegen
auf, er gebe Gelegenheit zur Beichte oder zur Feier der Messe. Besonders wichtig sei
die Schulung der Urteilsfähigkeit.
„In Frankreich gibt es sehr viele heikle
Themen; aber ich sehe auch, dass es Leute gibt, die bereit sind zu einem Treffen,
bereit sind, nachzudenken. Ud es gibt auch Menschen, die von den ethischen Positionen
der Kirche entfernt sind, aber trotzdem offen für ein Treffen. Sie sind offen für
eine Freundschaft, einen geistlichen Weg, der dann auch in einem politischen Ambiente
Früchte tragen kann.“
In seinen neun Jahren als Seelsorger an der Assemblée
Nationale in Paris habe er Abgeordnete und Politiker erlebt, die diesen geistigen
Weg gegangen seien und so zu einer größeren inneren Freiheit gefunden hätten. Sie
seien auch sicherer und entschlossener bei ethischen Themen geworden.