Kampf gegen Menschenhandel: Mehr Einsatz der Weltkirche gefragt
Papst Franziskus will
die Weltkirche offenbar auf mehr Einsatz gegen Menschenhandel einschwören. Aus diesem
Grund findet an diesem Samstag und Sonntag in den vatikanischen Gärten ein internationaler
Kongress über Menschenhandel statt. Am Samstagmorgen begrüßte Franziskus die Teilnehmenden
kurz in seiner Residenz. Zu der Konferenz haben zwei Päpstliche Akademien eingeladen,
nämlich jene für Wissenschaft und jene für Sozialwissenschaft. Der argentinische Bischof
Marcelo Sanchez Sorondo ist Kanzler beider Akademien. Er sagte uns:
„Der
Papst wollte ausdrücklich, dass die päpstlichen Akademien das Problem des Menschenhandels
angehen. Kurz nach seiner Wahl zum Papst empfing er die Angehörigen der Akademie für
Sozialwissenschaften. Danach schickten ihm die Akademiker einen Dankesbrief, und er
hat praktisch postwendend geantwortet, er hätte gerne, dass man das Problem der neuen
Formen der Sklaverei inklusive Organhandel studiert. Wir haben uns also zusammengesetzt,
aber bald gesehen, dass wir Ärzte und auch Naturwissenschaftler einbinden müssen.“
Allein die sozialen Umstände in den Blick zu nehmen, um Menschenhandel
zu bekämpfen, genügt also nicht mehr, sagt Sanchez Sorondo. Einzubinden seien unbedingt
auch Mediziner. Deshalb beteiligt sich ein internationaler Verband katholischer Ärzte
an der Vatikan-Konferenz.
„Die Ärzte sind grundlegend. Sie kennen die
Welt der Kranken und der Suchtkranken. Eines der mächtigsten Lockmittel, mit dem die
Menschenhändler Frauen und Kinder in die Prostitution führen, ist die Droge. Zuerst
geben sie ihnen Drogen, dann führen sie sie der Prostitution zu. Zur Konferenz kommen
unter anderem auch Psychiater und Suchttherapeuten. Und wir möchten nicht abstrakt
bleiben. Die Beobachter, die wir – über die Vortragenden hinaus – eingeladen haben,
sollten vorab konkrete Vorschläge zur Eindämmung des Phänomens machen, die wir debattieren
werden. Ein Arzt schlug vor, eine genetische Datenbank verschwundener Kinder mit den
Daten ihrer Eltern zu schaffen.“
In vielen Ländern zeigten die Gesetze
mit Blick auf den Menschenhandel eine gewisse Doppelmoral, beanstandet der Vatikan-Bischof.
„Einerseits sprechen sie vom menschlichen Leben, andererseits begünstigen
sie das Problem. So haben amerikanische Soldaten in Bosnien Menschenhandel betrieben.
Die Frau, die das angezeigt hat, wurde von der UNO entlassen. Auch Ärzte spielen mit.
Ausgerechnet jene Institutionen, die das Leben verteidigen sollen, sind jene, die
am meisten belastet sind. Länder, die Prostitution als reguläre Arbeit anerkennen,
schaffen ebenfalls Markt für Menschenhandel. Deutschland etwa, und andere.“
Laut
UNO-Angaben werden jedes Jahr zwei Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel für
Zwecke der Prostitution. Organhandel betrifft jährlich rund 20.000 Menschen. Ihnen
werden illegal Lebern, Nieren, Bauchspeicheldrüsen, Lungen oder sogar Herzen entnommen,
alles unter Beteiligung von Krankenhäusern, Ärzten und Pflegern. „Menschenhandel ist
der dramatischste Auswuchs der Globalisierung“, sagt Sanchez Sorondo. Franziskus sei
hohes Lob dafür zu zollen, dass er das Thema Menschenhandel massiv aufgreife. In der
Weltkirche sieht der Vatikan-Bischof aber noch Nachholbedarf.
„Wir möchten
eine gemeinsame Grundlage für die Kirche schaffen, um dem Menschenhandel entgegenzutreten.
Einzelne Bischofskonferenzen haben bereits Dokumente dazu erarbeitet, etwa Großbritannien
und Guatemala. Aber ich würde nicht sagen, dass die Weltkirche genügend Problembewusstsein
hat.“
Es sei das erste Treffen der beiden päpstlichen Akademien zum Thema
Menschenhandel, andere werden folgen, kündigte der Bischof an. Übrigens hätten die
Angehörigen der Päpstlichen Akademiker der Sozialwissenschaften beim Staatssekretariat
nachgefragt, warum der Heilige Stuhl das Palermo-Protokoll gegen Menschenhandel vom
Jahr 2000 noch nicht unterzeichnet habe. Es sei noch keine Antwort gekommen, offenbar
gebe es „noch keine gemeinsame Politik“. Dabei ist das Eintreten gegen Sklaverei geradezu
ein historisches Merkmal des Christentums. Sanchez Sorondo:
„Die Päpste
sind die ersten, die sich - historisch betrachtet - gegen die Sklaverei wandten. Als
das Christentum entstand, war Sklaverei eine normale Form menschlicher Existenz. Für
Aristoteles war es selbstverständlich, dass es Sklaven gibt. Erst das Christentum
sagte, alle Menschen haben dieselbe Würde, weil alle Kinder Gottes sind. Das II. Vatikanische
Konzil denunziert das Problem des Menschenhandels, also die moderne Form der Sklaverei.
Johannes Paul II. schrieb einen Brief, in dem er sich über Menschenhandel äußert.
Und Papst Franziskus arbeitete in Argentinien mit vielen Hilfsorganisationen zusammen,
die versuchten, das Problem einzudämmen. Er kennt diese Probleme wirklich von ganz
nahe.“