Erzbischof Müller: „Barmherzigkeit Gottes kein Dispens von seinen Geboten“
Die Frage des Sakramentenempfangs
für wiederverheirateten Geschiedenen ist „aufgrund der zunehmenden Zahl der Betroffenen
in Ländern alter christlicher Tradition“ ein „pastorales Problem großer Tragweite“.
Das schreibt Erzbischof Gerhard Ludwig Müller in einem langen Artikel, den die Vatikanzeitung
„L´Osservatore Romano“ an diesem Dienstagnachmittag publizierte. Müllers Text war
bereits im Juni des Jahres in der deutschen Zeitung „Tagespost“ erschienen; es handelt
sich um eine klare und systematische Darstellung der katholischen Lehre zum Thema
gegenüber Änderungswünschen zur Sakramentenpastoral, die in Deutschland aufgekommen
waren. Papst Franziskus hat der Veröffentlichung in der Vatikanzeitung ausdrücklich
zugestimmt. Für Herbst 2014 hat Franziskus eine Sonderbischofssynode zur Familienseelsorge
einberufen, die sich diesem Thema widmen wird. Erzbischof Müllers Text fasst die traditionelle
Position der Kirche zum Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene zusammen,
„ohne die synodale Debatte im Vorhinein abzuschneiden“, wie Radio Vatikan-Redaktionschef
Pater Andrzej Koprowski bei der Weiterleitung des Dokumentes festhielt.
Erzbischof
Müllers Artikel trägt den Titel „Die Macht der Gnade – Zur Unauflöslichkeit der Ehe
und der Debatte um die zivil Wiederverheirateten und die Sakramente“. Die Frage der
Sakramente müsse in diesem Kontext „im Einklang mit der katholischen Lehre über die
Ehe erörtert werden“, mahnt der Präfekt. In den folgenden Absätzen legt er dann ausführlich
eben diese Lehre dar. Dabei geht er auch am Rande auf die Frage der Sakramente und
zwei Begriffe ein, die in der aktuellen Debatte immer wieder auftauchen: die Gewissensentscheidung
und die Barmherzigkeit.
Dem Vorschlag, Wiederverheirateten nach einer Gewissensentscheidung
die Kommunion zuzugestehen, erteilt Müller eine Absage: Diesem Argument liege ein
„problematischer Begriff von Gewissen“ zugrunde, so der Präfekt, der hier auf eine
entsprechende Stellungnahme der Glaubenskongregation von 1994 verweist. Die Frage
des Gewissens bezieht der Präfekt in seinen Ausführungen vielmehr auf die Wahrheit
der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Ehe: Wenn es sich um eine gültige Ehe handele,
könne eine neue Verbindung „unter keinen Umständen als rechtmäßig betrachtet werden“,
zitiert Müller hier Ausführungen des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger zum Thema
(vgl. Kardinal Joseph Ratzinger: „Die Ehepastoral muss auf der Wahrheit gründen“,
Osservatore Romano 9.12.2011, S.7). Wenn wiederverheiratete Geschiedene „in ihrem
Gewissen subjektiv der Überzeugung seien, dass eine vorausgegangene Ehe nicht gültig“
gewesen sei, müsse dies „objektiv durch die zuständigen Ehegerichte nachgewiesen werden“,
so Müller weiter. Bei der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe handle es sich um
eine „göttliche Norm (…), über die die Kirche keine Verfügungsgewalt“ habe, erinnert
der Präfekt hier grundlegend. Die Kirche habe „die Vollmacht, zu klären, welche Bedingungen
erfüllt sein müssen, damit eine im Sinne Jesu unauflösliche Ehe zustande kommt“.
Das
Argument der Barmherzigkeit – Geschiedene aus Barmherzigkeit zur Kommunion zuzulassen
– greift für Müller „als sakramenten-theologisches Argument zu kurz“: Denn die ganze
sakramentale Ordnung sei „ein Werk göttlicher Barmherzigkeit und könne „nicht mit
Berufung auf dieselbe aufgehoben werden“, schreibt Müller. Die Berufung auf Barmherzigkeit
an dieser Stelle ist laut Müller also „sachlich falsch“: Hier bestehe die Gefahr einer
„Banalisierung des Gottesbildes, wonach Gott nichts anderes vermag, als zu verzeihen“.
Zum Geheimnis Gottes gehörten neben der Barmherzigkeit auch seine Heiligkeit und Gerechtigkeit,
hält Müller hier entgegen: „Wenn man diese Eigenschaften Gottes unterschlägt und die
Sünde nicht ernst nimmt, kann der Mensch letztlich auch nicht seine Barmherzigkeit
vermitteln“. Die Barmherzigkeit Gottes sei „kein Dispens von den Geboten Gottes und
den Weisungen der Kirche“.
Eine Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen
zu den Sakramenten ist laut Müller also „aus ihrer inneren Natur heraus nicht möglich“.
Alle pastoralen Bemühungen müssten auf die offenbarungstheologischen und lehramtlichen
Vorgaben der Kirche verwiesen bleiben. Es müsse hier um eine „umfassende Pastoral“
gehen, so Müller abschließend, die „den unterschiedlichen Situationen möglichst gerecht“
werden solle. Der Präfekt plädierte hier für ein Aufnehmen der betroffenen „Menschen
in irregulären Situationen“ mit Offenheit und Herzlichkeit.