„Alle haben mich im
Stich gelassen.“ Diese bitteren Worte des Apostels Paulus finden sich in seinem zweiten
Thessalonicherbrief, einem der ersten christlichen Texte überhaupt. Von ihm ging Papst
Franziskus an diesem Freitag in seiner Predigt bei der Frühmesse aus.
„Der
Apostel Paulus hatte so einen freudigen, enthusiastischen Start, nicht wahr? Und doch
ist auch ihm nicht der Sonnenuntergang erspart worden. Es tut mir gut, an den Sonnenuntergang
des Apostels zu denken –mir kommen da Moses, Johannes der Täufer und eben Paulus in
den Sinn. Moses, der das Volk Gottes angeführt, die Feinde bekämpft und auch mit Gott
gerungen hatte um des Volkes willen – er ist am Ende allein, sieht vom Berg Nebo hinüber
zum Gelobten Land, darf aber nicht hinein. Und Johannes der Täufer: Auch ihm sind
am Schluß die Ängste nicht erspart worden.“
Nicht nur unter der Willkür
„eines schwachen, besoffenen und korrupten Herrschers“, „dem Ärger einer Ehebrecherin“
oder „den Launen einer Tänzerin“ habe der Täufer gelitten, sondern auch unter „Zweifeln,
die ihn folterten“. Das liege auf einer Linie mit der Schilderung des Paulus: „Bei
meiner ersten Verteidigung“, so schreibt er, „ist niemand für mich eingetreten“. Allerdings
bleibe es bei Paulus nicht so bitter, denn er fährt fort: „Aber der Herr stand mir
zur Seite und gab mir Kraft“.
„Das ist die Größe des Apostels, der hier
mit seinem Leben das umsetzt, was Johannes der Täufer einmal so formuliert hatte:
Er muss wachsen, und ich muss geringer werden. Der Apostel ist der, der sein Leben
gibt, damit der Herr wächst. Daher dieser Sonnenuntergang... Auch dem Petrus wird
gesagt: Wenn du alt wirst, wird man dich führen, wohin du nicht willst. Wenn ich so
an den Sonnenuntergang des Apostels denke, dann fallen mir die ganzen Heiligtümer
des Apostolischen und der Heiligkeit ein: Ich meine die Altersheime für Priester und
Ordensfrauen. Hier warten gute Priester und gute Schwestern unter der Last der Einsamkeit,
dass der Herr kommt und an die Tür ihres Herzens klopft. Das sind wahre Heiligtümer
des Apostolischen und der Heiligkeit. Vergessen wir sie nicht!“
Zu diesen
Altersheim-Heiligtümern könne man doch „auch einmal eine Pilgerreise machen“, schlug
Papst Franziskus vor. So wie man „zur Madonna, zum heiligen Franziskus, zum heiligen
Benedikt“ wallfahre.
„Einer von euch hat mir vor ein paar Tagen erzählt,
dass er in einem Missionsland auf dem Friedhof war, um die ganzen alten Gräber von
Missionaren anzusehen – von Unbekannten, die dort seit fünfzig, hundert, zweihundert
Jahren ruhen. Und er sagte mir: Die könnte man doch alle heiligsprechen... denn am
Ende zählt doch diese tägliche Heiligkeit, diese Heiligkeit im Alltag. In den Altersheimen
warten diese Schwestern und Priester ein bißchen wie der heilige Paulus auf den Herrn:
etwas traurig, doch, aber auch mit einem gewissen Frieden, mit einem fröhlichen Gesicht.“