Papst Franziskus hat sich an diesem Freitag aus erster Hand über die Lage der Christen
in Syrien informiert. Bei einer Audienz für den griechisch-orthodoxen Patriarchen
von Antiochien, Youhanna X., ging es auch um die Entführung von Youhannas Bruder Boulos
Yaziki, der zusammen mit dem Metropoliten Mar Gregorios Youhanna Ibrahim vor fünf
Monaten in Syrien verschleppt worden war. Gibt es Neuigkeiten über den Verbleib der
beiden Entführten, sind sie noch am Leben? Das wollte Radio Vatikan nach der Papstaudienz
vom Patriarchen von Antiochien wissen.
„Wir hoffen das, ja. Wir hoffen
da leider nur, und wir beten. Wir versuchen auf allen Ebenen, mit der Hilfe verschiedener
Regierungen und unterschiedlicher Personen, eine Lösung zu finden. Bis jetzt haben
wir aber leider keine offiziellen oder sicheren Informationen über unsere zwei Brüder
vorliegen.“
Auf die Frage hin, wer hinter der Entführung stecke, antwortete
Patriarch Youhanna:
„Sie haben uns keine sichere Antwort bis jetzt gegeben.
Es gibt viele Geschichten und Versprechen, doch leider kein Ergebnis.“
Mit
dem Papst habe er unter anderem über den Exodus der Christen aus Syrien gesprochen,
die scharenweise vor dem Krieg ins Ausland fliehen, so der Patriarch. Ein Naher Osten
ohne Christen sei „inakzeptabel“, bekräftgte er im Gespräch mit Radio Vatikan. Die
christliche Tradition der Christen in der Region müsse fortgesetzt werden. Dem Papst
habe er für seine Friedensappelle sowie für den Aufruf zu einem Gebets- und Fasttag
für Syrien gedankt, so Youhanna X.. Dies sei eine sehr wichtige Geste gewesen. MIt
Blick auf den Exodus der Christen aus Syrien sagte der Patriarch, die Kirche versuche,
den Menschen so gut es eben ginge „beim Bleiben zu helfen“: „Wir versuchen,
unseren Leuten nahe zu sein und ihnen Hoffnung zu geben, damit sie in ihren Heimen
und in ihrer Heimat bleiben.“
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte
mit Sitz in London meldete am Donnerstag, dass in der nordsyrischen Stadt Rakka Aufständische
zwei Kirchen angegriffen und christliche Symbole zerstört hätten. Es handle sich um
Milizen der Gruppe „Islamischer Staat Irak und Levante“ (ISIL). Kardinal Peter Turkson
hatte jüngst vor einem wachsenden Einfluss radikalislamischer Kräfte im syrischen
Bürgerkrieg gewarnt: Der Aufstand richte sich nicht nur gegen die Assad-Diktatur,
sondern ziele teilweise auf die Errichtung eines islamisch-fundamentalistischen Staates,
so der Präsident des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Die Gewalt gegen
Christen und Kirchen in Syrien lehne die Mehrheit der Muslime in der Region entschieden
ab, so Patriarch Youhanna X.. Schließlich sei das Leben der Religionen in Syrien seit
jeher ineinander verwoben:
„Zum Islam und zu den muslimischen Mitmenschen
haben wir in der ganzen Region im Allgemeinen ein sehr gutes Verhältnis. Wir leben
zusammen, haben die gleiche Geschichte und Zukunft, wir sind eine Familie, das ist
die Wahrheit. Jetzt sehen wir in unserem Land einen neuen Geist des Islamismus einiger
radikaler Gruppen – wir und unsere muslimischen Mitmenschen lehnen das ab. Imame in
Syrien, im Libanon versuchen zusammen mit den christlichen Bischöfen und Priestern
zu tun, was wir können, um Ruhe zu bewahren und Frieden zu schaffen.“
Patriarch
Youhanna X. war im Dezember 2012 an die Spitze seiner rund 750.000 Mitglieder zählenden
Ostkirche gewählt worden und stattete dem Papst an diesem Freitag seinen Antrittsbesuch
ab. Die Mehrzahl seiner Gläubigen lebt im Libanon und in Syrien, wo sie die größte
Christengruppe bilden. Offizieller Sitz des Patriarchats ist Damaskus, wo Youhanna
X. sich jedoch aus Sicherheitsgründen derzeit nicht durchgehend aufhält.