Syrien/Libanon: „Die Alten nicht aus dem Blick verlieren“
Kirchenführer aus
Syrien und dem Libanon beraten in diesen Tagen mit Papst Franziskus und mit den Dikasterien
im Vatikan über die dramatische Situation in der Region. Der Papst rief beim gemeinsamen
Gottesdienst mit den nahöstlichen Bischöfen am Mittwoch zu intensivem Gebet um Frieden
und Versöhnung auf, wie die Schweizer katholische Nachrichtenagentur apic am Donnerstag
berichtete. Um die Menschen vor Ort und um die Flüchtlinge kümmern sich unterdessen
weiterhin auch kirchliche Hilfswerke. Im Gespräch mit dem Münchner Kirchenradio erklärte
Oliver Müller von „Caritas International“: „Wir können den Konfliktopfern in
Syrien selbst helfen, aber auch in den Hauptaufnahmeländern, wo die Flüchtlinge sich
jetzt erst einmal in Sicherheit gebracht haben, wie im Libanon und in Jordanien. Die
Hilfe besteht zunächst in sehr vielen materiellen Dingen, die die Flüchtlinge brauchen.
Oft haben sie nichts mehr außer dem, was sie am Leibe tragen. Das heißt wir helfen
mit Kleidung, Decken, Unterkünften. Gleichzeitig spielt auch die psychologische und
seelsorgliche Betreuung der Flüchtlinge eine große Rolle: viele von ihnen haben Grauenvolles
erlebt, das sie verarbeiten müssen. Wir nehmen auch speziell die Kinder in den Blick,
die Unterstützung brauchen. Da ist es ganz wichtig, möglichst bald wenigstens ein
gewisses Maß an Normalität wieder herzustellen – zum Beispiel, indem man ihnen den
Schulbesuch ermöglicht.“ Doch nicht nur die Kinder brauchen spezielle Hilfe,
gleiches gilt auch für die Alten und Kranken unter den mehr als vier Millionen syrischen
Flüchtlingen. Sie werden oft vergessen, dabei haben gerade die über 60-Jährigen besondere
Unterstützung nötig. Darauf macht im Gespräch mit Radio Vatikan Claire Catherinet
aufmerksam. Sie kümmert sich derzeit zusammen mit den Hilfswerken „HelpAge International“
und „Handicap International“ besonders um die ältere Gruppe der syrischen Flüchtlinge
im Libanon: „Ich kann Ihnen sagen, dass nach UN-Angaben aktuell etwa zwei Prozent
der registrierten syrischen Flüchtlinge hier im Libanon älter als 60 Jahre sind. Das
ist zwar nur ein kleiner Teil unter den Flüchtlingen, aber trotzdem darf man sie nicht
vernachlässigen.“ Da viele ältere Flüchtlinge aus gesundheitlichen Gründen
oft auch nicht in der Lage seien, zu den Registrierungszentren zu gehen, geht Catherinet
außerdem von weitaus mehr alten und kranken syrischen Flüchtlingen aus. Gerade im
Libanon ist die Lage für die Flüchtlinge schon generell nicht leicht: Da der Libanon
die Flüchtlingskonvention von 1961 nicht unterschrieben hat, werden die meisten Syrer
mehr schlecht als recht in formlosen Zeltstädten oder unfertigen Gebäuden untergebracht.
Besonders für die Flüchtlinge, die nun schon seit längerer Zeit im Libanon sind, sei
die Situation dramatisch, da sie all ihre Ersparnisse schon lange aufgebraucht hätten,
berichtet Catherinet. Die älteren Flüchtlinge seien komplett von der humanitären Hilfe
abhängig: „Mehr als 90 Prozent der über 60-Jährigen ist nicht in der Lage, die
nötigen Medikamente zu bezahlen. Das heißt, dass sie entweder selbst zurück nach Syrien
müssen, um sich ihre Medikamente dort zu besorgen, oder, was häufiger der Fall ist,
da sie sich selbst kaum noch bewegen können, dass sie Verwandte schicken. Es herrscht
also ein reges Kommen und Gehen zwischen Libanon und Syrien, um nötige Medikamente
zu besorgen, denn im Libanon können sie sich diese einfach nicht leisten. Das ist
wirklich ein sehr großes Problem, besonders für chronisch Kranke.“ Einige Hilfsorganisationen
und Nichtregierungsorganisationen versuchten zwar, sich dieses Problems anzunehmen,
aber das reiche noch lange nicht aus. Es seien mobile Kliniken und mobile Ärzte nötig,
da die medizinischen Versorgungszentren für die Flüchtlinge oft sehr weit entfernt
seien, erläutert die Helferin. Vor allem kranke und alte Flüchtlinge in kleinen Städten
oder Dörfern seien viel zu weit weg von Krankenhäusern und Kliniken. Zu den vielen
physischen Problemen kämen oft auch noch physische: „Die Flüchtlinge sind an
sich schon sehr viel physischem und psychischem Stress ausgesetzt, schon alleine durch
das, was sie in Syrien erlebt haben: sie kommen aus einer Kriegssituation, sie haben
Bomben, Gewalt und all diese schrecklichen Dinge erlebt. Wenn sie dann im Libanon
ankommen, in einem Land, das sie nicht kennen, ohne finanzielle Mittel, einfach ohne
irgendetwas, wo sie unter schwierigsten Bedingungen leben müssen, ist das wirklich
eine sehr, sehr harte Situation.“ Generell stehe der Flüchtlingshilfe im Libanon
deshalb noch sehr viel Arbeit bevor. Es sei außerdem nötig, mehr für die Probleme
der Älteren und Kranken zu sensibilisieren. Leichte Besserung gebe es da zum Glück
schon: „Die Alten und Kranken rücken immer mehr in den Blick“, meint Claire Catherinet
zuversichtlich. (rv/münchner kirchenradio/kap 26.09.13 sta)