Benedikt XVI.: „Niemals habe ich versucht, Missbrauch zu vertuschen“
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat den Vorwurf zurückgewiesen, er habe Missbrauchsfälle
in der katholischen Kirche bewusst verschwiegen. Es müsse alles getan werden, damit
sich diese Fälle niemals wiederholten, schreibt Benedikt in einem Antwortbrief an
den Mathematiker und bekennenden Atheisten Piergiorgio Odifreddi. Die römische Tageszeitung
„La Repubblica“ veröffentlichte am Dienstag Auszüge aus dem Schreiben. „Niemals habe
ich versucht, diese Dinge zu vertuschen“, betont Benedikt XVI. demnach. „Ich kann,
wie Sie wissen, solche Vorfälle nur mit tiefer Bestürzung zur Kenntnis nehmen.“ Es
sei auch kein wirklicher Trost zu wissen, dass Kindesmissbrauch im kirchlichen Raum
nicht häufiger vorkomme als in anderen Teilen der Gesellschaft. Andererseits solle
man vermeiden, diese „Abwege hartnäckig als spezifischen Unrat des Katholizismus“
darzustellen.
Wenn es „nicht zulässig“ sei, das Böse in der Kirche zu verschweigen,
so dürfe man ebenso wenig über „die Lichtspur des Guten“ in der Kirche hinwegsehen.
Dafür stünden Menschen wie Franz von Assisi und Mutter Teresa. Bis heute motiviere
die christliche Botschaft die Gläubigen zu Werken der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit.
In
dem elfseitigen Schreiben weist das frühere Kirchenoberhaupt Vorwürfe gegen sein theologisches
Werk zurück, die Odifreddi in seinem Buch „Caro Papa, ti scrivo“ (Lieber Papst, ich
schreibe Dir) erhebt. Die Theologie ist nach Benedikts Worten kein bloßes Fantasieren,
wie Odifreddi behauptet. Sie verbinde vielmehr die Religion mit der Vernunft. „Beide
bedürfen einander.“ Andernfalls würden sowohl die Religion wie die Vernunft von „Krankheiten“
befallen.
Dem Mathematiker legt Benedikt XVI. nahe, sich intensiver mit der
historischen Bibelexegese zu befassen. Odifreddis Behauptung, über den historischen
Jesus sei kaum Gesichertes bekannt, „ist Ihrem Rang als Wissenschaftler nicht würdig“,
schreibt der emeritierte Papst unumwunden. Er empfahl dem Mathematiker die Lektüre
der vier Bände von Martin Hengel und Anna Maria Schwemer, ein „exzellentes Beispiel
historischer Präzision“ und Information. Demgegenüber sei das, was Oddifreddi über
Jesus sagte, ein „leichtsinniges Reden, das Sie nicht widerholen sollten“. Benedikt
räumte gleichzeitig ein, in der Bibelauslegung seien auch „viele Dinge mangelhafter
Qualität“ entstanden.
Der emeritierte Papst wirft Odifreddi vor, er wolle
„Gott“ durch „die Natur“ ersetzen, definiere aber niemals, „wer oder was“ diese Natur
für ihn sei. So erscheine die Natur als „eine irrationale Gottheit, die nichts erklärt“.
In Oddifreddis Bild einer „mathematischen Religion“ kämen die fundamentalen Themen
Freiheit, Liebe und das Böse gar nicht vor. Damit bleibe der Entwurf letztlich „leer“.