Papstmesse in Cagliari: „Schauen wir uns brüderlicher an!“
Papst Franziskus hat
an diesem Sonntag am Marienwallfahrtsort „Unserer Lieben Frau von den guten Winden“
– „Bonaria“ - in Cagliari eine Messe mit mehr als Hunderttausend Gläubigen gefeiert.
Es war der Höhepunkt seiner eintägigen Sardinienreise. Bei der Feier auf dem Platz
vor der Wallfahrtskirche vertraute Franziskus das sardische Volk der Fürsprache der
Gottesmutter an. Die „Muttergottes von Bonaria“ ist höchste Schutzpatronin der Sarden.
Franziskus ist nach Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. der vierte Papst
der Neuzeit, der dem Gnadenbild die Ehre erweist.
Zur Papstmesse war die gut
drei Meter hohe Holzstatue mit Maria und dem Jesuskind aus der Kathedrale getragen
und neben dem Altar aufgestellt worden. Franziskus meditierte in seiner Predigt, die
gegen Ende einen gleichsam betenden Charakter hatte, ausführlich über den „Blick der
Maria“. Ausgehend von der Gottesmutter rief er zu mehr Brüderlichkeit und Solidarität
in der Gesellschaft auf. Zunächst kam der Papst jedoch auf Herausforderungen zu sprechen,
denen die Sarden täglich die Stirn bieten müssen.
„Auch hier in Cagliari
fehlt es, wie in ganz Sardinien, nicht an Schwierigkeiten, Problemen und Sorgen: ich
denke besonders an Arbeitslosigkeit, Instabilität und eine unsichere Zukunft. Euer
schönes Sardinien leidet schon lange unter vielen Situationen von Armut, was auch
durch seinen Inselcharakter verstärkt wird. Die ehrliche Zusammenarbeit aller sowie
der Einsatz der institutionellen Verantwortungsträger ist nötig, um den Menschen und
Familien die grundlegenden Rechte zu garantieren und eine brüderlichere und solidarischere
Gesellschaft wachsen zu lassen.“
„Ich bin gekommen, um mit euch Freuden
und Mühen zu teilen und euch im Glauben zu bestärken“, so der Papst über den Anlass
seiner Visite. Die schwächelnde italienische Wirtschaft ist auf Sardinien besonders
spürbar: Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit machen vor allem der jungen Generation
zu schaffen. So verlassen viele Sarden auf der Suche nach Arbeit ihre Heimat. Angesichts
dieser Situation sei der Glaube für viele Familien fester Bezugspunkt, fuhr der Papst
fort. Dafür stehe der Wallfahrtsort „Unserer Lieben Frau von Bonaria“:
„Hierher
bringt ihr die Freuden und Leiden eurer Region, der Familien und auch der Kinder,
die weit entfernt leben und die oft mit großem Schmerz und mit Wehmut fortgingen,
um Arbeit und eine Zukunft für sich und ihre Lieben zu suchen. Heute wollen wir, die
wir hier alle versammelt sind, Maria danken, denn sie ist uns immer nahe. Wir wollen
unsere Treue und unsere Liebe zu ihr erneuern.“
„Seid wirkliche
Brüder“
Vom Fuß der Madonnenfigur aus rief Franziskus eindringlich
zu einem brüderlicheren Umgang in der italienischen Gesellschaft auf. Der „Blick Mariens“
sei hierbei Sinnbild eines fürsorglichen und solidarischen Umgangs. Die Gottesmutter
stehe für Gottvertrauen, Demut und Einfachheit, so Franziskus ausgehend vom Evangelium,
und sei empfänglich gewesen für die Not der anderen. Menschen am Rande der Gesellschaft
würden dagegen heute allzu häufig als minderwertig betrachtet, kritisierte der Papst.
Maria sei hier Vorbild der Fürsorge, Solidarität und Aufmerksamkeit für den Anderen:
„Es
gibt Menschen, die wir instinktiv als weniger wert ansehen, die aber am dringlichsten
diesen mütterlichen Blick bräuchten: die Verstoßenen, die Kranken, diejenigen, die
nichts zum Leben haben und diejenigen, die Jesus nicht kennen, die jungen Leute, die
in Schwierigkeiten sind. Haben wir keine Angst, herauszugehen und unsere Brüder und
Schwestern mit dem Blick der Jungfrau Maria anzusehen, sie lädt uns dazu ein, wirklich
Geschwister zu sein.“
Nach der Kommunion vertraute der Papst das sardische
Volk der Muttergottes von Bonaria an. „Ich bitte dich für jede Familie dieser Stadt
und dieser Region“, sprach Franziskus in einem Weiheakt vor der Gnadenstatue. Er nannte
die Kinder und Jugendlichen, die Alten und Kranken, die Einsamen, die Häftlinge, die
Hungernden, die Arbeitslosen, die Hoffnungslosen und die Nichtglaubenden, auch die
Regierenden und die Lehrenden. „Wir sind deine Kinder: wir stellen uns unter deinen
Schutz.“
Vor der Messe hatte der Papst etwa hundert Kranke begrüßt. Auch die
Zusammenkunft mit Strafgefangenen, Jugendlichen und Arbeitern sind feste Programmpunkte
dieser zweiten Italienreise des Papstes. Mit seinem Besuch im wichtigsten sardischen
Marienwallfahrtsort tritt Franziskus in die Spuren seiner Vorgänger Paul VI., Johannes
Paul II., Benedikt XVI. Franziskus hat allerdings einen besonderen Bezug zum sardischen
Marienheiligtum: Nach der „Madonna di Bonaria“ ist nämlich Buenos Aires benannt, die
Hauptstadt Argentiniens und Heimat von Papst Franziskus. Sardische Seeleute in Argentinien
wählten den Namen aus Verehrung für die „Madonna di Bonaria“ in Cagliari. Auf diese
besondere Verbindung ging der Erzbischof von Cagliari, Arrigo Miglio, in seinem Grußwort
vor dem Papst ein.
„Wir fühlen uns geehrt, dass wir unter demselben Mantel
der Maria die Zuneigung für Ihre Heimat Argentinien teilen können, wo viele Italiener,
und besonders Sarden, aufgenommen wurden und Arbeit fanden. Ein Monat vor Ihrer Wahl
zum Bischof von Rom erreichte uns von Buenos Aires die Anfrage nach einem Bildnis
Unserer Lieben Frau von Bonaria, der Statue, die Sie am 15. Mai auf dem Petersplatz
gesegnet haben. Jetzt wird die Brücke, die Bonaria und Buenos Aires verbindet für
uns alle eine noch stärkere Verbindung mit dem Nachfolger Petri.“
Beim
Angelusgebet nach der Messe rief der Papst die Sarden dazu auf, „immer echte Kinder
Mariens und der Kirche zu sein und dies mit dem eigenen Leben zu zeigen, „indem ihr
dem Beispiel der Heiligen folgt“.