„Dieser Preis
ist eine große Überraschung für mich, ich habe das nicht erwartet! Was ich jeden Tag
getan habe war, Frauen zu helfen, vertriebenen und verwundbaren Frauen. Ich habe jeden
Tag gebetet und den Frauen gesagt, sie sollten nicht aufhören zu beten. Ich sagte
ihnen: Wenn ihr betet, bekommen wir Hilfe.“
Schwester Angelique Namaokas
Gebete wurden erhört – am Dienstag wurde bekannt, dass die kongolesische Ordensfrau
den renommierten Nansen-Flüchtlingspreis der UNO erhält. Namaoka leitet ein Rehabilitations-
und Flüchtlingszentrum in Dungu im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo. In
dem Zentrum bekommen Frauen Hilfe, die vor der brutalen Gewalt der paramilitärische
Gruppe „Lord’s Resistance Army“ (LRA) fliehen mussten. Entführungen, Zwangsarbeit,
Morde und sexuelle Gewalt – es sind schreckliche Gräueltaten, über die die Frauen
berichten.
„Es war zunächst nicht leicht für mich, die Geschichten dieser
Frauen anzuhören“, sagt Schwester Namaoka. Sie hat selbst Verfolgung erlebt, floh
vor den brutalen Kämpfern mit anderen Frauen zusammen in die Wildnis. Im Interview
mit Radio Vatikan erinnert sie sich an diese traumatische Erfahrung:
„Wir
hatten kein Essen, keine Unterkunft, waren im Busch und hatten nur eine Plastikplane,
für mehr als 20 Leute. Wir konnten nachts nicht schlafen, haben die ganze Zeit in
die Dunkelheit gelauscht, hatten solche Angst, dass sie kommen würden. Am Tag war
es dasselbe, immer diese Angst… Solche Angst, dass ich nicht schlafen konnte, ich
konnte einfach nicht schlafen.“
„Gott, tu mit mir, was du willst“ – der
Text dieses Liedes ging Namaoka damals im Kopf herum. „Beim Singen fand ich endlich
Ruhe und dann wieder meinen Mut“, erzählt sie. Und zwar so viel Mut, dass Schwester
Namaoka in die Hölle zurückging, aus der sie kam: Sie ging in die Stadt zurück, wo
die Peiniger gewütet hatten, identifizierte die Opfer und versuchte ihnen zu helfen
– eine Schlüsselerfahrung für sie.
„Diese Erfahrung und all die Schwierigkeiten
und Entbehrungen haben mich verstehen lassen, dass diese Frauen, die ihre Kinder verloren
haben, weil sie entführt wurden, die ihre Ehemänner verloren haben, weil sie umgebracht
wurden, noch viel mehr erlitten haben als ich. Das ist der Grund, warum ich dann angefangen
habe, mich ausbilden zu lassen und Geld zusammenzutragen für diese Frauen, um ihnen
zu helfen, irgendwann einmal wieder ein glückliches Leben zu haben.“
„Sie
ist eine echte Heldin“, brachte es Antonio Guterres, UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge,
bei der Ankündigung der Vergabe des Nansen-Preises an Angelique Namaoka auf den Punkt.
Über 2.000 Frauen und Mädchen hat die mutige Schwester bereits geholfen – angefangen
von medizinischer Notversorgung über Traumaarbeit bis hin zu Ausbildungsangeboten.
Für das Preisgeld von 100.000 US-Dollar und die internationale Aufmerksamkeit, die
mit der Auszeichnung verbunden sind, ist Namaoka dankbar. „Ich werde immer mein Möglichstes
tun, damit diese Menschen wieder Hoffnung haben und die Möglichkeit, ins Leben zurückzukehren“,
so die Ordensschwester - dank des Preises könne nun anderen Vertriebenen geholfen
werden. Sie nennt ein Beispiel, wie:
„Letztes Jahr hat mir eine der Frauen
für die Ausbildung zur Bäckerin gedankt. Sie sagte: Wenn ich nicht diese Arbeit machen
könnte, wären zwei meiner Kinder schon tot. Sie hat jeden Tag Geld verdient und konnte
so für die medizinische Versorgung ihrer Kinder aufkommen. Und nicht nur das: Sie
konnte auch Essen kaufen, die Kinder zur Schule schicken usw. Der Nansen-Preis wird
uns helfen, mehr in diese Richtung zu tun.“
Es sei schwierig, sich das
Leid vorzustellen, das diese Frauen und Mädchen in den Händen der LRA ertragen mussten,
fährt sie fort. Deshalb ist Namaoko auch allen dankbar, die das Schweigen über die
Gräueltaten brechen und vor dem Leid der Frauen und Mädchen in der Demokratischen
Republik Kongo nicht die Augen verschließen:
„Ich danke also dem Flüchtlingswerk
der Vereinten Nationen UNHCR und allen Journalisten, die mich interviewen und meine
Arbeit kennenlernen wollen. Denn auch diesen Journalisten ist es zu verdanken, dass
wir gewürdigt wurden und den Preis erhielten. Gott hat mir geholfen und den Mut gegeben,
diesen Frauen zu helfen. Ich bitte ihn heute darum, nicht stolz zu sein, sondern einfach
und demütig zu bleiben, um diesen Frauen weiter zu helfen.“
Schwester Angelique
wird den Nansen-Preis am 30. September in Genf entgegennehmen. Am 2. Oktober wird
sie Papst Franziskus in Rom treffen. Der Nansen-Preis, der nach dem norwegischen Entdecker
und Politiker Fridtjof Nansen benannt ist, wird jedes Jahr für hervorragende Dienste
für Flüchtlinge vergeben.