Unser Buchtipp:
Wolfgang Herrndorf, tschick. Rowohlt Taschenbuch Verlag, ca. 9 Euro. Besprochen von
Stefan Kempis
Das ist einer der schönsten Romane, den die Jugendliteratur
auf deutsch im Moment zu bieten hat. Ein Klassiker schon zu Lebzeiten seines Autors,
und jetzt nach seinem Tod in der letzten Woche erst recht. Zwei Jungen gehen in einem
geklauten Auto auf große Fahrt durch Ostdeutschland: Sie erleben Bewegendes wie Erschreckendes,
und alles wird unaufdringlich erzählt. Herrndorfs Sound der Menschlichkeit bleibt
einem im Ohr.
Einmal übernachten seine zwei Ausreißer auf einer Waldwiese,
sehen zum Sternenhimmel auf und unterhalten sich unversehens über mögliches Leben
auf anderen Planeten. Auch in dieser kurzen, unangestrengten Szene blitzt Herrndorfs
ganze Meisterschaft des Unbemühten auf: Die Jungen stellen sich „schleimige Insekten“
auf einem anderen Planeten vor, „und irgendwo im Insektenkino schauen sie sich gerade
einen Film an, der auf der Erde spielt und von zwei Jungen handelt, die ein Auto klauen“.
„Und es ist der totale Horrorfilm, sagte Tschick. Die Insekten ekeln sich vor uns,
weil wir überhaupt nicht schleimig sind. – Aber alle denken, es ist nur Science-Fiction,
und in Wirklichkeit gibt`s uns gar nicht... Außer zwei jungen Insekten“, so wiederum
Tschick: „Die glauben das. Zwei Junginsekten in der Ausbildung... Die denken, dass
es uns gibt...“
Szenen, über die man lachen kann und die gleichzeitig nachdenklich
machen – es gibt viele davon in diesem Buch. Besonders unvergeßlich ist das letzte
Bild des Romans: Die betrunkene Mutter des Erzählers und der Erzähler selbst werfen
Möbel in ein Schwimmbecken und lassen sich schließlich, vor den Augen von herbeigeeilten
Polizisten, ebenfalls in den Pool fallen. „Wir sanken zum Grund und sahen von da zur
schillernden, blinkenden Wasseroberfläche mit den schwimmenden Möbeln obenauf...“
Schon wieder diese Blickrichtung nach oben. Ein Meisterwerk ohne Ranschmeißerei.