Vatikan fordert Aufklärung nach möglichem Giftgasanschlag in Syrien
Gewalt ist keine Lösung
– daran hat der Vatikanvertreter bei der UNO in Genf nach dem möglichen Giftgasanschlag
in Syrien mit zahlreichen Toten erinnert. Erzbischof Silvano Maria Tomasi ruft im
Gespräch mit Radio Vatikan zu einer umfassenden Aufklärung der Vorfälle auf:
„Man
sollte sich kein Urteil ohne ausreichende Evidenz bilden. Die Internationale Gemeinschaft,
die mit den Beobachtern der Vereinten Nationen schon in Syrien präsent ist, könnte
Licht in diese neue Tragödie bringen. Man kann meiner Meinung nach nicht schon mit
einem Vorurteil loslegen und sagen, die und die sind die Verantwortlichen dafür. Wir
müssen den Vorfall aufklären, auch aus unmittelbarem Interesse heraus: Die Regierung
in Damaskus kann eine solche Tragödie nicht gebrauchen, denn sie weiß, dass sie direkt
dafür beschuldigt wird. Wie bei der Untersuchung eines Mordfalles muss man sich die
Frage stellen: Wen interessiert diese Art von unmenschlichem Verbrechen?“
Große
Hoffnung setzt Tomasi in eine mögliche internationale Friedenskonferenz „Genf 2“.
Das Zustandekommen dieser Konferenz war bislang gescheitert. An einem solchen Treffen
sollten „alle Komponenten der syrischen Gesellschaft“ teilnehmen, zeigt sich Tomasi
entgegen Teilen der syrischen Opposition überzeugt. Alle sollten ihre Positionen vortragen,
dann müsse gemeinsam ein Modell für „eine Art Übergangsregierung“ entwickelt werden,
schlägt der Vatikanbotschafter vor:
„Um dieses Ziel zu erreichen, kann man
keine Bedingungen aufstellen, die diese Initiative unmöglich machen, wie etwa die
eine oder andere der involvierten Gruppen ausschließen. Mir scheint, dass diese Anstrengung
absolut notwendig ist, um die Gewalt aufzuhalten. Weiter darf man weder der Opposition
noch der Regierung Waffen zuführen. Man stellt sicher keinen Frieden her, indem man
den Menschen neue Waffen bringt.“
Mit Blick auf die internationale Medienberichterstattung
ruft Tomasi zu mehr Bemühen auf, die komplexe Lage in Syrien zu verstehen und dann
auch zu schildern:
„Um zu einer gerechten Lösung zu kommen muss man allgemein
eine nur teilweise Deutung der Realität in Syrien und im Nahen Osten vermeiden. Ich
habe den Eindruck, dass die Presse und die großen Kommunikationsmittel nicht alle
Aspekte berücksichtigen, die diese Situation der Gewalt und des ständigen Konfliktes
herstellen. Wir haben in Ägypten gesehen, wo die kritiklose Unterstützung der Muslimbrüder
(durch die Bevölkerungsmehrheit, Anm. d. Red.) zu weiterer Gewalt geführt hat. Es
gibt klare Interessen: diejenigen, die eine sunnitische Regierung in Syrien wollen,
und diejenigen, die eine Teilhabe aller Minderheiten bewahren wollen. Man muss also
vom Konzept der Bürgerschaft ausgehen und jeden Bürger als Landesbürger respektieren
sowie zulassen, dass sich die religiösen, ethnischen, politischen Identitäten in einem
Kontext des Dialoges entwickeln.“