2013-08-22 12:29:53

Flüchtlinge in Deutschland: „In der Heimat Bomben, und hier geht es weiter“


RealAudioMP3 „In der Heimat krachen die Bomben herunter, und hier geht es dann weiter.“ So kommentiert der evangelische Pfarrer Hartmut Wittig von Berlin-Hellersdorf die Anfeindungen gegen Bewohner einer Asyl-Unterkunft in seiner Gemeinde, vor der seit Tagen Befürworter und Gegner, darunter auch Rechtsradikale, protestieren. Im Gespräch mit dem Domradio Köln geht der Seelsorger auf die Gefühle der Flüchtlinge ein, die teilweise auf der Flucht vor Krieg und Gewalt nach Deutschland kamen:


„Die denken, sie sind endlich angekommen, und dann geht das alles von vorne los auf andere Weise, das man um sein Leben fürchten muss. In der Heimat krachen die Bomben herunter, und hier geht es dann weiter. Es ist peinlich, dass da Menschen vor uns flüchten! Es ist aber schwierig, das differenziert darzustellen. Verständnis kann man von den Flüchtlingen kaum erwarten, die kommen ja aus schlimmen Situationen.“


Einige Flüchtlinge sollen die Hellersdorfer Asyl-Unterkunft aus Angst vor Übergriffen bereits wieder verlassen haben. Der Berliner Flüchtlingsrat sieht die Sicherheit dieser hilfsbedürftigen Menschen in dem Heim akut gefährdet. Es sei „unverantwortlich“, in der jetzigen Situation dort Flüchtlinge unterzubringen, sagte Sprecherin Martina Mauer im Berliner Hörfunk. Politik und Kirche verurteilten die Anfeindungen der Asylsuchenden und rufen zu Standhaftigkeit gegen rechte Stimmungsmache und zum Dialog auf. Die rechtsextreme Stimmungsmache in Hellersdorf habe jahrelange Vertrauensarbeit zerstört, klagt Pfarrer Wittig:


„Ich bin ja als Christ zur Feindesliebe aufgerufen. Aber ich sehe auch, dass die Grenzen oft fließend sind, gerade bei Menschen, die Angst und Vorbehalte haben. Das wieder aufzubauen, was mit den Protesten ganz fix kaputtgemacht wird, ist eine langwierige, schwierige Angelegenheit. Das braucht viele Gespräche. Aber ich bin hoffnungsvoll.“


Zusammen mit der katholischen Gemeinde engagiert sich die evangelische Kirche in Berlin-Hellersdorf im Netzwerk „Für Menschen in Hellersdorf in Not“, das auch das nachbarschaftliche Kennenlernen fördert. Angesichts der aktuellen Notsituation suche man derzeit händeringend aktive Nachbarn, die sich für die Flüchtlinge engagieren:


„Man muss Menschen finden, die da mitmachen! Auch Dolmetscher brauchen wir. Das zieht sich. Aber die schlimmen Ereignisse haben Folgen von Tag zu Tag. Wir empfinden uns hier tatsächlich im Ausnahmezustand.“


Auch der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge rief am Mittwoch im Berliner Hörfunk dazu auf, das Gespräch mit besorgten Anwohnern zu suchen. Zugleich bezeichnete er es als „Bürgerpflicht“, sich von den wenigen radikalen Gegnern nicht beeindrucken zu lassen. Insgesamt haben laut der Polizei vor dem Heim bislang rund 30 Rechtsradikale demonstriert, gegen sie gingen in Hellersdorf hunderte Gegendemonstranten auf die Straße. Es sei Aufgabe auch der Christen, eine „Wagenburgmentalität“ mancher Gegner des Heims „liebevoll aufzubrechen“ und sich für Flüchtlinge einzusetzen, was in Hellersdorf auch der Fall sei. Der Bischof wies die Behauptung zurück, im Umfeld solcher Heime gebe es mehr Kriminalität und Krankheiten. Dies sei erfahrungsgemäß nicht der Fall. Dröge wandte sich zudem gegen Formulierungen von Politikern, die „Lasten“ bei der Aufnahme von Flüchtlingen müssten gerecht verteilt werden. Menschen aus Bürgerkriegsgebieten dürften nicht zuerst als Last gesehen werden, sondern hätten einen Anspruch, menschlich behandelt zu werden.


(domradio/rv/kna 22.08.2013 pr)









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