Russland: Erschütterung über Mord an orthodoxem Priester
Die russische Öffentlichkeit hat sich erschüttert über die Ermordung des 75-jährigen
russisch-orthodoxen Priesters Pawel Adelgeim, eines scharfen Kritikers des aktuellen
Kurses von Staat und Kirche, gezeigt. Der Priester war am Montagabend von einem 27-jährigen
Studenten in Pskow erstochen worden. Patriarch Kyrill I. betonte seine Trauer über
die Ermordung Adelgeims, der „ein Opfer seiner pastoralen Pflicht“ geworden sei, berichtete
die ökumenische Stiftung „Pro Oriente“ am Donnerstag. Der Gouverneur von Pskow, Andrej
Turtschak, sagte, die Ermordung eines Priesters sei immer ein Affront gegen die Grundlagen
von Moral, Ethik und Glaube.
Der Freundeskreis Adelgeims betonte in einer
Stellungnahme, dass das Leben des Priesters vom konsequenten Kampf für die Wahrheit,
wie er sie verstand, gekennzeichnet war. Er sei furchtlos gegenüber staatlichen und
kirchlichen Autoritäten gewesen. Im Vorjahr war Adelgeim durch seinen Ruf nach Milde
für die „Pussy Riot“-Punkerinnen aufgefallen. In einem Interview meinte der Priester,
es zeichne sich eine Konfrontation zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und der
Zivilgesellschaft ab. Er plädiere daher dafür, die Mädchen nicht ins Gefängnis zu
stecken, sondern sich mit ihnen zusammenzusetzen, um ihnen zu erklären, dass man in
der Kirche kein Happening veranstalten, sondern zu Gott beten soll.
Adelgeim
war ein heftiger Kritiker des Naheverhältnisses zwischen Kirchenleitung und Kreml-Führung.
Zugleich trat er für größere Unabhängigkeit der Pfarrgeistlichen ein. Vor Journalisten
betonte er, die Kirche könne nicht durch „vertikale Autorität“ geleitet werden, es
gehe vielmehr um „eine spirituelle Einheit und religiöse Gemeinschaft auf der Basis
von Tradition und Freiheit“.