Vorbereitung auf den Besuch in Aparecida: „Dieser Papst hört zu“
Stippvisite auf eigenen
Wunsch: Papst Franziskus besucht am Mittwoch den Marienwallfahrtsort Aparecida. Dort
hatte er 2007 als Kardinal an der Konferenz des Lateinamerikanischen Bischofsrates
CELAM teilgenommen. Damals formulierten Bischöfe aus ganz Lateinamerika und der Karibik
eine pastorale Strategie für ihre Kirchen – unter maßgeblicher Mitwirkung des heutigen
Papstes. Auch Bernd Klaschka war 2007 in Aparecida dabei; der Prälat leitet Adveniat,
das größte Lateinamerika-Hilfswerk Europas. Im Gespräch mit unserer Korrespondentin
in Rio, Anne Preckel, erinnert sich Klaschka an die Tage von Aparecida vor sechs Jahren.
„Während
der Versammlung von Aparecida war eines der wichtigen Kennzeichen die morgendliche
Eucharistiefeier mit den Menschen dort. Wir haben also als Vollversammlung nicht getrennt
von den Menschen Eucharistie gefeiert, sondern mit ihnen in der Basilika, und das
war ein wichtiges Element spiritueller Art für die Gestaltung der fünften Vollversammlung
des Lateinamerikanischen Bischofsrates.
Ich habe den Papst als jemanden
erlebt, der gut zugehört hat, auf die Beiträge der Arbeitsgruppen eingegangen ist,
sie auch eingebracht hat und sich ihnen gegenüber treu verhalten hat. Als Erzbischof
von Buenos Aires und als Präsident der Redaktionsgruppe hat er mit anderen zusammen
das Schema, die Gliederung des Schlussdokumentes, erarbeitet. Die Methode war: Sehen,
urteilen, handeln. Das war eingenuiner Beitrag lateinamerikanischer Pastoral
für das Handeln derKirche, um sich immer wieder zu fragen: Was will Gott mir
in dieser Wirklichkeit eigentlich sagen?
Ich konnte damals einige Gespräche
mit Kardinal Bergoglio führen, etwa in den Kaffeepausen oder morgens früh beim Begrüßen.
Wenn ich ihn fragte, wie die Arbeit denn so laufe, strahlte er immer eine große Zufriedenheit
aus. Er legte Wert auf Partizipation aller Teilnehmenden bei dieser Vollversammlung
– nicht nur der Bischöfe, sondern eben auch der Gäste. Ich war zum Beispiel als Geschäftsführer
von Adveniat dort zu Gast. Er war immer bemüht, alle zu hören und den Beiträgen gegenüber
treu zu sein. Das ist, glaube ich, auch heute ein Punkt, der bei ihm deutlich wird:
Er geht auf die Menschen zu, möchte sie hören und möchte ihnen und Gott gegenüber
treu sein.“
„Forderungen der Demonstranten sind evangeliumsgemäß“
Welche
Probleme und Herausforderungen Lateinamerikas wird der Papst Ihrer Einschätzung nach
ansprechen? Was brennt ihm unter auf der Seele?
„Ich glaube, aufgrund auch
seiner Erfahrung als Erzbischof von BuenosAires und als jemand, der die Wirklichkeit
in Lateinamerika gut kennt, brennt ihm die Tatsache auf der Seele, dass es hier so
viele junge Menschen gibt, die relativ wenig Perspektiven haben für die Zukunft. Wir
nennen das in Europa das Problem der Arbeitslosigkeit; es ist in Lateinamerika ständiger
Begleiter der jungen Menschen. Sowohl derer, die eine Schul- oder Universitätsausbildung
haben, als auch der anderen. Sie alle müssen sehr intensiv darum kämpfen, dass sie
eine feste Stelle bekommen. Ich glaube, das ist ihm ein ganz wichtiges Anliegen, Perspektiven
für das Leben junger Menschen zu eröffnen. Ich kann mir gut vorstellen, dass er dies
mahnend der Regierung und der Wirtschaft, auch den Gewerkschaften, sagen wird: Dass
sie dafür eine große Verantwortung tragen.“
Die brasilianische Präsidentin
Dilma Roussef hat ja die Proteste der Jugend hier in Brasilien kurz vor Ankunft des
Papstes dann doch ganz positiv gewertet – sind das schöne Worte, oder wird sich jetzt
wirklich eine Perspektive ergeben für die jungen Brasilianer?
„Papst Franziskus
hat sich laut Zeitungsberichten intensiv über die Lage junger Menschen hier in Brasilien
informieren lassen, besonders durch den emeritierten Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal
Hummes. Und im Anschluss daran hat er ja geäußert, dass die Forderung der Demonstranten
hier in Brasilien evangeliumsgemäß seien. Ich halte das für eine ungeheure Äußerung,
zu sagen, politische Forderungen entsprächen dem Evangelium! Ich frage mich, welcher
Papst das in der Geschichte des letzten und des jetzigen Jahrhunderts getan hat…
Allerdings
haben wir als Kirche da eine Grenze: Wir können nur mahnen, können unsere Stimme prophetisch
erheben und den Mächtigen ins Gewissen reden aus einer ganz bestimmten Perspektive,
nämlich der Perspektive dieser jungen Menschen heraus. Ich glaube, das wird auf Dauer
Wirkung zeigen. Auch bei seinem Besuch in Lampedusa habe ich schon eine Wirkung festgestellt:
Er hat damit nochmals die politische Diskussion über die Behandlung von Flüchtlingen
in Europa in Gang gebracht. Wir meinten ja, wir könnten damit ganz gut umgehen, und
die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik war ja auch so ausgerichtet, dass die
Probleme in Afrika gelöst werden sollten und in Europa eben nicht. Durch diese Geste
hat er eine neue Debatte darüber ausgelöst, und das halte ich schon für einen ganz
wichtigen Schritt.“
Prälat Klaschka wird am Mittwoch mit Papst Franziskus
in Aparecida konzelebrieren – so wie schon vor sechs Jahren, unter anderen Umständen.