2013-07-20 15:33:03

Buchtipp: Die Gendarmen des Papstes


RealAudioMP3 Sie tragen keine farbenprächtige Uniform, für ein Touristen-Foto taugen die Männer kaum. So wundert es nicht, dass die vatikanische Gendarmerie in der Öffentlichkeit lange im Schatten der Schweizergarde stand - bis zur Vatileaks-Affäre. Ein neues Buch des Vatikan-Kenners Ulrich Nersinger erzählt nun erstmals die Geschichte der Gendarmerie von den Ursprüngen im 14. Jahrhundert bis zum Pontifikat von Franziskus. Ihr heutiges Revier erhielt die Gendarmerie im Jahr 1929 mit der Gründung des Vatikanstaates. Der erste Häftling im kleinsten Staat der Welt war 1930 ein Italiener, der mit einem Stock, an dem ein Stück Seife befestigt war, Münzen aus den Opferstöcken der Peterskirche geangelt hatte. Von anderem Kaliber war ein Bombenanschlag in der Vorhalle des Petersdoms, der die vatikanische Gendarmerie am 25. Juni 1933 in den Alarmzustand versetzte. Der Schaden war zum Glück gering. Als Motiv nannten die italienischen Täter die angeblich faschistenfreundliche Haltung des Heiligen Stuhls.

Im Zweiten Weltkrieg bewachten die Gendarmen vor allem das Gästehaus Santa Marta. Seit dem Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg waren hier die diplomatischen Vertretungen der Alliierten untergebracht. Der zunächst verantwortliche Gendarm stand allerdings unglücklicherweise zugleich in Diensten des italienischen Geheimdienstes.

Damals machte das Outfit der Gendarmerie noch wesentlich mehr her als heute: Mit ihren schmucken Galauniformen, die aus einer Bärenfellmütze mit rotem Federbusch, einer weißen Hirschleder-Hose sowie einer schwarzen Jacke bestand, die mit Epauletten, weißen Fransen, silberfarbenen Spiegeln und Schnüren verziert war, mussten sich die Gendarmen hinter keinem Schweizergardisten verstecken. Selbst der deutsche Kaiser Wilhelm II. lobte ihre Uniform 1888 als "eine der schönsten der Welt". Ein modisches Aggiornamento – sprich eine unauffälligere Uniform - folgte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Im Jahr 1970 wandelte Paul VI. (1963-1978) die Gendarmerie in eine zivile Polizeieinheit um.

Ins Rampenlicht mit der Vatileaks-Affäre
Worin unterscheidet sich die vatikanische Gendarmerie abgesehen von ihrer Uniform überhaupt von der Schweizergarde? Letztere ist die eigentliche Leibwache des Papstes. Die Rekruten aus dem Alpenland sind in erster Linie für dessen persönlichen Schutz sowie die Bewachung des Apostolischen Palastes zuständig, wie Nersinger erläutert. Die vatikanische Gendarmerie hingegen erfüllt Aufgaben einer Straßen, Justiz-, Grenz- und Zollpolizei.

Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat die vatikanische Gendarmerie erst mit der Vatileaks-Affäre. Vatikanische Gendarmen verhafteten im Mai 2012 den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele. Hätten sie den Dokumentklau nicht verhindern können? Nersinger verneint dies. Die Gendarmen könnten nicht wie ihre deutschen Kollegen den Koffer eines kirchlichen Würdenträgers durchsuchen.

„Professionelle Arbeit“
Der Generalinspekteur der Gendarmerie, Domenico Giani, der 2006 vom italienischen Geheimdienst in den Vatikan kam, blieb auch unter Franziskus Leibwächter des Papstes und ist während öffentlicher Auftritte dessen ständiger Begleiter. Für den promovierten Pädagogen und seine Mitarbeiter ist die Arbeit seit Franziskus Wahl nach Einschätzung Nersingers deutlich schwieriger geworden. Ein Papst, der häufig spontan seinen offenen Wagen verlässt, um Menschen persönlich zu begrüßen, ist zumindest aus Sicht eines Sicherheitsbeamten keine Idealbesetzung.

Ist der Papst ausreichend vor Terroranschlägen geschützt? Nersinger bescheinigt vatikanischer Gendarmerie und Schweizergarde eine "unbestritten gute und professionelle Arbeit". Diesen Eindruck vermittelt auch ein Foto, auf dem eine vermummtes mit kugelsicheren Sturmhauben und Westen sowie "Bushmaster Short Guns" ausgerüstete Anti-Terror-Einheit der Gendarmerie zu sehen ist. Das Sicherheitskonzept könnte jedoch nach Einschätzung des Vatikan-Kenners noch effektiver sein, wenn Gendarmerie und die Schweizergarde endlich ihre Rivalität beenden würden.

Ulrich Nersinger: Die Gendarmen des Papstes. Im Kampf gegen Räuber, Revolutionäre und Vatileaks, Verlag nova et vetera, Bonn 2013, 333 Seiten, 34 Euro.

(kna 20.07.2013 mg)







All the contents on this site are copyrighted ©.