Sie tragen keine farbenprächtige
Uniform, für ein Touristen-Foto taugen die Männer kaum. So wundert es nicht, dass
die vatikanische Gendarmerie in der Öffentlichkeit lange im Schatten der Schweizergarde
stand - bis zur Vatileaks-Affäre. Ein neues Buch des Vatikan-Kenners Ulrich Nersinger
erzählt nun erstmals die Geschichte der Gendarmerie von den Ursprüngen im 14. Jahrhundert
bis zum Pontifikat von Franziskus. Ihr heutiges Revier erhielt die Gendarmerie im
Jahr 1929 mit der Gründung des Vatikanstaates. Der erste Häftling im kleinsten Staat
der Welt war 1930 ein Italiener, der mit einem Stock, an dem ein Stück Seife befestigt
war, Münzen aus den Opferstöcken der Peterskirche geangelt hatte. Von anderem Kaliber
war ein Bombenanschlag in der Vorhalle des Petersdoms, der die vatikanische Gendarmerie
am 25. Juni 1933 in den Alarmzustand versetzte. Der Schaden war zum Glück gering.
Als Motiv nannten die italienischen Täter die angeblich faschistenfreundliche Haltung
des Heiligen Stuhls.
Im Zweiten Weltkrieg bewachten die Gendarmen vor allem
das Gästehaus Santa Marta. Seit dem Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg waren
hier die diplomatischen Vertretungen der Alliierten untergebracht. Der zunächst verantwortliche
Gendarm stand allerdings unglücklicherweise zugleich in Diensten des italienischen
Geheimdienstes.
Damals machte das Outfit der Gendarmerie noch wesentlich mehr
her als heute: Mit ihren schmucken Galauniformen, die aus einer Bärenfellmütze mit
rotem Federbusch, einer weißen Hirschleder-Hose sowie einer schwarzen Jacke bestand,
die mit Epauletten, weißen Fransen, silberfarbenen Spiegeln und Schnüren verziert
war, mussten sich die Gendarmen hinter keinem Schweizergardisten verstecken. Selbst
der deutsche Kaiser Wilhelm II. lobte ihre Uniform 1888 als "eine der schönsten der
Welt". Ein modisches Aggiornamento – sprich eine unauffälligere Uniform - folgte nach
dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Im Jahr 1970 wandelte Paul VI. (1963-1978)
die Gendarmerie in eine zivile Polizeieinheit um.
Ins Rampenlicht mit
der Vatileaks-Affäre Worin unterscheidet sich die vatikanische Gendarmerie
abgesehen von ihrer Uniform überhaupt von der Schweizergarde? Letztere ist die eigentliche
Leibwache des Papstes. Die Rekruten aus dem Alpenland sind in erster Linie für dessen
persönlichen Schutz sowie die Bewachung des Apostolischen Palastes zuständig, wie
Nersinger erläutert. Die vatikanische Gendarmerie hingegen erfüllt Aufgaben einer
Straßen, Justiz-, Grenz- und Zollpolizei.
Ins Rampenlicht der Öffentlichkeit
trat die vatikanische Gendarmerie erst mit der Vatileaks-Affäre. Vatikanische Gendarmen
verhafteten im Mai 2012 den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele. Hätten sie den
Dokumentklau nicht verhindern können? Nersinger verneint dies. Die Gendarmen könnten
nicht wie ihre deutschen Kollegen den Koffer eines kirchlichen Würdenträgers durchsuchen.
„Professionelle
Arbeit“ Der Generalinspekteur der Gendarmerie, Domenico Giani, der 2006
vom italienischen Geheimdienst in den Vatikan kam, blieb auch unter Franziskus Leibwächter
des Papstes und ist während öffentlicher Auftritte dessen ständiger Begleiter. Für
den promovierten Pädagogen und seine Mitarbeiter ist die Arbeit seit Franziskus Wahl
nach Einschätzung Nersingers deutlich schwieriger geworden. Ein Papst, der häufig
spontan seinen offenen Wagen verlässt, um Menschen persönlich zu begrüßen, ist zumindest
aus Sicht eines Sicherheitsbeamten keine Idealbesetzung.
Ist der Papst ausreichend
vor Terroranschlägen geschützt? Nersinger bescheinigt vatikanischer Gendarmerie und
Schweizergarde eine "unbestritten gute und professionelle Arbeit". Diesen Eindruck
vermittelt auch ein Foto, auf dem eine vermummtes mit kugelsicheren Sturmhauben und
Westen sowie "Bushmaster Short Guns" ausgerüstete Anti-Terror-Einheit der Gendarmerie
zu sehen ist. Das Sicherheitskonzept könnte jedoch nach Einschätzung des Vatikan-Kenners
noch effektiver sein, wenn Gendarmerie und die Schweizergarde endlich ihre Rivalität
beenden würden.
Ulrich Nersinger: Die Gendarmen des Papstes. Im Kampf gegen
Räuber, Revolutionäre und Vatileaks, Verlag nova et vetera, Bonn 2013, 333 Seiten,
34 Euro.