Während in Ägypten
die Vereidigung des Übergangskabinetts des Interims-Premierministers Hazem el-Beblawi
erwartet wird, rufen die Muslimbrüder weiter zu Protesten auf, um eine Wiedereinsetzung
ihres Präsidenten Mohammed Mursi zu erreichen. In den vergangenen Tagen war es im
Verlauf der Demonstrationen zu mehr als 100 Toten gekommen; ein Ende der Aufstände
scheint nicht in Sicht zu sein, auch wenn führende Muslimbrüder, die sich nach wie
vor dem Dialog mit der neuen Regierung verweigern, zu „friedlichen Protesten“ aufrufen.
Kyrillos William ist der katholische Bischof von Assiut. Trotz aller Wirren durch
den Umsturz spricht er von einem „Wunder“, auf das die Bevölkerung Ägyptens so nicht
zu hoffen gewagt hätte. Das Militär habe richtig gehandelt, so Kyrillos, denn die
überwältigende Mehrheit des Volkes hätte klar und deutlich zum Ausdruck gebracht,
dass es die Wahl Mursis aufgrund der Entwicklungen des vergangenen Jahres nicht mehr
anerkenne. Auch die Christen stünden hinter der neuen Regierung:
„Die Christen,
wie zahlreiche Ägypter, sind der Auffassung, dass sie nun endlich ein neues Ägypten
aufbauen können – demokratischer, freier und für alle Menschen. Alle sagen, dabei
wird keiner ausgeschlossen, auch die Islamisten nicht. Aber es sind die Islamisten,
die nicht mitmachen wollen.“
Das Militär hätte von Anfang an klar gemacht,
dass es dieses Mal die Macht nicht für sich selbst beanspruchen wolle. Dazu diente
auch der demonstrative Schulterschluss mit allen religiösen und zivilen Autoritäten
des Landes, wie er bei den ersten Runden Tischen deutlich wurde, an denen neben Koptenpapst
Tawadros und dem Vorsteher der Al Azhar-Universität Al Tayyeb auch Vertreter aller
Parteien und Altersgruppen teilgenommen hätten. Sorge machten nun nur noch die Muslimbrüder,
die nach wie vor für eine Wiedereinsetzung Mursis protestieren.
„Viele kluge
Menschen, auch einige unter den Islamisten selbst, versuchen sie dahingehend zu beraten,
aufzugeben. Aber es bringt nichts, denn sie haben den Traum von einem islamischen
Staat mit den Dummheiten, die sie in diesem Jahr angestellt haben, verdorben. Ich
glaube, jetzt mit der neuen Regierung – heute oder morgen werden die neuen Minister
vorgestellt – können wir langsam die neue Verfassung angehen und ein Referendum einberufen.
Innerhalb von sechs Monaten sollen dann die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen
stattfinden.“
Glücklicherweise hätten sich die Beziehungen zwischen Militär,
Polizei und Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Umsturz deutlich verbessert, so dass
auch eventuelle Gewaltausbrüche der Muslimbrüder unter Kontrolle seien, so Kyrillos.
Die Gefahr, dass die Muslimbrüder erneut vor allem in ländlichen Gebieten mit einer
hohen Analphabetismusrate massive Stimmen erhalten und erneut an die Regierung zurückkehren
könnten, sieht der Bischof jedenfalls durch die Ereignisse des vergangenen Jahres
gebannt:
„Sie haben nun keinen Konsens mehr in der Bevölkerung, viele,
die sie gewählt haben, würden sie nie mehr wählen. Das sagen sie auch öffentlich,
unter ihnen auch viele Muslime. Denn sie haben entdeckt, dass die Muslimbrüder die
Religion als Chance für sich selbst ausgenützt haben, aber letztlich gegen die Religion
regiert haben.“
Trotz aller Euphorie in der Bevölkerung: Der rechtmäßig
gewählte Präsident Mohammed Mursi ist gewaltsam abgesetzt worden und sitzt nun in
einer Militärkaserne unter Hausarrest. Einflussreiche internationale Stimmen – unter
ihnen der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, aber auch die Vereinigten Staaten
– fordern nun zunehmend seine Freilassung. Damit ist Kyrillos nicht einverstanden:
„Er ist zu seiner eigenen Sicherheit in einer Militärstation untergebracht,
wo er ihn allen Ehren gehalten wird wie zu Hause. Er kann nur nicht in Freiheit bleiben,
weil mittlerweile vieles gegen ihn vorliegt. Er wird nun vor Gericht gebracht und
wenn er unschuldig ist, wird er freigelassen werden, ansonsten wird er bestraft werden.“