Unser Buchtipp: Die Schlafwandler. Wie Europa 1914 in den Krieg zog
Christopher Clark:
Die Schlafwandler: Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Eine Besprechung von Pater
Bernd Hagenkord
In genau einem Jahr werden wir alle im Gedächtnis stecken,
dann wird der Beginn des Großen Krieges, des ersten Weltkrieges, einhundert Jahre
her sein. Wer sich bei den zu erwartenden Reden, Büchern, TV-Beiträgen und all dem
anderen zurecht finden will, der bereite sich besser schon jetzt vor. Zum Beispiel
mit dem Buch von Christopher Clark, das auf Englisch bereits erschienen ist, auf Deutsch
ab September erhältlich ist. Barbara Tuchmann hatte mit „The Guns of August“ in den
60er Jahren ein bahnbrechendes Buch vorgelegt, ähnlich bedeutsam ist nun Clarks Werk,
wenn auch ganz anders angelegt. Clark informiert umfassend. All die Dinge, die
in Schule und TV-Dokumentation verbreitet werden kommen auf den Prüfstand und werden
meistens für zu leicht befunden. Was zum Beispiel hat China mit dem Ringen der Mächte
in Europa zu tun? Warum war die Entente aus Frankreich, Großbritannien und Russland
nicht gegen das Reich gerichtet? Worin bestand die deutsche Torheit eigentlich genau?
Wo waren die Fehler auf der anderen Seite? Alles Fragen quasi mit dem Weitwinkelobjektiv
gestellt. Ganz hervorragend schafft es Clark hier, die verschiedenen diplomatischen
und politischen Denkweisen zu analysieren und für heute verstehbar zu machen. Aber
auch das Teleobjektiv kommt nicht zu kurz: Ausführlich wird zum Beispiel die Situation
auf dem Balkan ausgeleuchtet, die handelnden Figuren wie auch die wirtschaftlichen
und sozialen Bedingungen, unter denen sich Europa auf den Krieg zu bewegte. Der Nationalismus
blickt uns hier sehr deutlich ins Gesicht. Von den lieben Vorurteilen bleibt nicht
viel übrig: Weder ist die Kriegsschuld eindeutig wie es uns meistens scheint noch
sind die Gründe für die Unausweichlichkeit des Krieges einfach zu benennen. Dass man
es trotzdem schaffen kann, das beweist Clark. Ausführlich, unaufgeregt, präzise und
dazu noch ganz ausgezeichnet geschrieben. Ein umfassendes Buch, aber das ist dem
Krieg, der Europa und die Welt verändern sollte wie vielleicht nur der 30-jährige
Krieg vor ihm, auch angemessen.
Das Buch wird in der Deutschen Verlangs-Anstalt
im September 2013 erscheinen und etwa 40 € kosten.