Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider,
hat das umstrittene EKD-Familienpapier gegen Kritik verteidigt. Er halte den Text
nicht für einen Bruch mit der bisherigen Haltung der Kirche, so Schneider in der Samstagsausgabe
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Manche Formulierung habe möglicherweise diesen
Eindruck erwecken können, erklärte der Ratsvorsitzende. „Aber es geht uns gerade um
ein Festhalten an der Ehe und ein Ausweiten ihrer entscheidenden Werte auf andere
Formen von Familie.“
Das 160 Seiten zählende Dokument trägt den Titel „Zwischen
Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“. In dem
Papier plädiert die EKD für einen „erweiterten Familienbegriff“, in dem die Ehe nicht
mehr notwendigerweise Voraussetzung für Elternschaft ist. Dies müsse auch „in der
Kirche wahrgenommen und in das kirchliche Handeln einbezogen werden“. So solle die
Kirche auch homosexuellen Paaren den Segen „nicht Verweigern“. Kritik an dem Dokument
kam von der katholischen Kirche und vom Koordinationsrat der Muslime in Deutschland,
aber auch aus protestantischen Kreisen.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner
hatte erklärt, er habe das Dokument „nicht ohne Erschütterung“ zur Kenntnis genommen.
Es rede „der Beliebigkeit und Relativierung von Ehe und Familie das Wort“. Ähnlich
äußerte sich der Vorsitzende der Familienkommission der Deutschen Bischofskonferenz,
der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Die deutschen Bischöfe seien sehr
besorgt, wie in einem offiziellen EKD-Text „eine Relativierung der lebenslang in Treue
gelebten Ehe erfolgt“. Der evangelische Landesbischof Otfried July kritisierte, der
institutionelle Aspekt der Ehe werde „fast lautlos aufgegeben oder pauschal zurückgewiesen“.
Den
Wunsch nach mehr innerkirchlichen Beratungen, wie ihn July geäußert hatte, wies Schneider
zurück. „Es wäre sehr unpraktisch, wenn die Arbeitsergebnisse einer EKD-Kommission
vor ihrer Veröffentlichung von allen Landeskirchen freigegeben werden müssten.“ Zugleich
räumte der Ratsvorsitzende den Bischöfen gegenüber Defizite in der Kommunikation ein:
„Sie hätten früher informiert werden sollen.“ Zur Zusammensetzung der Autoren, die
das Papier erarbeitet hatten, sagte Schneider der Zeitung: „Die Kritik hat bei mir
den Gedanken angestoßen, künftige Kommissionen um eine oder einen fachkundigen Bibelwissenschaftler
zu ergänzen.“