In Kairo haben gewaltbereite
Demonstranten den Hauptsitz der Regierungspartei der Muslimbrüder angegriffen. Das
Gebäude ging laut Medienangaben in Flammen auf, Augenzeugenberichten zufolge waren
zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Menschen mehr in dem Gebäude. Vertreter der friedlichen
Protestbewegung „Tamarod“ stellten Präsident Mohammed Mursi unterdessen ein Ultimatum,
am Dienstag bis 17.00 Uhr Ortszeit zurückzutreten. Die Bewegung drohte mit zivilem
Ungehorsam, sollte Mursi nicht einlenken. Die „Tamarod“-Bewegung, die sich keiner
Oppositionsgruppe zuordnen will, aber von diesen unterstützt wird, erhielt seit Mai
2013 laut eigenen Angaben Unterschriften von 22 Millionen ägyptischen Bürgern. „Tamarod“,
was übersetzt „Rebellion“ oder „rebelliere“ heißt, fordert vorgezogene Präsidentschaftswahlen.
Doch Mursi will davon bislang nichts wissen und beruft sich auf seine demokratische
Wahl zum Präsidenten.
Jesuitenpater Samir Khalil Samir ist Berater des Vatikan
in Islamfragen und stammt selbst aus Ägypten. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagt Samir,
er könne nur hoffen, dass Mursi sich angesichts des Ultimatums einsichtig zeige:
„Ich
glaube, es gibt nun eine Konfrontation - entweder lenkt Mursi ein und sagt: ,ok, ich
bin nicht fähig, wir machen eine neue Wahl und wer kommt, kommt’, oder er sagt – und
das ist momentan seine Meinung - ,nein, ich bleibe, denn ich bin demokratisch gewählt.’
Aber er ist demokratisch ungeliebt, und das ist auch eine Tatsache. Deshalb wäre eine
neue Wahl am vernünftigsten.“
Die rund 20 Millionen Menschen, die sich
mit ihrer Unterschrift für Neuwahlen ausgesprochen hätten, seien nicht wenige. Umso
mehr, als das Versagen der Verwaltung Mursi sich auch in der Besetzung seiner Mitarbeiter
niederschlage, die exklusiv aus den Reihen der Muslimbruderschaft kommen – das Land
stehe deswegen kulturell, politisch und wirtschaftlich vor einem Kollaps, so Pater
Samir. Sollte es nicht zu Neuwahlen kommen, könnten die Ereignisse weiter eskalieren:
„Sonst
bedeutet es, dass die Konfrontation jede Woche stärker wird, und die Polizei heftiger
handeln wird. Es ist nicht normal bei uns in Ägypten, dass die Menschen bis zum Tod
kämpfen, die Ägypter sind ruhige Leute, sie haben keine echten Waffen, und dennoch
sind nun acht gestorben.“
Zwar gebe es keine Lichtgestalt, die sich als
natürliche Ablöse Mursis bei Neuwahlen aufdrängen würde. Andererseits zeige sich die
Opposition im Verlauf der jüngsten Ereignisse immer kompakter, was Hoffnung auf einen
möglichen Wechsel mache:
„Es gibt sicher andere Leute, die Erfahrung mitbringen.
Es ist zwar nicht sicher, ob sie die Situation verbessern werden, aber es ist doch
möglich. Die Menschen haben seit einem Jahr erfahren, dass dieser Präsident es nicht
schafft. Ich glaube, die Menschen sind müde. Das dauert seit Monaten, und die Antwort
ist nur Gefängnis und Gewalt, er diskutiert nichts und er macht neue Fehler.“