Ägypten: Institut für islamisch-christlichen Dialog feiert 60. Jahrestag
Eine der ältesten und wichtigsten Dialog-Institutionen der katholischen Kirche, das
„Institut Dominicain d'Etudes Orientales“ (IDEO) in Kairo, feiert dieses Jahr sein
60-jähriges Bestehen. Am Auftakt der Festfeiern in der ägyptischen Metropole Mitte
Juni nahmen der koptische Papst-Patriarch Tawadros II., der Großimam der Al-Azhar-Universität,
Ahmed Al-Tayeb, die katholischen Bischöfe Ägyptens und Vertreter des Dominikanerordens
teil. Der Koptenpapst hatte in seiner Ansprache betont, er sei stolz darauf, dass
„in unserem Land ein Institut dieses Kalibers existiert, das die islamische und die
christliche Kultur verbindet“. Dem stimmte Mahmoud Azab, ein Berater des Großimams,
bei. IDEO sei „eine Zitadelle des Wissens” im Dienste eines „Dialogs über gemeinsame
Werte”.
Das 1953 von den Dominikanern eröffnete Institut gilt allgemein als
einer der Knotenpunkte des christlich-islamischen Dialogs. Der Direktor des Instituts,
Pater Jean Jacques Pérennès, erklärt im Interview mit Radio Vatikan:
„Das
Dominikanische Institut für orientalische Studien ist offiziell im Jahr 1953 gegründet
worden. Doch einige Dominikanerpatres haben bereits seit den 40er Jahren den Islam
studiert. Gegen Ende der 40er Jahre hat der Heilige Stuhl dann die Notwendigkeit gesehen,
ein kulturelles Studienzentrum zu schaffen, denn man hatte beobachtet, dass der religiöse
Dialog sehr schwierig war. Da man jedoch auf kultureller Ebene vieles gemeinsam hatte,
hat der Dominikanerorden den Vorschlag des Heiligen Stuhles angenommen, so dass wir
vor 60 Jahren dieses Studienzentrum für den Islam geschaffen haben.“
Am
Institut tätig ist eine Gruppe von zehn bis zwölf Dominikanern, die mit der arabischen
Sprache vertraut sind und Doktorate in diesem Feld vorweisen können, außerdem eine
Gruppe von Forschern. Es sei während dieser langen Jahre aber vor allem gelungen,
ein Klima der interreligiösen und interkulturellen Freundschaft zu schaffen, das heute
von großem Nutzen sei. Vor allem die Bibliothek sei von unschätzbarem Wert für den
Austausch, denn zahlreiche Studenten der renommierten islamischen Al-Azhar-Universität
nutzten sie für ihre Studien:
„Wir haben 155.000 Bände und auch viele Zeitschriften.
Die registrierten Studenten für dieses Jahr sind etwas mehr als 4.000, doch das bedeutet
nicht, dass sie jeden Tag hier sind. Dafür haben wir gar nicht den Platz. Täglich
haben wir etwa 15, 18, 20 oder manchmal 25 von ihnen. Es sind Forscher, die ihren
Master oder ihr Doktorat machen. Viele kommen von der Al-Azhar, aber auch von anderen
Kairoer Universitäten. Wir haben auch Professoren, die von auswärts kommen – einige
aus Italien, aber auch aus Frankreich und den Vereinigten Staaten, die wissen, dass
wir diese wunderbare Bibliothek haben, in der sie Dokumente finden, die sie für ihre
Arbeit benötigen.“
Die Universität sei für alle offen, unabhängig von Geschlecht,
Religionszugehörigkeit oder politischer Einstellung, wie es der Respekt der akademischen
Regeln gebiete. So könne man beispielsweise Salafisten neben unverschleierten Frauen
studieren sehen. Die jüngsten politischen Veränderungen in Ägypten hätten die Aktivitäten
des IDEO bisher nicht beeinträchtigt. Als Ausländer hätten sich die Dominikaner in
der politischen Debatte und bei den Demonstrationen zurückgehalten, aber sie seien
in vielen Milieus gut vernetzt. Auch für die Zukunft habe man noch viel vor, so der
Rektor des Studienzentrums:
„Der Plan ist, weiterhin in diesem vertrauensvollen
Klima zusammenzuarbeiten. Das ist eine Herausforderung heute, denn nach dem ,Arabischen
Frühling´, seit die Muslimbrüder an der Regierung sind, herrscht einige Angst, manch
einer hat Angst vor der Zukunft. Wir wollen aber denken, dass es möglich ist, weiterhin
zusammen zu arbeiten, zu leben, und wahres Vertrauen zueinander zu entwickeln.“
Hintergrund
Der
im Jahr 1216 vom Heiligen Dominikus gegründete Prediger-Orden ist seit dem Mittelalter
im Nahen Osten präsent. 1938 hatte der Vatikan die Dominikaner von Jerusalem beauftragt,
den islamischen Glauben zu studieren und die Kirche mit der islamischen Weltanschauung
bekannt zu machen.
Erster Direktor des Dominikanischen Instituts für Orientalische
Studien in Kairo wurde der ägyptische Dominikaner P. Georges Anawati (1905-1994),
einer der großen Pioniere des christlich-islamischen Dialogs. Der Ordenstheologe,
der von der Orthodoxie zum Katholizismus konvertiert war, hatte entscheidenden Einfluss
auf Formulierungen der Konzilserklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der katholischen
Kirche zu den nichtchristlichen Religionen.