Menschen in der Zeit: Lisi Meier: ‚katholisch – politisch – aktiv’
Lisi Maier – 28 Jahre
alt - stammt aus München und ist seit einem Jahr Bundesvorsitzende des Bundes der
katholischen Jugend, dem Dachverband aller katholischen Jugendverbände und Organisationen,
wie zum Beispiel die Pfadfinder, die katholische Junge Gemeinde, die Kolpingjugend
oder die katholische Landjugend. Insgesamt sind 660.000 Jugendliche im Bund organisiert.
Bevor Lisi Maier hauptberuflich den Vorsitz übernahm, war sie Politik-Lehrerin in
Bayern. Ihre Schwerpunktthemen sind Jugend-Mädchen- und Frauenpolitik. Jetzt vertritt
Lisi Maier die Interessen der Jugend im politischen Berlin. Im Gespräch mit Aldo Parmeggiani
berichtet Sie über ihr Amt.
Was hat Sie denn – Lisi Maier – hauptsächlich
angetrieben zu diesem sicherlich nicht leichtem Beruf einer Bundesvorsitzenden, die
in Kommissionen des Bundestags, in Gesprächen mit Abgeordneten, in Zusammenarbeit
mit verschiedenen Ministerien, versucht, die Jugend in den politischen Prozess mit
einzubinden?
„Ich bin schon seit vielen Jahren ehrenamtlich aktiv gewesen
in katholischen Jugendverbänden, insbesondere in der Kolpingjugend, in meinem Heimatverband
war ich viele Jahre aktiv und dann eben auch im BDKJ, also im Dachverband des Bundes
der Deutschen Katholischen Jugend, und habe mich immer schon aus meinem Glauben heraus
stückweit angetrieben gefühlt, dass wir auch als junge Generation uns einmischen in
den politischen Prozess.”
Welche Menschen oder welche besonderen Ereignisse
waren für Ihren eigenen bisherigen Lebensweg von entscheidender Bedeutung?
„Interessanterweise
sind es viele Männer und Frauen, die ich über die Verbandsarbeit kennen lernen durfte
– das ist sowohl ein Priester, der mich früher begleitet hat auf meinem Weg, auf der
Glaubenssuche, Sinnsuche auch ein stückweit und ein Pastoralreferent, der mich ganz
stark begleitet hat aber auch Frauen, dynamische Frauen, die ich in den Verbänden
kennen lernen durfte und mit denen ich viel gestalten durfte in Kirche und Gesellschaft.
Das war für mich sehr wertvoll.”
Wie sah es denn in Ihrem Elterhaus aus?
„Meine
Eltern sind sehr bewegte Menschen, beide sind sehr engagiert, politisch und auch in
der Kirche. Dadurch war schon früh ein Grundstein gelegt, mich im kirchlichem Engagement
einzubinden , sowie ich das immer wollte und auch machen konnte. Sie haben mich unterstützt
bei meinen Tätigkeiten durch Pfarrtätigkeiten wie ich noch jünger war, und später
natürlich auch immer ideell, dass sie das, was ich begonnen habe, vor allem in ehrenamtlicher
Zeit im Beruf, Schule, Studium geleistet habe, dass sie das immer für gut befunden
haben und mich immer unterstützt haben.”
Jugend ist das Synonym für Aufbruch,
für das Neue und für den Wandel in der Gesellschaft. Welche sind die Ideale der Jugend
von heute? Hat sie überhaupt noch Ideale?
„Ich glaube schon, dass die Jugendlichen
von heute viele Ideale in sich tragen, insbesondere in unseren Verbänden spüren Sie
immer, dass sie großes Bedürfnis haben nach einer solidarischen Gesellschaft, einer
solidarischen Gesellschaft in Deutschland, aber auch in Europa, und dass es sie umtreibt,
wenn diese Solidarität nicht gelebt wird, wenn durch platte Attitüden Menschen in
ihrer Menschwürde nicht wahrgenommen werden. Das sind schon Themen, die junge Menschen
heute bewegen, dass sie sich ein stückweit auch stärker einsetzen möchten für eine
solidarische Gesellschaft, jetzt und in der Zukunft.”
Mit welchen Zielen,
welchen Wünschen, aber auch Ängsten geht die katholische Jugend ins 21. Jahrhundert?
Junge Menschen haben das Bedürfnis, die Welt nach ihren Vorstellungen zu verändern.
Sie Frau Maier sind an der Schaltstelle, die Bundesrepublik darüber zu unterrichten,
was Jugendliche wollen. Wie sehen diese Lebensentwürfe der Jugendlichen aus?
„Viele
junge Menschen sehen sich insbesondere im Berufseinstieg konfrontiert mit Situationen
mit prekärer Beschäftigung - das ist sicherlich in manchen europäischen Staaten noch
ein stückweit stärker wie in Deutschland – dennoch ist es auch so, dass viele Jugendliche
und junge Erwachsene in Deutschland Zukunftsängste umtreiben, wenn sie in den Beruf
einsteigen, wenn sie während der Schule auch ganz viel Druck erfahren, während ihrer
Schulzeit, während ihrer Studienzeit, dass alles ganz schnell passieren muss, das
ganz schnelle Abschlüsse passieren müssen. Wenn man sozusagen die Leistungen nicht
erbringen kann zu einem gewissen Zeitpunkt, dass dann das Leben einen negativen Verlauf
nimmt. Das sind Ängste, die die jungen Menschen umtreiben. Das ist auch etwas, was
wir wiederum spiegeln an die Bundesregierung, dass es wichtig ist, dass junge Menschen
auch Freiräume haben zur Persönlichkeits-Entwicklung. Dass ein stückweit Druck aus
dem System heraus genommen werden muss insbesondere aus dem Bildungssystem. Und dass
wir auch als junge Generation uns wünschen, dass unsere Zukunft auch abgesichert ist,
weil momentan mit sehr düsteren Prognosen die Zukunft beschrieben wird. Ich glaube,
es ist auch wichtig, dass wir eine gerechte Gesellschaft auch in der Zukunft haben
werden, eine gerechtere Gesellschaft, wo jung und alt zusammenleben aber auch eine
gerechte Gesellschaft, die die Schere zwischen reich und arm nicht weiter auseinander
klaffen lässt, sondern die das wieder stärker zusammenführt. Dass eben die großen
Unterschiede zwischen arm und reich, die sich in den letzten Jahren noch einmal stärker
entwickelt haben, nicht in diesem Ausmaße weitergehen.”
Der Bund der Deutschen
Katholischen Jugend ist der Dachverband von 16 katholischen Jugenverbänden und Organisationen.
Seine wichtigste Aufgabe besteht in der Interessenvertretung seiner Mitglieder in
Politik, Kirche und Gesellschaft. Beginnen wir mit der Politik: Als Bundesvorsitzende
fordern Sie, dass junge Menschen sich auch an der Politik beteiligen, die aber keine
Parteipolitik ist. Wie sieht so ein Prozess aus?
„Beispielsweise wünschen
wir uns auch noch einmal ganz stark, dass junge Menschen vor Ort sich beteiligen können
an politischen Entscheidungen, zwischen politischen Prozessen, insbesondere wenn es
darum geht, dass Bauplanungen stattfinden, dass Verkehrsplanungen stattfinden. Wir
glauben, dass junge Menschen genauso auch die Möglichkeit haben sollen mit zu entscheiden,
wo ein Jugendzentrum eröffnet werden soll, wo ein Spielplatz errichtet wird, und dass
nicht die Jugendinteressen immer hinten anstehen und gegenüber wirtschaftlichen Interessen
einen Nachrang erhalten. Für uns ist es auch noch einmal ganz wichtig, dass wir sagen,
wir haben in den Verbänden Ideen, wir haben in der Verbänden Visionen wie eine gute
Politik auch funktionieren kann. Und dass ist sozusagen noch einmal meine Schnittstelle,
wo ich dafür zuständig bin, diese Interessen Abgeordneten oder Ministerien darzustellen.”
Würden
Sie den Satz, den ich jetzt zitiere, auch unterschreiben? Politik vermag nicht alles:
wir befinden uns alle in den Händen etwas Höherem und Größerem?
„Ich glaube,
das muss man ein stückweit differenziert betrachten: es ist richtig, dass Politik
sicherlich nicht alles vermag, aber ich glaube, dass wir als Kinder Gottes auch ein
stückweit hier auf Erden sind, um unsere Gesellschaft zu gestalten und um unsere Gesellschaft
gerecht zu gestalten nach einem christlichen Ideal. Das ist uns ein Antrieb.”
Über
die Jugendverbände sind rund 660.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter
zwischen 7 und 28 Jahren organisiert. Wie wirkt sich das langfristig auf das Leben
in der Kirche aus?
„Wir sehen uns ja auch als Teil der Kirche in den Jugendverbänden,
wir leben Kirche und wir sind ein Teil unserer Kirche und wir wünschen uns natürlich
auch, dass unsere Ideen und Interessen, die wir in unsere Kirche mit einbringen, dass
diese auch aufgenommen werden und dass wir gemeinsam diese Kirche gestalten können.”
Dritter
Punkt: die Gesellschaft. Der Bund der Deutschen katholischen Jugend engagiert sich
bei Aufbau und Mitgestaltung eines demokratischen Gemeinwesens in christlicher, sozialer
Verantwortung. Was bedeutet dies genau?
„Auf der einen Seite ist es so,
dass wir in unseren Gruppenstunden vor Ort in den Freizeiten hier jungen Menschen
ermöglichen möchten, dass sie sich beteiligen können, Demokratie erlernen, an konkreten
Beispielen mitentscheiden können, mitbestimmen können bei den Veranstaltungen, und
wir wünschen uns, dass wir durch unsere Aktionen und durch unsere Veranstaltungen
auch die Möglichkeit haben, mündige Bürgerinnen und Bürger zu erlangen, die auch eine
Verantwortung über diese Gesellschaft übernehmen. Nicht nur jetzt, sondern auch in
Zukunft. Im Juni – vom 13.-16. Juni – macht der BDJK bundesweit eine 72-Stundenaktion
mit fast 4000 Gruppen in ganz Deutschland und vielen tausend Jugendlichen, die sich
engagieren,. In 72 Stunden werden sie die Welt ein stückweit besser machen, und werden
dabei nochmals zeigen, wie man die Gesellschaft besser machen kann durch das Engagement,
durch das ehrenamtliche Engagement vieler, vieler tausend Jugendlicher.”
‚Mit
Visionen und Tatkraft für eine bessere Zukunft der Gesellschaft’? Könnte ungefähr
so ein Slogan des BDKJ lauten?
„Ja, das könnte ein Slogan von uns sein.
Aber was wir von uns aus als Slogan herausgegriffen haben ist: ‘katholisch, politisch,
aktiv,’ weil uns der Glaube wichtig ist, weil uns das politische Engagement wichtig
ist und weil wir die beiden aktiv in die Gesellschaft mit einbringen möchten.“
Der
Vorstand des BDKJ arbeitet an den Themenbereichen Jugendpolitik in Deutschland, Kirchenpolitik,
Freiwilligendienst, Jugendarbeitslosigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Frauen - und
Mädchenpolitik, ja, weht dieses palettenreiche Angebot auch über Deutschland hinaus
in Richtung Europa?
„Ja, wir haben auch einen Bereich Europa. Insbesondere
beschäftigen wir uns damit wie eine europäische Jugend in der Gesellschaft aussehen
kann, wir sehen mit dem europäischen Gedanken – dazu haben unsere Mitgliedsverbände
nochmals sehr bewusst sich dazu entschieden - vor einigen Jahren und wir möchten gemeinsam
an diesem Europa mitbauen. Unsere Mitgliedsverbände haben auch Kontakt zu anderen
katholischen Verbänden und Organisationen in ganz Europa und wir sehen es als wichtiges
Zeichen an, hier stärker zusammen zu wachsen.”
In 60 Tagen beginnt
der 28. Weltjugendtag im brasilianischen Rio de Janeiro. Papst Franziskus und mehr
als 2 Millionen Jugendliche werden daran teilnehmen. Aus Deutschland reisen 2000
Jugendliche und junge Erwachsene sowie 13 Bischöfe an den Zuckerhut. Worin liegt der
wahre Sinn und Wert der von Papst Johannes Paul II. eingeführten internationalen Weltjugendtage?
„Ich
glaube, was wichtig ist an diesen Weltjugendtagen ist, dass wir auch sehen, dass wir
zusammen kommen, weil wir eine Weltkirche sind. Und weil wir die Möglichkeit haben,
hier auch noch einmal mit jungen Gläubigen aus allen Nationen dieser Erde zusammen
zu kommen und gemeinsam Glaube zu feiern.”
Eine letzte Frage: wie nimmt
Deutschland, zumal die jungen deutschen Katholiken, den neuen Papst Franziskus wahr,
wie nimmt sie ihn auf?
„Ich glaube, dass die jungen Katholiken und Katholikinnen
in Deutschland ein sehr positives Bild vom neuen Papst haben; Ihnen imponiert vor
allem seine Gesten, seine demütigen Gesten, die er zu Beginn gezeigt hat, und dass
sie sich ihm sehr nahe fühlen. Weil er eine sehr menschliche Seite zeigt. Und ich
glaube, dass dies den jungen Katholikinnen und Katholiken in Deutschland einen großen
Eindruck gemacht hat. Ich weiß aber auch, dass viele junge Menschen in Deutschland
es als sehr wichtig empfinden, was Priester direkt vor Ort aktiv einbringen. Es sind
ja die ersten Menschen, mit denen sie in Kontakt kommen.“