„Wir sind keine Bank“: IOR – Präsident von Freyberg im Interview
Sein Traum ist, dass
die Vatikanbank keine Aufmerksamkeit mehr auf sich zieht. So beschreibt der neue Präsident
des Aufsichtsrates, Ernst von Freyberg, im Interview mit Radio Vatikan seine Vision.
Seit dem 15. Februar leitet er das IOR, das Istituto per le Opere di Religione, in
deutscher Übersetzung das ‚Institut für Religiöse Werke’.
„Es ist ein großes
Privileg, hier zu arbeiten. Und es ist eine große Herausforderung, dem Papst dabei
zu helfen, die Reputation dieses Institutes wieder herzustellen.“ In aller Kürze beschreibt
Ernst von Freyberg seine Sicht auf die Aufgabe. Zuvor saß er von Frankfurt aus im
Aufsichtsrat verschiedener Firmen, unter anderem ist der Malteserritter Aufsichtsratsvorsitzender
von Blohm+Voss. Nach einem langen und ausführlichen Auswahlverfahren ausgesucht, ist
er nun Präsident des Aufsichtsrates des IOR, vereinfachend manchmal schlicht „Vatikanbank“
genannt.
Herr von Freyberg, Wie haben Sie sich Ihre Arbeit vorgestellt,
bevor Sie hierherkamen?
„Anders, als sie tatsächlich ist. Als ich herkam,
dachte ich, dass ich vor allem tun müsste, was man allgemein als ‚Aufräumen’ bezeichnet,
und dass ich mit unvorschriftsmäßigen Konten umgehen müsste. Aber davon kann ich –
bis jetzt – nichts entdecken. Das heißt zwar nicht, dass es das nicht gibt, aber es
meint, dass es wichtigere Dinge gibt. Die wichtigste Aufgabe betrifft unsere Reputation.
Unsere Arbeit – meine Arbeit – ist viel mehr Kommunikation, als ich das gedacht hatte.
Vor allem ist es mehr Kommunikation innerhalb der Kirche; davon haben wir in der Vergangenheit
nicht genug gehabt. Wir schulden der Kirche Transparenz und eine gute Erklärung dessen,
was wir tun und wie wir zu Diensten zu sein versuchen.“
Wie kommt es, dass
jemand wie Sie, mit Ihrer Erfahrung, nach all den Geschichten und der Vergangenheit,
ausgerechnet für die Bank des Vatikan arbeiten möchte?
„Das kann man nicht
wollen. Es ist nicht so, dass man zu Hause sitzt und davon träumt. Selbst während
der Einstellungsgespräche sagt man sich nicht: ‚Ich will das unbedingt machen’. Wenn
man dazu berufen wird, dann nimmt man das gerne an, das gilt für mich, wie für die
anderen Kandidaten, die für diese Position in Frage kamen. Ich habe dann hier festgestellt,
dass es eine gute Erfahrung ist und viel weniger mit Komplikationen und internen Problemen
belastet, als man von außen annehmen würde.“
Kommunikation gehört zu
den Hauptaufgaben
Wie sieht so ein normaler Arbeitstag aus? Wenn
wir hier aus Ihrem Fenster sehen, schauen wir auf den Petersplatz; ich nehme also
einmal an, dass die Arbeit sehr verschieden ist von Ihrer Arbeit in Frankfurt.
„Ein
normaler Tag beginnt recht außergewöhnlich, denn ich habe das Privileg, in Santa Marta
zu wohnen und deswegen ab und zu die Gelegenheit, bei den Messfeiern mit Papst Franziskus
dabei zu sein. Das ist schon ein Privileg, morgens um sieben Uhr dabei zu sein und
seinen kurzen und immer treffenden Predigten zuzuhören. Dann ist mein Tag nach
Projekten geordnet. Ich bin ein Fan davon, Aufgaben systematisch in Projekte aufzuteilen
und anzugehen. Die großen Aufgaben werden in Projekte und Unterprojekte aufgeteilt
und ich nehme an den Sitzungen teil, in denen diese Projekte vorangetrieben werden. Einiges
an Zeit verbringe ich jeden Tag mit dem Direktor und dem Vizedirektor des IOR, mit
denen ich das Tagesgeschäft durchgehe, dann bereite ich Sitzungen vor und kommuniziere.
In der Kirche, mit Journalisten, mit Botschaftern, denen ich allen zu erklären versuche,
was wir machen. Sie werden mich genau da finden, zwischen Projekt-Management, Tagesgeschäft
und Kommunikation.“
Als Sie die Aufgabe übernommen haben, war von nur einigen
Tagen in der Woche die Rede. Ist das machbar, ein Teilzeitdirektor zu sein?
„Wenn
Sie auf die Statuten schauen, werden Sie feststellen, dass sich der Aufsichtsrat alle
drei Monate treffen soll und dass ich einmal im Monat die wirtschaftlichen Ergebnisse
gemeinsam mit dem Direktor durchgehen soll. So wollten es die Gründer der Bank von
meiner Position. Bei den Einstellungsgesprächen hieß es, ‚ein oder zwei Tage pro Woche’,
im Augenblick bin ich drei Tage der Woche in Rom und arbeite noch einmal zwei oder
drei Tage von anderen Orten in der Welt aus für das Institut. Ich glaube aber,
dass ich mittelfristig eher wieder zu den Regelungen der Statuten zurück sollte.“
Aber
für den Augenblick ist Ihre Arbeitszeit angemessen?
„Wenn sie sich die
Herausforderungen ansehen, dann brauchen wir dafür jede Stunde.“
Ihre Aufgabe
erfüllen Sie aber nicht allein, sie arbeiten mit anderen zusammen, Beratungsagenturen
zum Beispiel.
„Es gibt hauptsächlich eine Agentur, die aber keine Beratungsagentur
ist, sondern unser Supervisor AIF [Autorità di Informazione Finanziaria]. Das ist
das Kontrollgremium, das alle Institutionen des Vatikan in Bezug auf Geldwäsche überwacht.
Mit denen arbeiten wir sehr eng zusammen. Aber richtig, es gibt auch externe Berater,
ich habe eine ganze Reihe engagiert. So habe ich die wahrscheinlich führende Beraterfirma
in Sachen Anti-Geldwäsche engagiert, damit sie jedes einzelne unserer Konten und auch
unsere Strukturen untersucht. Der Heilige Stuhl hat sich den international geltenden
Standards angeschlossen. Ich wende dieses Recht an und die höchsten Standards, die
verlangt werden. Ich persönlich habe jede Woche alle verdächtigen Fälle auf meinen
Schreibtisch. Wir verfolgen eine Null-Toleranz-Politik bei Kunden, aber auch bei Angestellten,
die irgendwie in Geldwäsche verwickelt sein sollten.“
Was ist das, das
IOR?
Lassen Sie uns ein wenig über die Bank sprechen: Da gibt es
viele Mythen und romanhafte Vorstellungen. Einmal abgesehen von diesen Mythen: Was
genau ist das IOR?
„Das IOR ist immer noch, wie es 1942 gegründet wurde.
Es tut nur zwei Dinge: Erstens nimmt es Einlagen von Kunden und sichert sie ab. Wir
sind so etwas wie ein Familienbüro, das die Vermögen der Familienmitglieder verwaltet.
Das sind der Heilige Stuhl, mit ihm zusammen hängende Einrichtungen, Ordensgemeinschaften
mit ihren weltweiten Aktivitäten, Priester und Angestellte des Vatikan. Zweitens
leisten wir Auszahlungsdienste vor allem für den Vatikan und für Orden, die weltweit
tätig sind: Wir bringen die Vermögen dorthin, wo immer diese Aktivitäten stattfinden.“
Also
sind Sie streng genommen gar keine Bank?
„Wir sind keine Bank. Wir verleihen
kein Geld, wir machen keine direkten Anlagengeschäfte, wir machen keine Spekulationsgeschäfte.
Unser Kerngeschäft ist das Anlegen von Einlagen in Rentenpapiere, einige Unternehmensanleihen
etc., so dass wir den Kunden ihr Geld geben können, wann immer sie es haben möchten.
Wir stellen sicher, dass das Geld überall hinkommt, sogar an die merkwürdigsten Orte
der Welt.“
Was Sie mit Banken gemeinsam haben ist die Tatsache, dass Sie
Gewinn machen. Ist das Absicht oder einfach nur ein Extra?
„Unser Auftrag
ist ein Dienstauftrag. Wenn wir diesen Auftrag gut erfüllen, können wir erwarten,
einen Überschuss zu erwirtschaften. Durchschnittlich tragen wir 55 Millionen Euro
pro Jahr zum Haushalt des Vatikan bei, damit sind wir eine wichtige wirtschaftliche
Säule. Jetzt werden Sie fragen, wie man 55 Millionen Euro verdient: Wenn Sie auf unsere
Bilanz schauen, sehen Sie drei Elemente. Eines sind die Zinsen, die wir zahlen. Dann
sind es Zinsen, die wir bekommen, das ist der wichtigste Teil unseres Einkommens,
etwa 50 bis 70 Millionen Euro pro Jahr, davon muss man unsere Kosten dann abziehen.
Dazu kommen dann noch einige Gewinne aus Kursschwankungen und so errechnet sich unser
Gewinn. Dieser Gewinn geht dann an den Vatikan.“
Warum braucht der Vatikan
das IOR?
Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal, das Besondere,
das nur Ihr Institut hat und andere nicht?
„Was uns einzigartig macht ist,
dass wir wirklich die Welt der Kirche und ihres Auftrages verstehen. 112 Menschen
arbeiten im IOR und wir haben 19.000 Kunden. Die meisten von ihnen sind Ordensleute,
die ihre Sachbearbeiter seit 20 bis 30 Jahren kennen. Wir wissen, was sie brauchen
und sie haben eine vertrauenswürdige Person hier. Wir stehen im Wettbewerb wie
alle anderen Banken auf der Welt auch, unsere Kunden werden von anderen Banken umworben,
aber sie entscheiden sich, bei uns zu bleiben. Wir haben viele Vorteile: Das IOR
ist stark mit Kapital ausgestattet, 800 Millionen Euro gegenüber 5 Milliarden im Haushalt.
Das ist doppelt so viel, wie Sie es außerhalb des Vatikan finden würden. Während der
Wirtschaftskrise hatten wir keine Probleme, keine Regierung hat uns retten müssen,
wir sind sehr, sehr sicher.“
Und warum sollte der Vatikan überhaupt eine
Bank haben? Besonders jetzt, nach der Wahl von Papst Franziskus, wird diese Frage
immer wieder gestellt. Was ist Ihre Antwort?
„Ich betrachte das von zwei
Perspektiven: Eine ist der Kunde. Er will sein Geld bei uns anlegen. Die zweite Perspektive
ist die Frage, ob wir unseren Dienst für den Heiligen Vater leisten. Hier haben wir
keinen guten Dienst geleistet, mit einer Reputation, welche die Botschaft verdunkelt.
Das anzugehen sehe ich als meine erste und wichtigste Aufgabe.“
Um aus der
Ecke heraus zu kommen?
„Um aus dem Rampenlicht herauszukommen und in die
Ecke hinein, also um demütig unseren Dienst zu tun und nicht dauernd im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit zu stehen.“
Sie haben die Anzahl Ihrer Kunden erwähnt,
19.000. Ist das im Vergleich viel, wenig …
„Das ist winzig. Es gibt wenige
kleinere Banken als unser Institut.“
Wenn Sie also nach Zürich oder an einen
anderen Bankenplatz kommen, wären sie ein Vertreter einer kleinen Bank …
„Winzig,
nicht nur klein: Winzig.“
Es gibt keine Nummernkonten
Es
gibt Spekulationen über Nummernkonten ohne Namen, darauf sollen sich große Summen
befinden. Gibt es die?
„Das ist reine Erfindung. Es gibt keine Nummernkonten.
Seit 1996 ist es technisch unmöglich, in unserem System ein Nummernkonto zu eröffnen
und es wäre auch gegen Vatikanrecht. Ich habe mir selber das System angesehen und
Zufallsproben gemacht: Ich habe keine Anzeichen für Nummernkonten gefunden.“
Nicht
mal aus der Vergangenheit geerbt?
„Das würde in unserem System nicht funktionieren.“
Die
Politik der Transparenz
Wir sitzen hier zum Interview, in der vergangenen
Woche hat Ihre Aufsichtsbehörde AIF einen Bericht vorgelegt: Ist Transparenz das neue
Motto des IOR?
„Transparenz ist ein Schlüssel, aber das ist nicht alles,
es zählt auch das, was man dann sieht, wenn man transparent ist: Dass wir so sauber
sind, wie man es sein muss, um in der internationalen Finanzwelt akzeptiert zu sein. Transparenz
ist übrigens nichts, was die Welt immer schon hatte und zu dem man den Vatikan zwingen
müsste. Vor fünfzehn Jahren waren wir wahrscheinlich genauso normal wie andere private
Institute, was das Bankengeheimnis angeht. Nach dem 11. September und der Frage der
Terrorfinanzierung, den Sozialen Medien mit ihrer Neudefinition von Vertraulichkeit
und Geheimnis und der Bankenkrise hat sich einiges entwickelt. Die Welt hat sich geändert
und wir sind vielleicht etwas spät dran, uns daran anzupassen. Wir beeilen uns, das
nachzuholen und dort zu sein, wo wir vor fünfzehn Jahren waren: Ein relativ normales
Institut im Vergleich mit anderen Finanzinstituten.“
Aber wie Sie gesagt
haben: Im Augenblick trübt das IOR eher das Bild des Vatikan, offensichtlich läuft
etwa nicht richtig oder es ist noch nicht richtig umgesetzt.
„Ja, damit
kommen wir zurück zur Frage der Reputation. Das ist der wichtigste Teil meiner Arbeit,
diesen Schatten zu vertreiben.“
Ist das möglich?
„Ja. Ich bin
überzeugt, dass wir eine gut geführte, saubere Finanzinstitution sind. Natürlich können
wir, so wie alle anderen, auch noch besser werden. Vor allem müssen wir kommunizieren.
In der Vergangenheit haben wir mit niemandem geredet, angefangen bei unseren Auftraggebern.
Wir haben nicht auf systematische Weise mit den Kardinälen gesprochen, wir haben nicht
mit der Kurie gesprochen, wir haben nicht mit der Kirche gesprochen. Es ist das Recht
jedes Mitglieds der Katholischen Kirche auf der ganzen Welt, über diese Institution
gut informiert zu sein. Was machen wir nun? Wir beginnen, mit den Medien zu sprechen
und innerhalb der Kirche zu kommunizieren und unsere wichtigsten Auftraggeber systematisch
zu informieren, außerdem werden wir einen Jahresbericht vorlegen wie jedes andere
Finanzinstitut auch und wir werden das am ersten Oktober ins Internet stellen, auf
unserer eigenen Webseite.“
Sie haben Ihre Aufgaben in der Mitte einer Amtsperiode
übernommen, die Ihrige endet also im Jahr 2015. Was würden Sie dann als Erfolg bezeichnen?
„Mein
Traum ist sehr klar. Mein Traum ist, dass unsere Reputation so ist, dass die Menschen
nicht mehr an uns denken, wenn sie an den Vatikan denken, sondern darauf hören, was
der Papst sagt.“
Herr von Freyberg, herzlichen Dank für das Gespräch.