Wenn Forschung und Glaube aufeinandertreffen: Astronomen in Castel Gandolfo
Wer kennt es nicht?
Castel Gandolfo, bekannt für die hier gelegene Residenz des Papstes, in die er sich
alljährlich im Sommer zurück zieht. Aber es ist nicht nur der Papst, den es immer
wieder in die Albaner Berge zieht. Denn zu seiner Anlage gehört auch die Vatikanische
Sternwarte, in der ein ausgewähltes Team von Astronomen das Universum erforscht. Zuletzt
kamen rund 25 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in die Sternwarte des Papstes, um
sich ausschließlich mit dem Sternbild Cygnus zu befassen. Eine solche Herangehensweise
war für die teilnehmende Astrophysikerin Nikola Schneider neu:
„Um Sternentstehung
zu verstehen, ist es eine neue Art, dass man sich nur auf eine Region konzentriert
und diese versucht, ganz zu verstehen – und dadurch dann extrapoliert auf die gesamte
Milchstraße und auf die gesamte Art und Weise, wie Sterne entstehen. Wir wissen, dass
sich Sterne aus Molekülwolken bilden, die überall am Himmel verteilt sind und sich
dadurch Sterne formen. Aber man weiß nicht genau, wie das funktioniert.“
Für
weitere Erkenntnisse in der Sternentstehung kam auch Hans Sennecker in die Vatikanische
Sternwarte – und zwar aus Kalifornien, womit er unter den Teilnehmern den längsten
Anfahrtsweg hatte.
„Wir wissen erst seit vielleicht 50 Jahren, dass Sterne
überhaupt entstehen. Das heißt also, wir leben in einer besonderen Zeit, weil wir
lange Zeit keine Ahnung hatten, was da eigentlich abläuft. Aber jetzt, mit den modernen
Beobachtungstechniken können wir Dinge verstehen, an die wir nicht im Traum gedacht
haben.“
Die beiden Astronomen sind sich einig: Für sie ist es ein Glück,
in einer Zeit forschen zu können, in der man technisch so vielseitige Möglichkeiten
hat. Früher war der einzige Anhaltspunkt der Blick durch das Teleskop in den Himmel:
„Die
Anfänge gehen natürlich auf die Optik zurück – der Bezug zur Vatikanischen Sternwarte:
Die ersten Teleskope im 17. Jahrhundert, Galilei und so weiter. Inzwischen muss man
aber das gesamte Wellenlängenspektrum studieren. Aber Astronomie wurde schon früher
gemacht. Gerade hier im Vatikan. Das wusste ich gar nicht, dass es so viele Teleskope
gibt, dass so viele interessante Studien gemacht worden sind. Wir haben gestern Bücher
gesehen aus dem 17. Jahrhundert, von Galileo, von Newton – das war für mich ein erhebender
Moment. Und faszinierend war auch, dass ich Jesuitenbrüder gesehen habe, die Wissenschaftler
sind.“
Bruder Guy Consolmagno ist einer der Jesuitenbrüder, die vom Vatikan
mit der Forschung in der Sternwarte betraut sind.
„Die Vatikanische Sternwarte
geht auf die Kalenderreform von 1582 zurück. Sie ist eine der letzten traditionellen,
nationalen Sternwarten, in der wir die Freiheit haben, Forschung zu betreiben, wo
immer wir interessante Themen finden. Zum anderen arbeiten wir immer zusammen mit
externen Forschern, als Teil der Wissenschaftsgemeinschaft – aber immer als Priester.“
Die
jüngste Tagung anlässlich des Sternbildes Cygnus ist das beste Beispiel dafür, wie
offen und fortschrittlich die Jesuiten an der Vatikanischen Sternwarte heute arbeiten.
„Optisch sieht man das Sternbild Schwan, im Sommer oder im Herbst wunderbar
am Himmel zu sehen – wie ein Kreuz. Insofern ist das gar nicht so dumm, das hier im
Vatikan zu machen.“
Dieser Gedanke kommt Hans Sennecker halb scherzhaft
über die Lippen. Später greift er ihn aber noch einmal auf – in ernsthafterer Weise
und in Erinnerung an ein Bild, dem er in der Vatikanischen Sternwarte begegnet ist.
„Ein
Bild von Benedikt XVI., der einen Meteoriten in der Hand hält und sich anschaut. Er
war ja sehr wissenschaftszugeneigt – und es gibt sicherlich keinen Widerspruch zwischen
Wissenschaft und Glaube. Aber ich glaube, das muss jeder für sich selber entscheiden.
Ich kenne viele Wissenschaftler, die sind tiefreligiös.“
Auch Nikola Schneider
ist die Frage nach dem Verhältnis von Glauben und Wissenschaft nicht unbekannt.
„Das
ist eine Frage, der ich sehr oft begegne. Da ich Wissenschaftlerin bin, versuche ich
immer Beweise zu finden, bevor ich etwas glaube. Jetzt habe ich aber im Gespräch mit
vielen, vielen Leuten gemerkt, dass man das nicht so scharf trennen kann. Ich kann
weder eine Existenz noch eine Nicht-Existenz Gottes beweisen. Deshalb denke ich, man
muss mehr kommunizieren, man muss mehr wissen: Von der rationalen Seite her mehr Wissen
vermitteln – und ich kann von den Menschen lernen, die glauben, und versuchen, mal
einfach nur was zu glauben und zu akzeptieren.“
Der Jesuitenbruder Guy
Consolmagno hat diese Frage für sich längst beantwortet. Heute weiß er:
„Gute
Katholiken und Christen sollten keine Angst haben vor Wissenschaft, sondern sie lieben
– als einen Weg, Gott besser kennenzulernen.“