Salman
Rushdie: Joseph Anton. Die Autobiografie. Bertelsmann Verlag, ca. 25 Euro. Vorgestellt
von Stefan v. Kempis, Radio Vatikan, am 18.5.2013
Der bekannte Autor
Salman Rushdie ist kein gläubiger Mensch, ganz im Gegenteil. Doch das tägliche Erleben
einer Vielzahl von religiösen Traditionen in seiner indischen Heimat hat zu einer
eingehenden Beschäftigung mit vor allem islamischen und hinduistischen Stoffen geführt.
1989 trug ihm sein Roman „Die satanischen Verse“, der u.a. vom islamischen Propheten
Mohammed handelt, eine iranische Todes-Fatwa ein. In Berlin fiel damals die Berliner
Mauer; Rushdie hingegen war gezwungen, von nun an jahrelang versteckt zu leben, ein
Gefangener der Denkfreiheit.
Wir alle haben vom Fall Rushdie gehört: Hier
spricht der Betreffende nun selbst darüber. Um es gleich zu sagen, es ist trotz aller
Sperrigkeit, trotz Spottlust und der Freude an Provokation ein großes Buch geworden.
Und auch ein beschämendes – für alle, die damals nicht den Ernst dieses Falls verstanden,
die nicht wahrgenommen haben, dass er gewissermaßen das Präludium war für den Terror
des 11. September 2001. „Ehe irgendjemand sonst sich für die Ornithologie des Terrors
interessierte, sah er die sich sammelnden Vögel“, schreibt Rushdie in der dritten
Person über sich selbst. „Er würde die Kassandra seiner Zeit sein, verwünscht und
ungehört... Nein, nicht Kassandra, das traf es nicht, er war kein Prophet. Er horchte
lediglich in die richtige Richtung und blickte dem herannahenden Sturm entgegen“ (S.
390).
Rushdies Humor sorgt dafür, dass wir diese oft schonungslose Schilderung
seines versteckten Lebens ertragen. Wir lernen dabei viel – über Verrat, Heuchelei
und Fundamentalismus, aber auch über Großherzigkeit und Freundschaft, die Leben rettet.
„Der einzige wirklich freie Mensch ist Salman Rushdie“, so zitiert der Autor einmal
den marokkanischen Schriftsteller Salim Jay: „Er ist der Adam einer Bibliothek der
Zukunft: der Bibliothek der Freiheit“ (S. 464).
Am 11. September 2001 will
Rushdie, damals schon wieder weitgehend frei von der Todesdrohung, in New York seinen
neuen Roman über die Stadt vorstellen. Doch dann fallen die Türme. „Er ging zur Rothko-Kapelle
hinunter. Selbst für einen gottlosen Mann fühlte es sich gut an, dort zu sein. Auch
andere waren dort; nicht viele, nur eine bedrückte Handvoll. Niemand sagte etwas.
Es gab nichts zu sagen. Jeder war mit seinem Kummer allein.“ Rushdies Lesereise wird
gestrichen: „Niemand interessierte sich (jetzt) für Bücher. Die einzigen Bücher, die
sich in den kommenden Wochen verkauften, waren die Bibel oder der Koran und Bücher
über al-Quaida und die Taliban“ (S. 691). Dem Mann, der jahrelang vor dem Zorn der
Mullahs flüchten musste, sieht seine „kleine Schlacht“ beendet: „Das Vorspiel war
vorüber, und nun hatte die Welt mit dem Hauptakt zu kämpfen“ (S. 695).
Was
tun gegen Fundamentalisten? Rushdie rät, für alles einzutreten, was „gut und richtig“
sei: „Küssen in der Öffentlichkeit, Schinkenbrote, Meinungsverschiedenheiten, neueste
Mode, Literatur, Großzügigkeit“. Und er fährt fort: „Das werden unsere Waffen sein.
Nicht, indem wir Krieg führen, sondern durch die furchtlose Art zu leben, für die
wir uns entscheiden, werden wir sie besiegen.“ Wie der Terrorismus zu überwinden sei?
„Lassen Sie nicht zu, dass Angst Ihr Leben beherrscht.“
Ein wichtiges Buch.
Wer Religion ernstnimmt, sollte gleichermaßen auch Rushdie und seine Botschaft ernstnehmen.