Franziskus hat an
diesem Donnerstag zu einer Reform des globalen Finanzmarktes im Sinne des Gemeinwohls
aufgerufen. Erstrebenswert sei eine „ethische“ Reform des Systems, sagte der Papst
beim Antrittsbesuch der nicht beim Heiligen Stuhl residierenden Botschafter von Luxemburg,
Botswana, Kirgisistan und des Inselstaates Antigua und Barbuda im Vatikan. Diese Reform
könnte dann zu einer „wirtschaftlichen Reform“ führen, die dem Gemeinwohl zugutekomme,
so Franziskus. Die Verantwortlichen in Politik und Finanzwirtschaft rief er zu „mutigen“
Schritten auf:
„Ich fordere sie dazu auf, diese Herausforderung anzugehen,
mit Entschiedenheit und Weitblick, und dabei natürlich die Besonderheit der Umstände
zu beachten. Geld soll dienen und darf nicht regieren! Der Papst liebt alle, ob reich
oder arm; aber der Papst hat im Namen Christi die Pflicht, den Reichen daran zu erinnern,
dass er dem Armen helfen muss, dass er ihn respektieren und fördern muss. Der Papst
ruft zu selbstloser Solidarität auf und zur Rückkehr der Ethik in der Finanz- und
Wirtschaftswelt – zum Wohl des Menschen.“ Finanzspekulationen und eine „absolute
Autonomie der Märkte“ entzögen den Staaten ihr Recht auf Kontrolle des Geldverkehrs
im Sinne des Gemeinwohls, führte Franziskus weiter aus. Im ungezügelten globalen Finanzmarkt
scheine eine Ideologie auf, in der der Mensch selbst zum Konsumgut degradiert werde.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise sieht Franziskus als Symptom einer tiefer greifenden
„anthropologischen Krise“. Die Menschheit befinde sich an einem „Wendepunkt“ in ihrer
Geschichte – trotz zahlreicher Fortschritte, etwa im Bereich der Gesundheitsvorsorge
und der Kommunikation, gebe es in vielen Lebensbereichen Rückschritte. Der Papst nannte
hier die Zunahme psychologischer und seelischer Probleme, steigende Gewaltraten, Armut
und prekäre Lebensverhältnisse auch in reichen Ländern der Welt.
„Eine
der Ursachen dieser Situation liegt meines Erachtens im Verhältnis, das wir zum Geld
haben, in der Akzeptanz seiner Herrschaft über uns und über unsere Gesellschaften.“
Franziskus,
der jüngst das Ideal einer „armen Kirche für die Armen“ betonte, warnte hier eindringlich
vor einer schleichenden Entsolidarisierung in der Gesellschaft:
„In einem
solchen Kontext wird die Solidarität, die der Schatz der Armen ist, oft als kontraproduktiv
gesehen, als Gegenteil der finanziellen und wirtschaftlichen Rationalität. Und während
der Verdienst einer Minderheit exponentiell wächst, wird der der Minderheit schwächer.“
Ebenso
werde ethisch orientiertes Handeln abgelehnt, klagte Franziskus:
„Ethik
stört! Sie wird als kontraproduktiv angesehen, als zu menschlich, weil sie Geld und
Macht relativiert; wie eine Drohung, weil sie die Manipulation und die Unterwerfung
der Person ablehnt. Denn die Ethik führt zu Gott, der sich außerhalb von Marktkategorien
zeigt. Gott wird von diesen Finanz- und Wirtschaftsleuten und Politikern als nicht
lenkbar, ja sogar gefährlich wahrgenommen, weil er den Menschen zu seiner vollen Verwirklichung
ruft und zur Unabhängigkeit von jeder Form der Sklaverei.“ Der Kirche gehe
es immer um ganzheitlichen Fortschritt jeder Person, betonte der Papst weiter. Franziskus
zeigte sich hoffnungsvoll, dass sich irgendwann die „absolute Dichotomie zwischen
der wirtschaftlichen und sozialen Sphäre in einem gesunden Zusammenleben“ beider auflösen
lasse.