Kardinal Schönborn: Nationalismus ist die „Ursünde Europas“
Vor einem Rückfall
in den Nationalismus in Europa hat Kardinal Christoph Schönborn gewarnt. Bedrohliche
Anzeichen dafür zeigten sich vor dem Hintergrund der anhaltenden Wirtschaftskrise
und müssten bekämpft werden, sagte der Wiener Erzbischof am Dienstagabend bei einer
Podiumsdiskussion mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Andreas Treichl, dem Vorstandsvorsitzenden
der österreichischen „Erste Bank“. Schönborn plädierte für eine Rückbesinnung darauf,
dass „Europäer aufeinander verwiesen sind“.
„Die Krise kann nur durch Solidarität
und Empathie überwunden werden. Der Nationalismus hingegen hat Europa bereits in zwei
Katastrophen in Form von Weltkriegen gestürzt und ist die Ursünde Europas.
Das
derzeitige Wirtschaftssystem gründe auf einer vermeintlichen Unerschütterlichkeit
und auf beschworenem permanentem Wachstum - letztlich auf einer Stärke, die sich die
Europäer selbst vorspielten, zeigte sich der Kardinal überzeugt.
„Es ist
notwendig, zur eigenen Verletzbarkeit zu stehen. Dies schafft Vertrauen und ist der
Schlüssel zu einem nachhaltigen Wandel. Nur wenn die Menschen einander auch in ihren
Schwächen wahrnehmen, können Empathie und Solidarität entstehen.“
Anzeichen
für einen solchen, auf Selbsterkenntnis gründenden Wandel erkennt der Wiener Erzbischof
auch in der katholischen Kirche. Das sei insbesondere in den Tagen nach dem Rücktritt
von Papst Benedikt XVI. spürbar gewesen, so Schönborn.
„Es ist in einer
Offenheit diskutiert worden, wie ich sie auf weltkirchlicher Ebene nur selten erlebt
habe. Man hat sich getraut, nicht nur auf die Fassade zu schauen, und erkannt, dass
es ein Neuanfang nötig ist. Ohne diese Dynamik wäre es wohl nicht zur Wahl von Franziskus
gekommen. Der neue Papst steht für Einfachheit und ist gerade dadurch Erfolgsgarant
für kirchliche Reformprogramme.“
Zu dem Gespräch unter dem Titel „Allein
gegen die Welt - eine Gesellschaft voll Einzelkämpfer“ hatte die Akademie für Evangelisation
der Gemeinschaft Emmanuel in den Kuppelsaal der TU Wien geladen. Die Akademie veranstaltet
regelmäßige „Talks“ mit prominenten Zeitgenossen zu gesellschaftlich brisanten Themen.