Die Sorge um die entführten
Bischöfe in Syrien wächst mit jedem Tag. Der syrisch-orthodoxe Metropolit von Aleppo,
Mar Gregorios Yohanna Ibrahim, und der griechisch-orthodoxe Erzbischof von Aleppo
und Iskenderun, Boulos Yazigi, sind seit Montag verschwunden. In der Zwischenzeit
gab es widersprüchliche Angaben zu ihrem Verbleib, Meldungen zu ihrer Freilassung
mussten kurz darauf wieder dementiert werden. Missio-Referent Matthias Vogt beschreibt
die Lage in dem umkämpften Land als düster, besonders für Christen. Er befürchtet,
dass islamistische Kräfte hinter der Entführung stecken könnten, doch Klarheit über
die Identität der Entführer gibt es bislang nicht:
„Es ist sehr unwahrscheinlich,
dass es Regierungstruppen sind, denn die bisherige Regierung von Baschar al-Assad
hat die Kirche eigentlich geschützt. Man muss also vermuten, dass es sich um Anhänger
der Opposition und wahrscheinlich um islamistische Kräfte handelt.“
Im
Domradio-Interview verleiht Matthias Vogt seiner Sorge darüber Ausdruck, dass die
Lage der Christen im Land immer gefährlicher werden könnte. Zwar sei es noch nicht
zu einem ausgewachsenen Religionskonflikt gekommen:
„Aber Christen
sind in den letzten Wochen und Monaten immer gezielter ins Visier von Aufständischen
getreten. Es gab einmal Zerstörung von Kirchen, wie von allen Gebäuden, einfach durch
Kriegseinwirkung. Kirchenvertreter berichten aber, dass sich hier und da offenbar
gezielt Autobomben vor kirchlichen Einrichtungen gefunden haben, teilweise konnten
sie noch entschärft werden, teilweise sind Gebäude beschädigt worden. Es wird berichtet,
dass sich islamistisch anmutende Kräfte in kirchlichen Gebäuden gezielt verschanzen,
die dann auch Zielobjekt werden vom Beschuss von Regierungsgruppen und so zerstört
werden. Es gibt zahlreiche Entführungen, nicht nur von Christen, sondern auch von
Muslimen, aber eben von der besonders schwachen Gruppe der Christen, die fühlen sich
besonders verwundbar und die Angst unter den Christen ist sehr sehr groß in Syrien.“
Die
Stimmung unter den syrischen Bischöfen sei sehr gedrückt, berichtet der Missio-Referent.
Er habe insbesondere Kontakte zu Bischöfen in die Gegend um Damaskus, die geradezu
deprimiert seien:
„Sie schreiben, der Hirte der Herde wird geschlagen und
die Herde zerstreut sich, also sie haben Angst, gerade jetzt durch diese neue Kategorie
der Bischofsentführungen, dass die Gläubigen vor der Situation noch größere Angst
bekommen und sich ins Ausland wenden und versuchen, Syrien zu verlassen. Sie wissen
im Moment keinen richtigen Ausweg, wo es hingehen könnte. Sie haben noch einmal die
Christen aufgerufen, im Land zu bleiben, sie wissen aber selbst, wie gefährlich es
ist.“
Es sei schwierig vorauszusehen, wie sich die Lage in den nächsten
Tagen, Wochen und Monaten weiter entwickeln wird, erklärt Matthias Vogt:
„Im
Moment ist die Lage leider sehr düster. Ich sehe keinen Ausweg. Keine der beiden Konfliktparteien
kann diesen Krieg kurzfristig gewinnen und die Christen und andere kleinere Gruppen
und insgesamt die friedliche Zivilbevölkerung haben ganz schwer darunter zu leiden.
Wann das ein Ende nimmt, kann im Moment niemand sagen.“
Die beiden orthodoxen
Geistlichen waren Medienberichten zufolge auf dem Rückweg von einem Besuch in einem
Dorf nahe der türkischen Grenze, als ihr Auto kurz vor Aleppo von Bewaffneten angehalten
wurde. Die beiden kamen offenbar von Verhandlungen, um die Freilassung zweier vor
mehreren Monaten entführter Priester zu erreichen. Yazigi ist der Bruder des griechisch-orthodoxen
Patriarchen von Antiochien, Johannes X. Yazigi.