Frankreich: „Nicht wir, sondern die Regierung übt Gewalt aus!“
Die innenpolitische
Lage in Frankreich spitzt sich weiter zu: Die regierenden Sozialisten wollen in aller
Eile am Dienstag die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Parlament verabschieden,
die Demonstrationen dagegen reißen nicht ab. Vieles deutet auf eine aufgeheizte Stimmung
im Land, sogar auf eine wachsende Gewaltbereitschaft. Am Sonntag hat es in Paris eine
neue Massendemo gegen die „Ehe für alle“ gegeben, weitere sind schon für Mai angekündigt.
Was werden die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe tun, wenn die Regierung das Vorhaben
trotz aller Proteste durchsetzt? Das fragten wir am Montag die Kabarettistin Frigide
Barjot, Wortführerin der Protestbewegung.
„Wir werden reagieren – friedlich,
ohne die Legitimität des Gesetzes anzuzweifeln, aber sehr wohl mit Zweifeln an der
hinreichenden Begründung des Gesetzes. Wir werden weiter demonstrieren, um den Präsidenten
zum Abhalten einer Volksabstimmung aufzurufen. Übrigens muss das Gesetz ja noch per
Dekret für wirksam erklärt werden, darum haben wir doch noch ein bisschen Zeit, bis
es wirklich anwendbar würde. Abgeordnete, die das Gesetz in der Nationalversammlung
bekämpft haben, treten für ein alternatives Projekt von anerkannten zivilbürgerlichen
Verbindungen namens „alliance civile“ ein; dabei geht es nur um die Verbindung zweier
Personen, ohne dass das irgendetwas mit dem Adoptieren von Kindern zu tun hätte. Wir
rufen den Präsidenten also dazu auf, eine Volksabstimmung zwischen den zwei Gesetzesvorschlägen
einzuberufen, dem der Justizministerin und dem anderen, der während der Debatte in
der Nationalversammlung vorgestellt worden ist.“
Auch wichtige Kirchenleute,
etwa Kardinal Philippe Barbarin von Lyon, setzen sich für eine Volksabstimmung zum
Thema „Ehe für alle“ ein – ansonsten warnen die Bischöfe in den letzten Tagen aber
eindringlich vor Gewalt, und zwar auch die eigenen Leute. Die Proteste müssten unbedingt
friedlich und demokratisch verlaufen, so Bischofssprecher Bernard Podvin. Im Internet
führte das zu wütenden Kommentaren. Rutscht die Protestbewegung in die Gewalt ab,
Frau Barjot?
„Überhaupt nicht! Das sind die Medien, die diesen Eindruck
erwecken: Sie zeigen ein paar Bilder von gewalttätigen Störern; diese Bilder sind
auf übertriebene Weise hochgespielt worden, dabei ist unsere Bewegung ruhig und pazifistisch.
Ich weise den Begriff „gewalttätiges Klima“ zurück! Was gewalttätig ist, das ist die
Haltung der Regierung und vor allem das Gesetzesprojekt selbst. Es ist in der Hinsicht
gewalttätig, als es die Adoption von Kindern mit homosexuellen Verbindungen in Zusammenhang
bringt. Dieses Gesetzesvorhaben vermengt zwei Themen: dass Paare sich bilden, und
die Adoption von Kindern. Diese Themen passen nicht zusammen – das ist gewalttätig!“
Der
Künstlername Frigide Barjot ist eine bewusste Verballhornung von Brigitte Bardot;
die Kabarettistin ist schrill und schillernd, nicht alle sind deswegen glücklich,
dass sie sich an die Spitze der Nein-Bewegung gesetzt hat. Aber Erfolge sind ihr nicht
abzusprechen: Waren im August letzten Jahres noch 53 Prozent der Franzosen für ein
Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Partnern, ist der Wert mittlerweile auf
47 Prozent abgerutscht. Ein Zeichen dafür, dass sich der Wind gedreht hat.
„Nun
ja, die Franzosen haben verstanden, und jetzt fangen sie an, sich gegen das Gesetzesvorhaben
der Regierung zu wenden. Das hat mit unserer Aufklärungskampagne in den letzten sechs
Monaten zu tun. Das Problem war, dass man das eigentliche Vorhaben bei diesem Gesetz
früher nicht klar ausgesprochen hatte, es wurde immer nur von der Ehe von Homosexuellen,
von ihrer Liebe usw. geredet. Verschwiegen wurden dabei die Konsequenzen, etwa den
Verlust von Grundannahmen des Menschlichen, die Öffnung zur künstlichen Befruchtung
usw. Wir hingegen haben darauf hingewiesen, und das haben die Leute begriffen. Sie
wollen kein volles Adoptionsrecht mehr!“