2013-04-20 09:18:09

Polen: Erinnerung an den Warschauer Aufstand


RealAudioMP3 Polen erinnert sich in diesen Stunden an den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto vor genau siebzig Jahren. Die Erhebung gegen die deutschen Besatzer sei auch eine Anklage gegen die Gleichgültigkeit in der freien Welt gewesen: Das sagte Polens Präsident Bronislaw Komorowski am Freitag. Am 19. April 1943 hatten Juden im Ghetto einen Kampf gegen die deutschen Besatzer in der polnischen Hauptstadt begonnen, der erst Mitte Mai unterdrückt wurde. Auch die Spitzen der katholischen Kirche nehmen am Gedenken in Warschau teil. Kardinal Kazimierz Nycz von Warschau sagte uns:

„Man muss sich daran erinnern, dass es in Warschau unter der deutschen Besatzung insgesamt zwei Aufstände gegeben hat: den im Ghetto und einen weiteren im Jahr darauf, 1944. Durch die zwei Aufstände hat Warschau mehr als die Hälfte seiner Bevölkerung verloren. Wir sehen beide Aufstände als unsere an, denn die Juden waren seit vielen Jahrhunderten Einwohner von Warschau, sie haben die Geschichte und Kultur der Stadt geschaffen.“

Am Freitag wurde in Warschau ein neues Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnet. Die katholische Kirche ehrte die Widerstandskämpfer mit dem Geläut aller Kirchenglocken im Erzbistum Warschau. Im November 1940 hatten die Deutschen das Ghetto wegen angeblicher Seuchengefahr errichtet und Juden aus ganz Polen dort zusammengepfercht. Zeitweise waren 445.000 Menschen in dem Gebiet im Stadtzentrum eingeschlossen. Der Aufstand ab April 1943 forderte 12.000 Todesopfer. Weitere 30.000 Menschen wurden anschließend erschossen, 7.000 in Vernichtungslager transportiert. Nur wenigen Widerstandskämpfern gelang die Flucht durch die Kanalisation.

„Das Klima dieser Tage“, so berichtet der polnische Journalist Marek Lehnert, „gibt am besten ein berühmtes Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Czesław Miłosz wieder, Campo di Fiori. Es schildert, wie unmittelbar an der Mauer zum Ghetto Menschen auf einem Rummelplatz Karussell fahren und sich amüsieren.“

„Der Wind von den brennenden Häusern blies in die Kleider der Mädchen“, so das Gedicht, das 1943 unter dem direkten Eindruck des Aufstands im Ghetto entstand. „Die fröhliche Menge lachte an diesem schönen Warschauer Sonntag... Der Wind trieb zuweilen schwarze Drachen von brennenden Häusern. Die Schaukelnden fingen die Flocken im Fluge aus ihren Gondeln.“ Am 16. Mai 1943 war die größte jüdische Erhebung, die es im Zweiten Weltkrieg gegeben hat, mit Gewalt niedergeschlagen worden; ein SS-Führer schrieb in seinem Tagesbericht: „Das ehemalige jüdische Wohnviertel in Warschau besteht nicht mehr.“

(rv 20.04.2013 sk)








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