Buchtipp: „Papst Franziskus: Mein Leben – mein Weg.“
Der Papst sei zwar
eine sakrale Figur, wenn er aber beispielsweise selber zum Telefonhörer greife, „wird
er Mensch“. Dies sagte Kardinal Gianfranco Ravasi erst kürzlich über Franziskus. Diesen
Menschen besser kennen lernen, das können seit wenigen Tagen auch deutschsprachige
Leser mit dem Buch: „Papst Franziskus: Mein Leben – mein Weg.“. Dabei handelt es sich
keinesfalls um eine schnell zusammengeschriebene Biographie, sondern um die Übersetzung
des Interviewbuchs „El Jesuita“, das Sergio Rubin und Francesca Ambrogotti 2010 in
Argentinien veröffentlichten. Auf 223 Seiten zeichnen die Autoren hier ihre Gespräche
auf, die sie damals mit Kardinal Jorge Mario Bergoglio führten, dem jetzigen Papst
Franziskus.
Was prägt das Leben dieses Menschen, wie denkt, wie handelt er?
Aufschluss darüber liefert schon das Vorwort des Buches, in dem sich der Rabbiner
und Freund Bergoglios, Abraham Skorka, an sein Treffen mit dem Kardinal erinnert:
„Die
Annäherung begann mit provozierenden Aussagen über die von uns jeweils favorisierten
Fußballmannschaften. Dann wechselten wir unmittelbar in den Freimut eines Dialogs
über, der bestimmt war von Aufrichtigkeit und gegenseitiger Achtung.“
Aufrichtig
geht Bergoglio in den in diesem Buch dokumentierten Gesprächen aber nicht nur den
interreligiösen Dialog an, sondern auch die Probleme, mit denen sich der Kardinal
in der Gesellschaft konfrontiert sieht. So äußert er sich zum Beispiel zu den Themen
Erziehung, Bildung und Arbeit:
„Die Arbeit wird allmählich immer unmenschlicher.
Wenn sie uns keine gesunde Muße erlaubt, wenn sie nicht die Erholung ermöglicht, die
wir brauchen, um neue Kräfte zu tanken, dann versklavt sie uns. Man arbeitet dann
nicht mehr wegen der Würde, sondern aus Gründen des Wettbewerbs. So wird die Intention,
weswegen ich arbeite, in ihr Gegenteil verkehrt.“
Offen und direkt Offen
und direkt beantwortet der Kardinal ebenfalls Fragen danach, welche Herausforderungen
er für die katholische Kirche im 21. Jahrhundert sieht:
„Es ist absolut
wichtig, dass die Katholiken – Kleriker wie Laien – die Begegnung mit den Menschen
suchen. […] Ich glaube wirklich, dass die Grundoption der Kirche gegenwärtig nicht
ist, Vorschriften zu reduzieren oder ganz abzuschaffen oder dies oder jenes zu erleichtern,
sondern auf die Straße zu gehen, um die Menschen zu suchen, und sie persönlich kennenzulernen.
Und das nicht nur, weil es ihre Sendung ist, hinauszugehen, um das Evangelium zu verkünden,
sondern weil die Kirche selber Schaden nimmt, wenn sie es unterlässt.“
Auf
die Zeit der Militärdiktatur geht Bergoglio in dem Kapitel „Argentiniens Weg durch
die dunkle Nacht“ ein. Doch es gibt noch viel mehr zu erfahren als das, was er dort
sagt. Bergoglio spricht zum Beispiel auch über seine persönlichen Schwächen:
„Was
mich am meisten schmerzt, ist: oft nicht genügend verständnisvoll und gelassen gewesen
zu sein. Beim Morgengebet bitte ich in den Fürbitten darum, verständnisvoll und gleichmütig
zu sein, und anschließend bitte ich um viele Dinge mehr, die mit den Unzulänglichkeiten
meines Weges zu tun haben. Ich will eben auf dem Weg der Barmherzigkeit gehen, in
verständnisvoller Güte. Aber ich bekräftige: Immer wurde ich von Gott geliebt. Er
war es, der mich aufgerichtet hat, wenn ich unterwegs gestürzt war, der mir geholfen
hat, den Weg zu gehen, vor allem auf seinen härtesten Etappen, und so habe ich nach
und nach gelernt. Gelegentlich irre ich, wenn ich ein Problem angehe, ich handle falsch
und muss wieder umkehren und mich entschuldigen.“
Zwischen den Zeilen
wird die Persönlichkeit Bergoglios spürbar
Von seinem persönlichen Leben
und den Erfahrungen, die er selbst machte, berichtet der Kardinal freimütig – so schildert
er beispielsweise eindrücklich die Einwanderung seiner Familie nach Argentinien, erzählt
vom tiefgreifenden Erlebnis seiner Berufung zum Priester oder spricht von einer lebensgefährlichen
Lungenentzündung, die er mit 21 Jahren hatte.
Immer wieder geben die Autoren
in Einschüben Hintergrundinformationen oder sie beschreiben, wie sie den Kardinal
in ihrem Gespräch erlebten. Es ist fast, als sei man selbst als kleine Maus bei den
Gesprächen mit dem argentinischen Kardinal dabei gewesen. Zwischen den Zeilen und
in den Antworten Bergoglios wird so auch immer wieder seine Persönlichkeit spürbar.
Jeder kann sich so, auch ohne großes Vorwissen, Papst Franziskus annähern - und dem
Menschen hinter diesem Amt.
Das Buch: „Papst Franziskus: Mein Leben
– mein Weg. (El Jesuita.)“. Erschienen beim Herder Verlag in Freiburg, Preis: 19,99
Euro.