2013-04-17 13:40:11

Frankreich: „Jetzt bloss nicht radikal werden!“


RealAudioMP3 Die Vollversammlung der französischen Bischöfe, die an diesem Dienstag in Lourdes begann, hat an diesem Mittwoch Erzbischof Georges Pontier von Marseille zum neuen Vorsitzenden gewählt. Kardinal André Vingt-Trois von Paris durfte nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal für den Vorsitz der Bischofskonferenz kandidieren.

Vor allem aber beschäftigt die Vollversammlung etwas ganz anderes: das gesellschaftliche Klima in Frankreich ist im Moment ausgesprochen hitzig. Das liegt am Projekt der sozialistischen Regierung, die gleichgeschlechtliche Ehe auch gegen breiten Widerstand aus der Bevölkerung zu legalisieren. Am 12. April hat der Pariser Senat dem Projekt zugestimmt, und an diesem Mittwoch schon – nicht erst Ende Mai, wie ursprünglich vorgesehen – soll die abschließende Debatte in der Nationalversammlung beginnen. Die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe fühlen sich überrumpelt vom hastigen Vorgehen der Regierung. Der Sekretär der Französischen Bischofskonferenz, Bernard Podvin, warnt vor einer Radikalisierung der Projektgegner:

„Wir müssen uns im Auftreten von unseren Werten leiten lassen. Natürlich können wir einem Ausverkauf dessen, woran wir glauben, nicht zustimmen – aber das alles muss ruhig vorgebracht werden, ohne Gewalt, im Respekt vor den anderen: Wer im Namen Christi handelt, muss den anderen respektieren! Wir müssen jeder Versuchung des Extremismus widerstehen, auch wenn es in einer sozial und moralisch krisenhaften Gesellschaft so einfach ist, die eigene Spannung nach außen zu kehren. Die Katholiken und ihre Bischöfe finden es wirklich schlimm, dass man bei einer so wichtigen Abstimmung so tief gesunken ist und dass das Fehlen einer echten Debatte so schlechte Früchte hervorbringt! Wenn man in einer Gesellschaft die Debatte über so wichtige Themen verweigert, führt das bei einem so zerbrechlichen sozialen Zusammenhalt unweigerlich zur Gewalt!“

Der Sprecher von Frankreichs Bischöfen ruft nicht nur die Politiker zur Vernunft, sondern ausdrücklich auch die Katholiken: „Keine Gewalt, Christen müssen die Demokratie respektieren!“ Ihm ist nicht entgangen, wie radikal sich Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe in den sozialen Netzwerken äußern.

„Ich weiß, dass Mäßigung keine leichte Sache ist, weil die Wunden offen liegen und viele andere Faktoren dazukommen: die Arbeitslosigkeit, die schwere moralische Krise in der Gesellschaft... Aber man darf sich davon nicht fortreißen lassen, sondern muss in einer solchen Lage zeigen, dass unsere Werte wirklich auf dem Evangelium beruhen. Wir müssen soviel wie möglich für den sozialen Zusammenhalt tun: Seit Wochen wiederholen wir, wie zerbrechlich der soziale Zusammenhalt in Frankreich geworden ist... und in einer so fragilen Lage sollte man nicht so tiefgehende Reformen durchführen!“

Schon am Dienstag der nächsten Woche könnte im Pariser Parlament die Schlussabstimmung über die „Ehe für alle“, wie die Regierung das Projekt nennt, stattfinden. Am Sonntag ist erneut eine Massendemonstration gegen die gleichgeschlechtliche Ehe in Paris angesetzt. Der bisherige Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Kardinal André Vingt-Trois, zeigte sich bei seinem Referat in Lourdes sehr beunruhigt über das derzeit herrschende Klima im Land. Das Christentum verliere an gesellschaftlicher Bedeutung, das christliche Konzept der Menschenwürde werde nicht mehr als ethischer Bezugspunkt anerkannt, so der Pariser Erzbischof am Dienstag.

„Durch einen psychologischen Mechanismus, den wir nur allzu gut kennen, wenden viele Menschen im Moment ihre persönliche Frustration nach außen, um gegenüber der sozialen Uniformität auf ihrer Identität zu bestehen. So verwandeln wir uns schrittweise in eine Gesellschaft der Gewalt.“

Erzbischof Pontier, der neue Vorsitzende
Erzbischof Pontier, der neugewählte Vorsitzende der Bischofskonferenz in Frankreich, wurde 1943 geboren; er ist seit 2006 Erzbischof von Marseille. In der Bischofskonferenz leitete er bisher die Kommission für besondere Projekte und Studien. Bekannt ist er für sein Engagement im Dialog mit anderen Religionen, vor allem mit dem Islam.

(rv 17.04.2013 sk)









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