Die Vollversammlung
der französischen Bischöfe, die an diesem Dienstag in Lourdes begann, hat an diesem
Mittwoch Erzbischof Georges Pontier von Marseille zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Kardinal André Vingt-Trois von Paris durfte nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal
für den Vorsitz der Bischofskonferenz kandidieren.
Vor allem aber beschäftigt
die Vollversammlung etwas ganz anderes: das gesellschaftliche Klima in Frankreich
ist im Moment ausgesprochen hitzig. Das liegt am Projekt der sozialistischen Regierung,
die gleichgeschlechtliche Ehe auch gegen breiten Widerstand aus der Bevölkerung zu
legalisieren. Am 12. April hat der Pariser Senat dem Projekt zugestimmt, und an diesem
Mittwoch schon – nicht erst Ende Mai, wie ursprünglich vorgesehen – soll die abschließende
Debatte in der Nationalversammlung beginnen. Die Gegner der gleichgeschlechtlichen
Ehe fühlen sich überrumpelt vom hastigen Vorgehen der Regierung. Der Sekretär der
Französischen Bischofskonferenz, Bernard Podvin, warnt vor einer Radikalisierung der
Projektgegner:
„Wir müssen uns im Auftreten von unseren Werten leiten lassen.
Natürlich können wir einem Ausverkauf dessen, woran wir glauben, nicht zustimmen –
aber das alles muss ruhig vorgebracht werden, ohne Gewalt, im Respekt vor den anderen:
Wer im Namen Christi handelt, muss den anderen respektieren! Wir müssen jeder Versuchung
des Extremismus widerstehen, auch wenn es in einer sozial und moralisch krisenhaften
Gesellschaft so einfach ist, die eigene Spannung nach außen zu kehren. Die Katholiken
und ihre Bischöfe finden es wirklich schlimm, dass man bei einer so wichtigen Abstimmung
so tief gesunken ist und dass das Fehlen einer echten Debatte so schlechte Früchte
hervorbringt! Wenn man in einer Gesellschaft die Debatte über so wichtige Themen verweigert,
führt das bei einem so zerbrechlichen sozialen Zusammenhalt unweigerlich zur Gewalt!“
Der
Sprecher von Frankreichs Bischöfen ruft nicht nur die Politiker zur Vernunft, sondern
ausdrücklich auch die Katholiken: „Keine Gewalt, Christen müssen die Demokratie respektieren!“
Ihm ist nicht entgangen, wie radikal sich Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe in
den sozialen Netzwerken äußern.
„Ich weiß, dass Mäßigung keine leichte
Sache ist, weil die Wunden offen liegen und viele andere Faktoren dazukommen: die
Arbeitslosigkeit, die schwere moralische Krise in der Gesellschaft... Aber man darf
sich davon nicht fortreißen lassen, sondern muss in einer solchen Lage zeigen, dass
unsere Werte wirklich auf dem Evangelium beruhen. Wir müssen soviel wie möglich für
den sozialen Zusammenhalt tun: Seit Wochen wiederholen wir, wie zerbrechlich der soziale
Zusammenhalt in Frankreich geworden ist... und in einer so fragilen Lage sollte man
nicht so tiefgehende Reformen durchführen!“
Schon am Dienstag der nächsten
Woche könnte im Pariser Parlament die Schlussabstimmung über die „Ehe für alle“, wie
die Regierung das Projekt nennt, stattfinden. Am Sonntag ist erneut eine Massendemonstration
gegen die gleichgeschlechtliche Ehe in Paris angesetzt. Der bisherige Vorsitzende
der Französischen Bischofskonferenz, Kardinal André Vingt-Trois, zeigte sich bei seinem
Referat in Lourdes sehr beunruhigt über das derzeit herrschende Klima im Land. Das
Christentum verliere an gesellschaftlicher Bedeutung, das christliche Konzept der
Menschenwürde werde nicht mehr als ethischer Bezugspunkt anerkannt, so der Pariser
Erzbischof am Dienstag.
„Durch einen psychologischen Mechanismus, den wir
nur allzu gut kennen, wenden viele Menschen im Moment ihre persönliche Frustration
nach außen, um gegenüber der sozialen Uniformität auf ihrer Identität zu bestehen.
So verwandeln wir uns schrittweise in eine Gesellschaft der Gewalt.“
Erzbischof
Pontier, der neue Vorsitzende Erzbischof Pontier, der neugewählte Vorsitzende
der Bischofskonferenz in Frankreich, wurde 1943 geboren; er ist seit 2006 Erzbischof
von Marseille. In der Bischofskonferenz leitete er bisher die Kommission für besondere
Projekte und Studien. Bekannt ist er für sein Engagement im Dialog mit anderen Religionen,
vor allem mit dem Islam.