Unser Buchtipp: Martin Luther - Rebell in Zeiten des Umbruchs
Das Theologische Denken
Martin Luthers war nicht das theologische Denken eines abgekapselten und weltabgeschiedenen
Mannes, Martin Luther stand mitten im Leben. Das könne man zum Beispiel an seinem
Besuch in Rom 1510 oder 1511 sehen. Heinz Schillling hat die jüngste Biographie Martin
Luthers verfasst, er erklärt uns, was etwa dieser Rombesuch bedeutete:
„Wenn
damals ein Kleriker aus Deutschland nach Rom ging, dann stand er so mitten im Leben
und in der Welt, als wenn die Bundeskanzlerin heute zu einem Gipfel der Wirtschafts-
und Gesellschaftswissenschaftler etwa nach Davos geht. Das zeigt, dass Luther sehr
aktiv im Leben stand, während er im Orden war. Schon die Formulierung, die man in
vielen Lutherbiographien liest ‚Er entsagte der Welt, als er ins Kloster ging’ ist
völlig falsch. Er entsagte nicht der Welt, sondern er hat aus einer anderen Position
heraus die Welt durchdacht und auch die Welt begleitet, zum Beispiel als er in politischen
Angelegenheiten nach Rom ging.“
Die Biographie Luthers ist mit viel Lob
bedacht worden. Alle Rezensenten unterstreichen das erfolgreiche Bemühen Schillings,
Luther als einen uns fremden Menschen aus einer uns fremden Zeit zu zeigen und damit
sämtlichen Vereinnahmungen zu entziehen, für welchen Zweck auch immer. Der emeritierte
Professor für Europäische Geschichte der Frühen Neuzeit an der Humboldt-Universität
zu Berlin betont bei Luther auch mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 etwas
ganz anderes. Luther habe sein Leben auf eine Art und Weise dargestellt, die nicht
immer den historischen Entwicklungen entsprochen habe.
„Eins scheint mir
ganz wichtig zu sein, auch mit Blick auf 2017, und es wäre wichtig, wenn die Verantwortlichen
in der katholischen Kirche das realisieren würden und auch aufgreifen würden: Die
Konfessionelle Zuspitzung kommt eigentlich erst im konfessionellen Zeitalter. Und
dann werden die Auseinandersetzungen und Positionen auch – und ich wage diesen modernistischen
Begriff – geradezu fundamentalistisch. Vielleicht sollte man in den Diskussionen um
die Bedeutung der Reformation in den nächsten Jahren generell anstreben, dieses angesammelte
Geröll zu durchdringen und über die konfessionellen Zuspitzungen zurückstoßen in die
eigentliche Zeit und analysieren, wie sich alles entwickelt hat. Wo waren damals schon
Missverständnisse? Was hätte man vermeiden können durch ein klügeres Vorgehen auf
beiden Seiten?“
Ein Unternehmen, dass Schilling selbst mit seiner Biographie
unternimmt. Das vollständige Interview mit Prof. Schilling können Sie am Sonntag in
unserer Abendsendung „Reden über Gott und Welt“ hören. Das Buch ‚Martin Luther – Rebell
in einer Zeit des Umbruchs’ ist im C.H. Beck Verlag erschienen und kostet etwa 30
€.