2013-04-07 08:09:25

Fritz Pleitgen – Journalist, Moderator, Manager


RealAudioMP3 Fritz Pleitgen hat schon als ganz junger Mensch den Beruf des Journalisten ergriffen, er wurde vergleichsweise sehr schnell Auslandskorrespondent in Brüssel und Paris, Moskau und Berlin, Washington und New York - zur Zeit des kalten Krieges, - dann politischer Chefredakteur beim Westdeutschen Rundfunk und dessen Intendant und schließlich Vorsitzender der ARD. Allein ein flüchtiger Blick über den bisherigen Lebenslauf von Professor Fritz Pleitgen lässt erkennen, dass der Journalismus, die Sprache, der Kontakt mit und zu Menschen und Ländern ihm auf dem Leib geschrieben ist.



Herr Pleitgen, wir danken Ihnen, dass Sie uns dieses ‚Menschen in der Zeit’ - Gespräch gewährt haben und heißen Sie willkommen bei Radio Vatikan. Sie haben im Laufe Ihrer Berufstätigkeit eigentlich alles erreicht, was man auf dem Gebiet der Medien erreichen kann. Welche Eigenschaften braucht es, um eine Lebensbilanz, wie die Ihre, vorweisen zu können?

„Ich denke, die Hauptsache ist das Interesse am Menschen, auch Mitgefühl und eine ständige Neugier und sich nie zufrieden zu geben, was man erreicht hat. Das sind Dinge, die man als Journalist unbedingt braucht. Und natürlich die Gabe, sich auszudrücken. Das habe ich dann im Laufe der Zeit auch gelernt.”

Die Grundprinzipien bleiben

Der Journalismus befindet sich in einer Lage des Umbruchs – Digitalisierung und Internet aber auch der Wandel der Publikumsbedürfnisse sorgen für viele Fragezeichen in der Branche. Andererseits: Welche neuen Chancen und Innovationen sehen Sie auf die Medien zukommen?

„Grundsätzlich ändert sich der Journalismus nicht, nur seine technischen Möglichkeiten sind besser geworden. Da muss man lernen, mit diesen Möglichkeiten umzugehen. Als ich noch als Fernsehjournalist unterwegs war – da wurde auch Film gedreht – das dauerte wenigstens ein-zwei Tage, bis das Ergebnis meiner Bemühungen dann auf den Sender gekommen ist. Heute geht das sofort. Das bedeutet wiederum, dass man sehr schnell und sehr präzise arbeiten muss. Aber das Grundprinzip bleibt das gleiche: man muss seriös arbeiten, man muss die Zuschauer, die Leser, die Hörer, so informieren, dass sie tatsächlich ein Bild der Wirklichkeit bekommen. Und heute wird genauso, oder noch mehr überprüft, ob das was gesagt, gesendet oder geschrieben wird, auch tatsächlich stimmt. Also: die Grundprinzipien bleiben, die Möglichkeiten an die Menschen heran zu kommen, sind allerdings viel besser geworden.

Viele Kritiker sagen, die Trivialisierung und Boulevardisierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens seien in vollem Gange. Finden Sie diese Behauptung gerechtfertigt oder eher überzeichnet?

„Nein, ich finde sie absolut nicht gerechtfertigt, ich gehöre nicht zu denen, die sagen: früher ist alles besser gewesen. Früher wurde auch viele Triviales gesendet, früher waren wir viel mehr Staatsrundfunk, als das heute der Fall ist. Aldo, wie haben natürlich auch mal Schwächephasen, die gibt es überall, aber insgesamt gesehen, ist das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nicht schlechter geworden in der Qualität, als das früher der Fall gewesen ist. Natürlich muss man versuchen alle Hörerinnen und Hörer, alle Seherinnen und Seher zu erreichen, denn schließlich werden wir ja von allen bezahlt. Nicht alle haben die gleichen Bedürfnisse, und deshalb ist das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wozu ich eben Radio und Fernsehen zähle, so breit gespreizt.”

Welche sind die Merkmale des Informationszeitalters? Wird der Einfluss der Medien auf Politik und Gesellschaft wachsen oder sich eher verringern ?

„Das ist schwer voraus zusagen. Ich glaube, die Distanz bleibt die gleiche. Mal sieht es so aus, als wenn die Medien die Politik antrieben, dann hat man das Gefühl, dass die Politik die Medien für ihre eigenen Mittel nutzt. Also beide Seiten sollten sich dort nicht überschätzen, beide Seiten sollten das tun, was ihnen aufgetragen ist. Die Journalisten haben zu informieren und aufzuklären und die Politiker haben dafür zu sorgen, dass die Bevöklerung unter den bestmöglichen Umständen lebt und sich weiter entwickeln kann.”

Helmut Kohl und Willy Brandt – Väter der deutschen Einheit

Denkwürdig sind Ihre vielen Interviews mit Helmut Kohl, Lech Walesa, Henry Kissinger, Michail Gorbatschow, um nur die heutigen noch lebenden Größen zu nennen. Welche dieser Persönlichkeiten hat Ihnen den dauerhaftesten Eindruck hinterlassen?

„Oh das ist ganz schwer zu sagen. Ich hatte ein ganz großes Faible für einen Menschen, den Sie jetzt nicht mehr nennen konnten, weil er nicht mehr lebt: das ist Willy Brandt. Seinetwegen bin ich zu einem großen Anhänger der Entspannungs-Politik geworden. Was für einen Journalisten schon etwas gefährlich ist. Man sollte sich nie mit einer Sache gemein machen. Aber, ich hatte darin die großen Chancen gesehen, dass Deutschland aus dieser schwierigen Situation der Teilung herauskommen könnte. Die Art und Weise, wie Willy Brandt Politik gemacht hat, wie er junge Menschen angesprochen hat, das hat mir eigentlich außerordentlich gefallen. Ansonsten: die genannten Persönlichkeiten hatten ihre Vor- und Nachteile. Henry Kissinger ist natürlich eine Größe sondergleichen in seiner Hauptzeit gewesen, aber Helmuth Kohl, mit dem ich sehr viele kontroverse Interviews geführt habe, wird immer der Vater der deutschen Einheit oder der Motor der deutschen Einheit -Vater ist vielleicht zu viel gesagt – und auch der europäischen Einheit bleiben. Er hat in einem schwierigen geschichtlichen Augenblick genau das Richtige getan und zwar in einer Art und Weise, wie man ihm das vorher nicht zugetraut hatte.”

Und dann geschah es…..

Was würden Sie als den journalistischen Höhepunkt in Ihrer langjährigen und vielfältigen Tätigkeit im Medienbereich bezeichnen?

„Da brauche ich nicht lange nachzudenken: das ist der Fall der Mauer. Ich habe, wie Sie eingangs gesagt haben, auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs gearbeitet, oft unter außerordentlich schwierigen Bedingungen. Ich habe in der Nähe der Mauer fünf Jahre lang gelebt, in Berlin an der Leipziger Straße, nur hundert Meter von der Mauer entfernt. Ich hatte das Gefühl, dass die Mauer zu meinen Lebzeiten nicht fallen würde. Und dann geschah es doch. Zu meiner großen Überraschung und zu meiner großen Freude – eben ohne Blutvergießen, das war nicht vorherzusehen – und ich habe diese Augenblicke sehr genossen.”

Und Ihr ‚menschlicher’ Höhepunkt?

„Erstens, dass ich eine Frau gewonnen habe, mit der ich heute noch zusammen lebe, wir haben vier Kinder bekommen und sie alle haben uns durch ihr Erscheinen auf dieser Welt die allergrößte Freude bereitet.”

Glaube und Journalismus gehören zusammen


Als Intendant mussten Sie darauf achten, dass alle Bereiche auf dem Sendeplan zu ihrem Recht kommen: Information, Kultur, Unterhaltung, Sport und Religion. Glaube und Journalismus – wie begegnen sich diese beiden Begrifflichkeiten auf der Bühne der Medienlandschaft?

„Also ohne Glauben wird man wahrscheinlich keinen Journalismus betreiben können. Aber der Journalismus muss das immer hinterfragen. Ich selbst bin Protestant, habe aber außerordentlich enge Beziehungen zur katholischen Kirche. Zu meinem Geburtstag haben mir hochrangige katholische Würdenträger gratuliert und haben mich dabei erinnert, dass wir vieles gemeinsam unternommen haben. Ich habe das immer aus größter Freude getan und ich sehe die Aufgabe der katholischen Kirche als weltumspannend an. Deshalb habe ich mich seinerzeit mit großer Freude für die Übertragung des Weltjugendtages in Köln eingesetzt und dafür gesorgt, dass diese Übertragung in alle Zipfel der Welt ankommt. Also – das eine schließt das andere nicht aus – ich finde beides – Glaube und Journalismus - gehört komplimentär zusammen und bringt die Welt voran.”

Das darf einfach nicht aufgegeben werden

Ein Wort zu Europa, dessen eifriger Befürworter Sie immer schon waren: obwohl jedem politisch denkenden Menschen klar sein muss, dass wir der Europäischen Union den dauerhaftesten Frieden und den stabilsten Wohlstand in der Geschichte Europas verdanken, gibt es immer weniger begeisterte Europabürger. Fehlt Europa eine Seele, wie Jacques Delors sich ausdrückte?

„Das Problem bei Europa ist, dass es als eine Wirtschaftsunion gegründet wurde. Aber gleichwohl: dieser europäische Gedanke ist so stark, dass er doch einfach eine Seele haben muss. Sonst würde er so nicht existieren. Ich bin deshalb ein Befürworter des Vereinten Europa, weil ich die Zeiten kennen gelernt habe, als Europa geteilt war. Ich war Korrespondent auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs und wenn ich daran zurück denke, wie ich damals durch Europa gefahren bin - ich bin oft mit dem Auto von Köln nach Moskau gefahren – wie schwierig, wie unangenehm es war, durch den eisernen Vorhang durchzukommen, wie schwierig es war durch die DDR zu fahren. dann später durch die Volksrepublik Polen, dann kam ich an die Grenze am Bug zwischen der Volksrepublik Polen und der Sowjetunion und wie einfach das alles heute geworden ist. Wie schnell wir zueinander kommen können. Dass wir eine Währung haben, dass wir uns da miteinander vergleichen können. Das darf einfach nicht aufgegeben werden. Das ist die Aufgabe unserer Generation.”

Überall wo Fritz Pleitgen journalistisch tätig war, wo die Politik im Mittelpunkt stand, hat er es nie unterlassen seinen Blick auch auf die Menschen , auf die jeweiligen Länder, auf die Natur auf die Landschaften zu richten, sei es in Europa, sei es in Amerika. Was ist Ihnen von all diesen Jahren am meisten im Herzen geblieben?

„Sie haben es gesagt: die Menschen! Ich habe so viele interessante Menschen kennen gelernt, nicht nur in hohen Positionen, gerade einfache Menschen, die für ihre Ideen eingetreten sind für ihren Glauben, für ihre Überzeugung. Ich habe ja auch in Diktaturen gelebt und habe diese Menschen bewundert – Menschen, die ganz einfach waren, aber gesagt haben, die können uns nicht vorschreiben, was wir zu denken, zu sagen und zu glauben haben. Das hat mir auch immer wieder Kraft gegeben, wenn ich in schwierigen Situationen war. Da habe ich mir gesagt: das ist doch alles ganz einfach im Vergleich zu dem, was diese Menschen ertragen und am Ende dann auch durchgesetzt haben. Also die Menschen waren es, die mir am meisten gegeben haben, eigentlich alles gegeben haben.”

‚Gebt euch immer Mühe, achtet auf den Nächsten und freut Euch!’


Die Welt hat einen neuen Papst: es ist das erste Mal in der neueren Kirchengeschichte, dass eine neuer Pontifex noch zu Lebzeiten des alten Kirchenoberhauptes gewählt wurde. Wo sehen Sie Vorteile, wo mögliche Nachteile an dieser historischen Konstellation?

„Ich will erstmal nur über die Vorteile sprechen: ich hatte große Achtung vor Papst Benedikt XVI. Ich glaube, er ist der am meisten gebildete Mensch, der auf dieser Erde wandelt. Ich war nicht mit allem einverstanden, was er gesagt und getan hat, aber da will ich nicht weiter richten. Ich habe mit großem Interesse jetzt den Auftritt des neuen Papstes Franziskus gesehen. Es hat mir auch als Protestant sehr gefallen, wie er auf die Menschen zugeht. Ich hatte das vorhin gesagt, das ist für Journalisten sehr wichtig und ich denke auch für einen Papst sehr wichtig, dass er auf die Menschen zugeht und damit ein Beispiel setzt, wie man miteinander umgeht und nicht von oben herab. Denn das ist es, was uns immer wieder in Konflikte bringt: wenn wir glauben, wir seien etwas Besseres, als unsere Nachbarn. Dieser Papst lebt in einer Weise vor, wie er sich den Frieden vorstellt und das ermutigt mich. Und ich denke, er wird eine sehr gute und erfolgreiche Amtszeit haben.”


Abschließend möchte ich Sie um ein kurzes Vermächtnis bitten, das Fritz Pleitgen jungen Journalisten, jungen Menschen weitergeben möchte:


„Gebt euch immer Mühe, achtet auf den Nächsten und freut euch!”

(rv 07.04.2013 ap)








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