Tausende von Menschen
kamen am Freitagabend zum Kreuzweg am Kolosseum, über sieben Millionen sahen allein
in Italien am Fernsehen zu. Für Papst Franziskus war es – knappe zwei Wochen nach
seiner Wahl – das erste Mal, dass er der Andacht vorstand. Er erinnerte in einer kurzen
Meditation an alle Opfer von Krieg und Gewalt, vor allem im Nahen Osten. Gott schweige
nicht, wenn der Mensch zu ihm schreie, sondern er antworte mit dem Kreuz Jesu, so
der Papst.
Keine Regenschirme am Kolosseum: Das Wetter bei dieser „Via Crucis“
ist stabil. Die Meditationen für die 14 Stationen des Leidenswegs Christi haben in
diesem Jahr libanesische Jugendliche verfasst, angeleitet vom maronitischen Patriarchen
Béchara Boutros Raï. Sie appellieren an ihre Landsleute, in ihrer Heimat zu bleiben
und dort weiterhin den christlichen Glauben zu bezeugen. Zugleich äußern sie in den
Texten die Hoffnung auf einen neuen Orient, „in dem mehr Brüderlichkeit, mehr Friede
und mehr Gerechtigkeit herrschen“.
„In unserer heutigen Welt gibt es viele
„Pilatus“, die die Hebel der Macht in Händen halten und sie gebrauchen, um den Stärkeren
zu dienen.“ So heißt es in der Betrachtung zur ersten Kreuzwegstation, Jesus wird
zum Tode verurteilt. „Viele sind es, die – schwach und feige gegenüber diesen Machtbestrebungen
– ihre Autorität in den Dienst des Unrechts stellen und die Würde des Menschen und
sein Recht auf Leben mit Füßen treten. Jesus, unser Herr, lass nicht zu, dass wir
zur Zahl der Ungerechten gehören. Lass nicht zu, dass die Starken sich im Bösen, im
Unrecht und in der Gewaltherrschaft gefallen. Lass nicht zu, dass die Ungerechtigkeit
Unschuldige in die Verzweiflung und in den Tod treibt!“
„Wir haben uns
ein paar Tage frei genommen, um nachzudenken und zu beten“, erzählen die drei
jungen Libanesen, die den Kreuzweg getextet haben. „Ich selbst war gar nicht so
bibelfest“, meint eine, „ich habe aber immer gebetet, dass wir der Welt gegenüber
wirklich das ausdrücken, was wir erlebt haben. Diese Kreuzwegstationen spiegeln wirklich
das wieder, was wir erleben!“ – „Wir wollten mit dem Kreuz Jesu auch die Leiden des
Nahen Ostens tragen. – Wir haben für die jungen Syrer, die jungen Iraker, die jungen
Leute des Heiligen Landes gebetet, die eine Zeit des Kriegs und des Terrors erleben.
Wir fühlen uns in Gemeinschaft mit ihnen, vor allem wir Christen in dieser Region.“
Das
Holzkreuz wird von einer kleinen Prozessionsgruppe aus dem Kolosseum herausgetragen,
begleitet von Klerikern und jungen Leuten mit libanesischer Fahne. Getragen wird das
Kreuz abwechseln vom römischen Kardinalvikar Agostino Vallini, von zwei chinesischen
Seminaristen, von Franziskanern aus dem Heiligen Land, Ordensfrauen aus Nigeria und
dem Libanon, Jugendlichen aus Brasilien, einmal auch von einer alten Frau im Rollstuhl.
Papst Franziskus verfolgt die Zeremonie von einer erhöhten Terrasse auf der Seite
des Forum Romanum, gegenüber vom erleuchteten Kolosseum.
„In dieser Nacht
muss ein einziges Wort verbleiben – das Kreuz“, sagt der Papst zum Schluss in
einer kurzen Betrachtung. „Das Kreuz Jesu ist das Wort, mit dem Gott auf das Böse
der Welt geantwortet hat. Manchmal scheint es uns, als antworte Gott nicht auf das
Böse, als verharre er im Schweigen. In Wirklichkeit hat Gott gesprochen, er hat geantwortet,
und seine Antwort ist das Kreuz Christi: ein Wort, das Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung
ist. Es ist auch Gericht: Gott richtet uns, indem er uns liebt. Wenn ich seine Liebe
annehme, bin ich gerettet, wenn ich sie ablehne, bin ich verurteilt – nicht von ihm,
sondern von mir selbst, denn Gott verurteilt nicht, er liebt nur und rettet.“
Das
„Wort vom Kreuz“ sei die „Antwort der Christen auf das Böse“, so der Papst weiter.
Die Christen müssten auf das Böse, „das immer noch in uns und um uns wirkt“, „mit
dem Guten antworten, indem sie wie Jesus das Kreuz auf sich nehmen“.
„Heute
Abend haben wir das Zeugnis unserer Brüder aus dem Libanon gehört: Sie sind es, die
diese schönen Meditationen und Gebete geschrieben haben. Wir danken ihnen von Herzen
für diesen Dienst und vor allem für das Zeugnis, das sie uns geben. Wir haben es gesehen,
als Papst Benedikt in den Libanon gereist ist: Wir haben die Schönheit und die Kraft
der Gemeinschaft der Christen in jenem Land und der Freundschaft vieler muslimischer
Brüder und zahlreicher anderer gesehen. Es war ein Zeichen für den Nahen Osten und
für die ganze Welt: ein Zeichen der Hoffnung.“
Jetzt gehe es darum, „diesen
Kreuzweg im Alltagsleben fortzusetzen“,so Papst Franziskus. „Beschreiten
wir gemeinsam den Weg des Kreuzes, gehen wir, indem wir dieses Wort der Liebe und
der Vergebung im Herzen tragen. Gehen wir in der Erwartung der Auferstehung Jesu!“