Mali-Experte: „Entwicklungshilfe trotz Kämpfen wieder anlaufen lassen“
In den vergangenen
Tagen haben Islamisten in Mali ihre Angriffe auf die Stadt Gao verstärkt. Erst Ende
Januar war es der französischen und der malischen Armee gelungen, die umkämpfte Stadt
im Norden des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Was die aktuelle Lage für die
Menschen vor Ort und für die Hilfsprojekte der Caritas bedeutet, darüber hat Stefanie
Stahlhofen mit Hannes Stegemann, dem Mali-Experten bei Caritas international, gesprochen.
Er hält es vor allem für wichtig, die Entwicklungshilfe in Mali wieder anlaufen zu
lassen – und das unabhängig von unerfüllbaren Bedingungen wie frühen Wahlen.
Hannes
Stegemann war selbst Ende 2012 in Mali unterwegs, doch durch Telefonkontakt mit Mitarbeitern
vor Ort ist er auch aktuell auf dem Laufenden. Er meint:
„Ich würde die
Vorkommnisse der vergangenen Tage in Gao, aber auch am Flughafen von Timbuktu, nicht
unbedingt überschätzen. Natürlich kam es wieder zu Schießereien, die angreifenden
Dschihaddisten waren relativ kleine Gruppen, die dann auch militärisch gesehen relativ
schnell unter Kontrolle gebracht wurden, beziehungsweise zurück geschlagen wurden.
Aber jeder dieser Nadelstiche ist natürlich für die Bevölkerung immer erschreckend
und traumatisierend.“
Was bedeutet die aktuelle Situation in Mali denn
für die Christen, für die Menschen dort?
„Ich würde sagen, für die Christen
ist es eher marginal, weil diese Dinge im Norden Malis passieren, wo es nach meinem
Kenntnisstand im Augenblick so gut wie gar keine Christen mehr gibt. Die Missionsstation
und die Pfarrei in Gao wurde von Dschihaddisten im April letzten Jahres zerstört,
und die Mitarbeiter, Priester, mussten fliehen. Zum Glück ist niemand zu Schaden gekommen.
Sie befinden sich jetzt im ruhigen und sicheren Süden und warten darauf, wieder in
den Norden zurückkehren zu können – was natürlich im Augenblick aufgrund der noch
andauernden Unsicherheit nicht möglich ist.“
Und was bedeutet das für
die Hilfsarbeit von Caritas international?
„Wir sind sehr aktiv, auch ohne
größere Schwierigkeiten und Bedrohungen im ganzen Süden Malis. Wir machen dort große
,Cash for Work-Programme’, wo es darum geht, dass Bargeld in Umlauf gebracht wird
über gemeinnützige Tätigkeiten der Bevölkerung: Zum Beispiel, indem sie versandete
Bewässerungsgräben ausgraben, Deiche wieder neu anlegen usw. Die internationalen Sanktionen
seit dem Militärputsch letzten Jahres haben die Wirtschaft des Landes gelähmt und
die Armut verstärkt. Wir haben ja aktuell die Situation, dass die letzte Ernte Ende
des Jahres 2012 ausgezeichnet war, aber viele Leute nicht das Bargeld haben, um sich
die nötige Nahrung zu beschaffen. Außerdem betreuen wir in Mopti mit Geldern der Deutschen
Bischofskonferenz auch weiterhin intensiv intern Vertriebene: Allein in Mopti leben
circa 45.000 intern Vertriebene, die aus dem Norden nach Mopti geflohen sind, die
auch gerne zurück wollen in den Norden, die wir aber immer noch etwas bremsen müssen,
weil die Sicherheitslage die Rückkehr in den Norden noch nicht erlaubt.“
Was
denken Sie denn die Zukunft betreffend, wann könnten die Menschen vielleicht zurückkehren?
„Es ist ganz schwer einzuschätzen, wie die Sicherheitslage sich weiterentwickeln
wird, wie lange die im Grunde genommenen doch geschlagenen Dschihaddisten diese Guerilla-Nadelstiche
noch fortsetzen können. Damit terrorisieren sie auch in erster Linie die Zivilbevölkerung.
Also, da will ich keine Prognose abgeben. Ich hoffe, dass sich bis Jahresmitte die
Dinge beruhigt haben. Für eine Rückkehr der intern Vertriebenen braucht es aber nicht
nur Sicherheit, sondern es wird auch ein Mindestmaß an ziviler Administration benötigt:
Die Banken müssen wieder geöffnet werden, das sind alles Vorbedingungen, damit die
Bevölkerung wieder in den Norden zurückkehren kann.“
Und werden die Wahlen
wie geplant in den nächsten Monaten stattfinden können?
„Da will ich Ihnen
ganz ehrlich sagen, ich halte diesen Zeitpunkt, Juli, für viel zu verfrüht. Ich weiß
nicht, ob der Termin überhaupt einzuhalten ist. Man müsste ja eigentlich auf dem gesamten
Gebiet Malis wählen können und dürfen. Die Wählerregistrierung müsste komplett abgeschlossen
sein, da sind wir doch noch relativ weit von entfernt. Mali ist trotz der militärischen
Erfolge der Franzosen und der afrikanischen Alliierten im Norden dennoch weiterhin
ein zweigeteiltes Land. Diese frühe Ansetzung der Wahlen ist natürlich aufgrund des
internationalen Drucks erfolgt, weil man sagt, nur wenn es diese freien, fairen Wahlen
im Juli gibt, wird auch die Entwicklungshilfe wieder völlig frei gegeben. Ich denke
das ist eine etwas unglückliche Situation. Dass die Entwicklungshilfe wieder freigegeben
werden muss, ist extrem wichtig, um auch eine weitere Verarmung der Bevölkerung Malis
im Süden zu verhindern. Dass man die normalen Entwicklungsprojekte wieder anlaufen
lässt, ist sehr, sehr wichtig. Aber diese Verbindung mit frühen Wahlen im Juli – das
müsste wohl noch mal einer Prüfung unterzogen werden. Man sollte jetzt nicht vorschnell
Wahlen organisieren, die dann dem Anspruch ‚fair und frei’ nicht genügen können.“