Die historisch verbürgten
Nachrichten über die heilige Mechthild von Magdeburg – eine der drei großen Frauen
von Helfta – sind eher spärlich. Ihre Sprache beweist, dass sie unter den Eindrücken
des Hoflebens aufgewachsen ist und aus dem Adel stammt. Sie ist die erste namentlich
genannte Mystikerin, die in deutscher Sprache schrieb. Mechthild von Magdeburg ist
eine der ungewöhnlichsten Gestalten der religiösen Frauenbewegung des Mittelalters.
Sie ist von großer innerer Freiheit, selbst- und gottesbewußt, dienend, fürsorgend,
aber auch geistig unabhängig und wagemutig.
Schon früh setzen die außergewöhnlichen
Gnadenerweise an. Mechthild berichtet, dass sie mit 12 Jahren vom „Heiligen Geist
angeredet wurde”. Diese überaus innige Anrede kam alle Tage und zwar während 31 Jahren,
sodass sie den Freuden der Welt keinen „Geschmack“ mehr abgewinnen konnte. Nicht durch
Bücher und geistliche Lehrer fand sie zu einem inneren Leben mit Gott, sondern durch
ein sehr frühes, plötzliches, für sie unfassbares Gnadenereignis.
Noch im
Alter bezeichnete sie den Heiligen Geist als „meinen lieben Schulmeister“, der mich
ungelehrten Menschen dieses Buch lehrte.
Um 1230 verlässt sie das Elternhaus
und begibt sich in einen Magdeburger Beginenhof, um dort 40 Jahre lang ein strenges,
geistliches Leben nach den evangelischen Räten zu führen. Was sind diese Beginen?
Es waren Frauen aus allen Schichten, die allein – oder in freien Glaubens- und Wirtschaftsgemeinschaften,
meist in Städten, lebten und sich um in Not geratene, an den Rand der Gesellschaft
gedrängte Menschen kümmerten. Im Zentrum ihres geistlichen Lebens stand die Einheit
von Gottes- und Nächstenliebe. Ganz im Sinne der Armutsbewegung um Franz von Assisi,
Dominikus und Elisabeth von Thüringen maßen sie die geistliche und weltliche Macht,
die im Mittelalter kaum zu trennen waren an den christlichen Werten und kritisierten
deren Verfall. Allgemein waren die Beginen durch ihre Eigenständigkeit und Radikalität
ihres Lebens und Glaubens zunehmend der Verfolgung durch den Klerus ausgesetzt.
In
dieser turbulenten Zeit beginnt Mechthild 1250 ihr Buch „Das fließende Licht der Gottheit“
zu schreiben. Es gilt als das erste mystische Werk in deutscher Sprache. Indem sie
über Gott in der Sprache des Volkes schreibt, grenzt sie sich ab vom Latein der Theologen
als der exklusiven Lingua Sancta. Nach 30-jährigem Schweigen über ihre Glaubenserfahrungen
vertraut sie sich ihrem Beichtvater und geistlichen Berater an. Er ermutigt sie ihre
Offenbarungen niederzuschreiben. Darauf gerät sie in den theologischen Richtungsstreit
zwischen der vom Adel beherrschten Amtskirche und den Vertretern der Armutsbewegung,
die die Aufwertung der Laien vorantrieb. Unter dem Druck der Verhältnisse, fast erblindet,
findet Mechthild, nach Jahren der Verfolgung und Verkennung herzliche Aufnahme im
Kloster von Helfta.
Von den jungen bewundert, ist sie mit ihrer Spiritualität
und Persönlichkeit eine große Bereicherung für Helfta. Das „fließende Licht der Gottheit“
ist von einer ungeheuren Dynamik der Liebe zwischen Gott und der Seele geprägt. Da
ist die Erfahrung von dem absoluten Anspruch der göttlichen Offenbarung.
Ermutigt
und inspiriert durch Mechthilds Reichtum an Sprachbildern und Wortschöpfungen sowie
deren selbstständiger Form der Gottesrede bringen zwei junge, hoch gebildete Klosterfrauen
– nun allerdings in Latein – ihre eigenen Gottesbegegnungen zur Sprache: Mechthild
von Hackeborn und deren Schülerin Gertrud von Helfta, später „die Große“ genannt.
Wir haben über sie in unseren vorhergehenden Sendungen gesprochen. Gemeinsam mit Mechthild
begründen sie den Ruf des Klosters Helfta als weltweit berühmtes Zentrum mittelalterlicher
Frauenmystik. Mechthild stirbt, gezeichnet vom Siechtum des hohen Alters, um das Jahr
1282 mit 75 Jahren.